Was Wien vom ESC hat

„Was ist die Alternative? Licht aus, Laden dicht?“

Wien
25.08.2025 19:00

WienTourismus-Chef Norbert Kettner im „Krone“-Interview über die Möglichkeiten, die sich der Stadt durch den Song Contest bieten, warum man trotz Sicherheitsbedenken auf Großveranstaltungen setzen soll und warum der 16. Mai für ihn ein ganz spezielles ESC-Finale sein wird.

Norbert Kettner hat sich seit jeher für die Austragung des Song Contests in Wien starkgemacht. Dabei denkt der WienTourismus-Chef nicht nur an den Zustrom von Gästen im Mai, sondern weit über die Veranstaltung hinaus. Gegenüber der „Krone“ erklärt er, wie die Stadt langfristig Kapital aus der Veranstaltung schlagen kann – und übt Kritik an „unprofessionellen“ Hoteliers, die dem Image schaden.

„Krone“: Wie viel mehr Touristen als in Jahren ohne Song Contest erwarten Sie?
Norbert Kettner: Es gibt eine Studie des Wirtschaftsministeriums, die von 88.000 zusätzlichen Gästen ausgeht. Es ist aber immer schwer zu sagen, welche Auswirkungen ein Event unmittelbar hat. Wir haben ja im Mai auch immer eine sehr gute Grund-Auslastung. Ich glaube, es wird nur sehr wenige geben, die wegen des ESC einen Bogen um Wien machen. Wir können sehr viele Gäste beherbergen, bevor wir wirklich voll sind. Die Sorge habe ich nicht.

Hätte es für solche Massen nicht schon die Wien-Holding-Arena gebraucht?
Die Wien-Holding-Arena brauchen wir unbedingt, und wäre sie jetzt schon fertig, würde der Song Contest sicher dort stattfinden. Aber die Stadthalle hat sich ja schon letztes Mal bewährt und ist deutlich größer als der Veranstaltungsort in Basel letztes Jahr.

Die geplante Wien-Holding-Arena wäre ideal für den ESC gewesen – nun muss es wieder einmal die ...
Die geplante Wien-Holding-Arena wäre ideal für den ESC gewesen – nun muss es wieder einmal die Stadthalle tun.(Bild: Jöchl Martin)

Sie hoffen also auf einen vierten ESC in Wien, damit die Arena dann zum Einsatz kommen kann?
(lacht) Das wäre immer gut, aber ob ich das dann noch beruflich begleiten würde, sei dahingestellt.

Sie betonen immer, dass Wien den ESC für den dauernden weltweiten Wettstreit um Aufmerksamkeit braucht. Wie lange wirkt der ESC-Werbeeffekt denn überhaupt?
Das ist eine gute Frage. Es ist eher eine Erweiterung des Images. Wir in Wien haben das Glück, dass wir als Hauptstadt der Musik gelten, aber vor allem im klassischen Bereich. Da passt die Populärmusik gut in unsere Markenaufstellung hinein und ist auf jeden Fall eine Facette, die länger mitwirkt. Aber man muss auch realistisch sein: Es passieren so viele Events in vielen Städten der Welt, da sind wir in großer Konkurrenz. Aber wenn wir sagen können, dass wir die größte Musikshow der Welt ausgetragen haben, dann hilft uns das auch in anderen Bereichen, zum Beispiel bei Großkongressen. Da geht’s ja oft darum: Traut man das der Stadt zu? Der ESC zahlt also in das Image als Musikstadt ein, aber auch für uns ganz konkret in der Akquise, wenn wir um einen Kongress mit 20.000 Teilnehmern rittern, was eigentlich recht oft vorkommt. Da können wir dann sagen: Schaut her, wir können so etwas ausrichten.

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Für uns ist jeder ein Wunschgast, der sich mit der Stadt respektvoll auseinandersetzen will.

WienTourismus-Chef Norbert Kettner

Wien wirbt um Besucher, die länger bleiben und mehr ausgeben. Das ist doch nicht die ESC-Klientel, oder?
Die ESC-Klientel ist eine eingeschworene, internationale und sehr lebenslustige Gruppe, ein bisschen vergleichbar mit den Swifties letztes Jahr. Kaufkräftiges Publikum ist nur ein Aspekt. Es geht uns um Publikum, das sich mit seiner Destination auf irgendeine Art verbindet – also, dass der Reiseanlass nicht billiges Bier ist, sondern ein anderer Grund, der mit der Stadt zu tun hat. Und davon kann man bei der ESC-Gefolgschaft auf jeden Fall ausgehen, weil die in jede Stadt total eintauchen. Das ist eine Gruppe, die einfach gute Stimmung bringt, und das tut einer Stadt auch gut. Wenn wir über einen Wunschgast reden, dann über jemanden, der willens ist, sich mit der Stadt respektvoll auseinanderzusetzen. Wenn dann auch noch bedeutende Summen ausgegeben werden – umso besser.

2239 Euro pro Nacht

Manche Hoteliers wittern im Song Contest die Chance auf das große Geld. In der Umgebung der Stadthalle werden für die Nacht vom 16. auf den 17. Mai Preise von bis zu 2239 Euro pro Nacht verlangt. Wer ein wenig sucht, findet jedoch auch Angebote für mindestens ebenso komfortable Hotels in guter Lage um ein Drittel solcher Preise.

Schon jetzt werden wenig attraktive Unterkünfte im Mai zu Fantasiepreisen angeboten. Ruiniert sich Wiens Hotellerie gerade den eigenen Ruf – und den von Wien gleich mit?
Das probieren halt gerade einige. Aber Hotelpreise werden ja jeden Tag neu berechnet. Ich kann nur empfehlen, jeden Tag reinzuschauen und nicht jetzt sofort zu buchen. Ich gehe davon aus, dass die Preise wieder zurückgehen. Wahrscheinlich wird’s ein paar Unbelehrbare geben, aber die Profis unter den Hoteliers wissen das. Wir haben ein Angebot von 82.000 Betten über alle Kategorien. Es muss sich keiner Sorgen machen, dass er kein Zimmer bekommt. Ich würde so überzogene Angebote nicht annehmen.

Die Wiener Ampelpärchen waren eigentlich nur als kurzfristige Image-Maßnahme für den ESC 2015 ...
Die Wiener Ampelpärchen waren eigentlich nur als kurzfristige Image-Maßnahme für den ESC 2015 gedacht. Das große Echo machte sie zum Dauerzustand.(Bild: EXPA/ Michael Gruber)

Die Welt hat sich seit dem letzten ESC in Wien verändert. Ist der ESC inzwischen, Stichwort Politik und Sicherheit, nicht ein Risiko-Investment in die Marke Wien?
Nein, überhaupt nicht. Was ist die Alternative? Das Licht abzudrehen und den Laden dichtzumachen? Das geht nicht. Die geopolitische Situation ist, wie sie ist. Das sehen gerade wir im Tourismus jeden Tag. Aber Feste wie der ESC oder Sport-Veranstaltungen gehören zu unserer Lebensart dazu, und entsprechend muss man sie begehen. Dass der Sicherheitsaspekt ein komplett anderer als vor zehn Jahren ist, ist klar. Aber das ist inzwischen unser aller täglich Brot im Zusammenleben. Also: kein Risiko-Investment, sondern im Gegenteil eine Notwendigkeit. Gerade weil die Lage ist, wie sie ist, darf man sich manche Dinge nicht nehmen lassen.

Was sollte sich Wien von den letzten ESCs in anderen Städten abschauen?
Ich weiß, was sich seit 2015 alle von uns abgeschaut haben. Wir waren die ersten, die damals ein Kulturprogramm für die Delegationsmitglieder angeboten haben, um die Stadt zu erkunden. Das ist Standard geworden für jeden weiteren Song Contest. Aber ich finde, die Schweiz zum Beispiel hat das alles sehr sympathisch gemacht.

Vom ESC 2015 blieben die Ampelpärchen. Was soll vom ESC 2026 bleiben?
Wir werden uns ab nun die Köpfe zerbrechen, was davon übrigbleiben soll. Unser erster Fokus ist, dass der Event gut über die Bühne geht. Aber ich bin überzeugt, dass uns darüber hinaus auch wieder ein paar Überraschungen einfallen werden.

Wo werden Sie das ESC-Finale am 16. Mai anschauen?
In Wien, davon gehe ich aus. Der 16. Mai ist mein Geburtstag, das hat aber mit der Entscheidung für Wien nichts zu tun gehabt (lacht). Also schauen wir einmal, wo ich nächstes Jahr meinen Geburtstag feiere.

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