Bosch dominiert den heimischen E-Bike-Markt. Doch der chinesische Hersteller Bafang zeigt, dass er mächtig aufholen kann. Die „Radkrone“ hat die beiden Antriebe M510 und M560 ausprobiert.
Wenn in Österreich über E-Bikes gesprochen wird, dann fällt fast automatisch der Name Bosch. Die Motoren aus Reutlingen (D) sind seit Jahren Platzhirsch am heimischen Markt – zuverlässig, stark, perfekt in die Bikes integriert. Doch was passiert, wenn chinesische Herstellern antreten, um am Thron zu wackeln? Die „Radkrone“ hat die Bafang-Motoren M510 und M560 getestet – und waren überrascht, wie viel Power in den selten gesehenen Antrieben steckt.
Bafang ist in der E-Bike Szene kein Newcomer. Seit 2003 baut das Unternehmen aus Suzhou (China) E-Bike-Motoren, Batterien und Displays. In Asien längst Marktführer, in den USA stark verbreitet, in Europa jedoch eher Exot. Der Grund: Hier dominieren Bosch, Brose, Shimano und Yahama.
Bafang M510 – die Überraschung
Beim ersten Aufsitzen auf das namenlose Testrad war ich deshalb skeptisch. Doch nach wenigen Minuten hat mich der M510 überrascht. Mit 250 Watt Nenndauerleistung und einem Drehmoment von bis zu 95 Newtonmetern bringt er eine Performance, die es locker mit dem Bosch CX aufnehmen kann. Das Display elegant ins Oberrohr integriert – eine aufgeräumte Lösung, die Premium wirkt. Auf der Schotterstraße bergauf zeigt der Motor seine Stärken: kräftig, direkt. Nur eines fällt auf: Der Bafang ist deutlich lauter als die aktuelle Bosch-Generation.
Wer Wert auf ein nahezu flüsterleises System legt, wird sich daran stören. Die Energie lieferte ein 720-Wh-Akku, der sauber im Unterrohr beim Testrad seinen Platz fand. Reichweiten von mehr als 1.000 Höhenmetern waren kein Problem.
Bafang M560 – brachiale Kraft
Noch eine Nummer heftiger tritt der M560 auf. Eigentlich für S-Pedelecs entwickelt, bringt der Motor offiziell 250 Watt (gedrosselt), liefert aber in seiner vollen Spezifikation bis zu 500 Watt Dauerleistung und ein Drehmoment von 160 (!) Newtonmetern – ein Wert, der alles andere in dieser Klasse in den Schatten stellt.
Das von mir getestete E-Bike war auf 25 km/h limitiert, doch schon so wirkte der Antrieb fast übermächtig. Auf steilen Trails stieg mir mehrfach das Vorderrad in die Höhe – ein Indiz dafür, wie brutal der M560 seine Kraft entfaltet. Für die nötige Ausdauer sorgte ein 850-Wh-Akku, der trotz der immensen Motorleistung ordentliche Reichweiten möglich macht.
Bei diesem Testrad war das Display direkt am Lenker montiert und erinnerte stark an das Bosch Purion 400. Da stellt sich die Frage, kupfern die Chinesen bei Bosch ab?
Ganz ehrlich: Ja und nein. Natürlich ähneln sich die Systeme. Mittelmotor mit 250 Watt, Displaysteuerung und sogar die identen Unterstützungsstufen Eco, Tour, Speed (eMTB), Speed+ (eMTB+) und Boost (Turbo) – das Grundprinzip folgt klar den Regeln, die Bosch auf dem Markt etabliert hat und bei Integration und Bedien-Elementen merkt man, dass Bafang sich am Branchenführer orientiert.
Aber: Bafang bringt auch eigene Akzente. Der M510 liefert mit 95 Newtonmetern Drehmoment Werte auf Augenhöhe mit dem Bosch CX, der M560 geht mit bis zu 160 Newtonmetern sogar darüber hinaus. Während Bosch auf maximale Laufruhe und Software-Feinschliff setzt, geht Bafang eher in Richtung „rohe Kraft“. Im Ergebnis ist das Fahrgefühl anders – direkter, aggressiver, manchmal fast brachial. Dennoch wird Bafang in Europa mit Bosch nicht mithalten können, denn die Reutlinger punkten mit einem großen Service-Netzwerk und extrem hoher Markenbindung.
Wer einen Bafang-Antrieb fahren will, muss dagegen auf eigenes Risiko setzen. Deshalb werden die Chinesen-Antriebe trotz alledem wohl noch länger Exoten blieben. Doch wer offen ist für Neues und sich nicht vom Label „Made in China“ abschrecken lässt, entdeckt in den Bafang-Motoren spannende Alternativen, die das E-Bike-Erlebnis auf eine neue Stufe heben können.
Auch „Kärntner Krone“-Chefredakteur Hannes Mößlacher, ein begeisterer E-Biker der ersten Stunde, ließ es sich nicht nehmen, den Bafang M560-Antrieb auszuprobieren: „Bist Du deppert… das ist ja nicht normal“.
Schon die ersten Meter auf dem neuen China-Bike zeigen, wie sich das Radfahren mit Elektromotor entwickelt. Die Kraft kommt zwar mit Verzögerung, aber sie kommt und bleibt und lässt Dich dahinfliegen, dass es fast schon ein bisschen surreal zu wirken beginnt.
Überlegen auf der Geraden, flott bergauf. Nicht auszudenken, wenn das auch noch ungedrosselt wäre, mit Unterstützung, bis Du mit der Tritt-Kadenz nicht mehr nachkommst. Dann müssten die Schutzengel schneller werden. Oder die Biker umsichtiger, vorsichtiger, defensiver.
In Summe: Das Ding macht Spaß, gibt ein Gefühl der Überlegenheit; braucht aber Zurückhaltung, um den Spaß nicht in Ernst umschlagen zu lassen. Und die Qualität? Tja, auch da kommt auf Europa vieles zu, wenngleich es da und dort grammelt, wo es nicht sollte, und beim Schalten unter Druck Besseres zu haben ist. Die Leistung? Überragend in allen Parametern, bleibt abzuwarten, wie die Haltbarkeit ausschaut
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