In seiner jüngsten Kolumne beschäftigt sich Autor Robert Schneider mit den Herausforderungen, vor denen man im Vatikan steht. Immer mehr Schäfchen kommen dem Oberhirten abhanden. Bei den jungen Menschen will der Pontifex mit einem „Cyber-Heiligen“ punkten.
Unser neuer Papst, von dem ich noch immer nicht weiß, ob ich ihn mögen soll oder nicht, saß in seinem apostolischen Arbeitszimmer und studierte Schaudiagramme. Die talwärts stürzenden Vektoren, die ihm die Überalterung des Kirchenvolks unmissverständlich vor Augen führten, verfinsterten sein Buchhaltergesicht. Für ein Buchhaltergesicht kann man nichts. Das Gesicht kommt von Gott. Aber für die Kirchenaustritte kann man was. „Das wird sich ändern!“, rief er mürrisch und ließ den Präfekten für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse rufen.
„Bruder Marcello“, seufzte Leo XIV., „hast du die neuen Zahlen gesehen?“ „Ja, Eure Heiligkeit, aber vergesst nicht, Jesus hat auch klein angefangen. Es waren Zwölfe. Wahnsinn, wie viele es dann geworden sind!“ „Komm mir nicht mit alten Kamellen“, erwiderte der Papst. „Uns läuft die Jugend in Scharen davon.“ Kardinal Semeraro nickte eilfertig.
„Vorschläge?“ Der Papst schaute den Kardinal mit buchhalterischer Strenge an. „Heiligkeit, mir kommt da eine Idee. Da gab es doch diesen einfältigen Jungen, der sich im Internet herumtrieb und predigte. Wie hieß er gleich? Actius oder Acutis. Gott hat ihn leider viel zu früh zu sich geholt.“ Semeraro zog eine verlogen traurige Miene und fuhr fort: „Den könnten wir zum Idol aufbauen, zum Cyber-Heiligen. Die Jugend von heute treibt sich doch nur noch im Internet rum.“ „Worauf wartest du?“, sprach der Papst ungeduldig. „Die Seligsprechung ist schon abgeschlossen, aber da fehlt noch eine Kleinigkeit. Die beiden Wunder, die er vollbracht haben müsste.“ „Dir fällt schon was ein“, sagte Leo XIV. in einem Ton, der kein Nein duldete. Dann setzte er wieder sein gottgegebenes Gesicht auf, für das er ja nichts kann, und eilte zur Audienz mit den polnischen Jungpriestern.
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