Die deutsche Ex-Kanzlerin Angela Merkel (71) hat Polen und den baltischen Staaten eine Mitschuld am Ukraine-Krieg gegeben. Sie wirft ihnen vor, 2021 den EU-Dialog mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin (72) blockiert und damit Moskaus Aggression mit ausgelöst zu haben. Auch Corona habe eine Rolle gespielt.
In dem Gespräch dem ungarischen Online-Medium Partizán, das als Video auf Youtube veröffentlicht wurde, entwickelt Merkel eine eigenwillige Interpretation der Ereignisse, die im Februar 2022 zum Ausbruch des Ukraine-Kriegs geführt haben sollen.
Merkel begründet Ukraine-Krieg mit Polens Angst vor Putin
Die Alt-Kanzlerin erzählt, wie sie 2021 ein neues diplomatisches Format angestrebt habe, um „mit Putin direkt als Europäische Union“ zu sprechen. Dieses sei jedoch von Polen und den baltischen Staaten blockiert worden – aus „Angst“, die EU könne keine gemeinsame Russland-Politik finden. Nach Merkels Darstellung trug dieses Scheitern zur Eskalation und schließlich zum Krieg bei. „Dann bin ich aus dem Amt geschieden, und dann hat die Aggression Putins begonnen“, so Merkel. Zu den drei baltischen Staaten gehören Estland, Lettland und Litauen.
Video: Das brisante Interview von Angela Merkel
Merkel lobt ihr Minsker Abkommen aus dem Jahr 2015
Gleichzeitig verteidigte sich Merkel im Interview mit dem ungarischen Format gegen Kritik, ihre Politik in den Jahren vor 2015 habe Putins Position gefestigt. Das von ihr ausgehandelte Minsker Abkommen, das 2015 unterzeichnet worden war, habe eine „Beruhigung herbeigeführt“ und der Ukraine eine Chance geboten. Erst im Juni 2021 habe sie gespürt, „dass das Minsk-Abkommen von Putin nicht mehr ernst genommen wird“.
Dann bin ich aus dem Amt geschieden, und dann hat die Aggression Putins begonnen.
Deutschlands Ex-Kanzlerin Angela Merkel
Covid-Mitverantwortung?
Besonders überraschend ist aber eine andere Theorie, die Merkel zum Beginn des Ukraine-Kriegs zum Besten gibt. Die Ex-CDU-Chefin macht nämlich auch die Corona-Pandemie mitverantwortlich. Putin habe aus Angst vor dem Virus keine Gespräche mehr führen wollen. Videokonferenzen hätten da nicht ausgereicht, um Kompromisse zu erreichen. „Wir konnten uns nicht mehr treffen“, zitiert die „Bild“-Zeitung aus dem Interview mit Merkel. Durch ausbleibende persönliche Treffen mit Putin habe sich Russland politisch radikalisiert.
Putin hat aus Angst vor dem Coronavirus keine Gespräche mehr führen wollen.
Angela Merkel
Merkels Schlussfolgerung: „Wenn man sich nicht treffen kann, wenn man nicht Auge in Auge die Meinungsverschiedenheiten austauschen kann, dann findet man auch keine neuen Kompromisse.“
Merkel lässt Vorgeschichte unerwähnt
Dabei erwähnte Merkel jedoch weder Russlands anhaltende Aggression gegen die Ukraine seit 2014 (also lange vor Corona) noch die Eskalation ab 2021, als Moskau längst seine Invasion vorbereitete. Denn trotz Minsker Abkommen und entgegen Merkels Behauptung der Entspannung zwischen 2015 und 2022 starben bei Kämpfen mit von Russland unterstützten Partisanen, getarnten Soldaten oder vom Kreml bezahlten Söldnern in diesem Zeitraum mutmaßlich mehr als 5000 ukrainische Soldaten im Osten des Landes. Bereits im Februar 2014 hatte Putin zudem die Krim-Halbinsel besetzen lassen. Ab Frühjahr 2021 bereitete Russlands Machthaber die Vollinvasion gegen die Ukraine vor.
Polen kontert Merkels Aussagen
Polens Präsident Andrzej Duda (53) wies Merkels Aussagen entschieden zurück. Polen sei nicht Mitschuldige, sondern potenzielles Ziel russischer Aggression – und warnte vor Verhandlungen, die Putin politisch legitimieren könnten.
Putin gibt Europa die Schuld am anhaltenden Krieg
Putin hatte vor wenigen Tagen Europa die Schuld dafür gegeben, dass der Krieg gegen die Ukraine weiter anhält. Viele Länder hätten versucht, eine friedliche Lösung zu finden, aber die europäischen verfolgten eine „Politik der ständigen Eskalation“, so der russische Präsdient. Russland habe ihm zufolge jedoch genügend Soldatinnen und Soldaten, um den Kampf fortzusetzen. Daher solle die ukrainische Regierung verhandeln.
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