Das gute, alte Amtsgeheimnis geht nach 100 Jahren im Verfassungsrang in den Ruhestand. Ab 1. September ist das neue Informationsfreiheitsgesetz in Kraft. Die Behörden müssen künftig allen Bürgern Auskunft gewähren und alle relevanten Informationen proaktiv veröffentlichen. Ausnahmen gibt es für sensible Bereiche wie Sicherheit und Persönlichkeitsrecht sowie für kleine Gemeinden. Die „Krone“ hat mit Bürgermeistern gesprochen.
Betroffen sind alle Verwaltungsorgane von Bund, Ländern und Gemeinden sowie mit der Verwaltung betraute Stellen. Auch nicht hoheitlich tätige Stiftungen, Fonds, Anstalten und Unternehmungen, die der Kontrolle des Rechnungshofes oder eines Landesrechnungshofes unterliegen, fallen darunter. Börsennotierte Gesellschaften sind ausgenommen.
Zukünftig kann jede Person kostenfrei einen Antrag auf Information stellen, es genügt eine formlose Anfrage. Die begehrte Information muss zu dem Zeitpunkt bereits vorhanden sein. Auskunftspflichtige Stellen haben vier Wochen zum Antworten, bei komplizierten Fällen kann die Frist verdoppelt werden. Wird diese Vorgabe nicht eingehalten, sind Beschwerden möglich. Wenn der Antrag „offenbar missbräuchlich erfolgt“ oder die Arbeit der Behörde unverhältnismäßig beeinträchtigt, muss er nicht gewährt werden.
„Proaktive“ Veröffentlichung in Informationsregister
Darüber hinaus müssen Informationen von „allgemeinem Interesse“ durch staatliche Organe auch „proaktiv“ veröffentlicht werden. Gemeint sind Informationen, die für einen allgemeinen Personenkreis relevant sind, beispielsweise Studien, Gutachten, Umfragen und Stellungnahmen. Verträge über einen Wert von 100.000 Euro „sind jedenfalls von allgemeinem Interesse“. Ausgenommen sind Gemeinden bis zu einer Grenze von 5.000 Einwohnern, sie können auf freiwilliger Basis veröffentlichen.
Das Amtsgeheimnis bzw. die Amtsverschwiegenheit stand seit 1925 in der Verfassung. Später kam die Auskunftspflicht für bestimmte Fälle hinzu.
Ausgearbeitet wurden die nun umgesetzten Änderungen ab 2020 von der damaligen schwarz-grünen Bundesregierung. Der Beschluss im Nationalrat folgte Anfang 2024, für die nötige Zweidrittelmehrheit sorgte die SPÖ. Dagegen stimmten FPÖ und Neos, sie stießen sich unter anderem an Ausnahmen für kleine Gemeinden, Landtage und Kammern. Die relativ lange Frist bis zum Inkrafttreten wurde damit begründet, dass es entsprechende Schulungen und Leitfäden brauche.
Im Juli dieses Jahres hat die nunmehrige Koalition aus ÖVP, SPÖ und Neos schließlich die letzten legistischen Vorbereitungen erledigt. Nicht weniger als 140 Materiengesetze mussten dafür angepasst werden.
Die Daten sollen im Informationsregister (www.data.gv.at) öffentlich zugänglich gemacht werden. Parlament, Rechnungshof und Gerichte dürfen ihre eigenen Websites verwenden. Gültig ist die Regel für Informationen, die ab Inkrafttreten des Gesetzes entstehen, bereits vorhandene Daten müssen nicht publiziert werden. Geheimhaltungsgründe, etwa solche der nationalen Sicherheit, sprechen gegen eine Veröffentlichung. Auch die Wettbewerbsfähigkeit kann ein Anlass zur Verschwiegenheit sein.
Der Gemeindebund sieht sich gut gerüstet für die Einführung des Informationsfreiheitsgesetzes. „Generell sind die Vorbereitungen gut gelaufen“, sagte Präsident Johannes Pressl. Neben einer eigenen Homepage und Schulungen gebe es auch rechtliche Unterstützung für Gemeinden. Trotzdem werde es wahrscheinlich auch Fragen geben, „die wir nicht beantworten können“, so Pressl. Grundsätzlich sehe er die Neuerungen positiv.
Es eröffnet auch die Möglichkeit des Vernaderns und der Diffamierung. Es ist eine Gratwanderung.
Andreas Arbesser, ÖVP-Bürgermeister in Langenzersdorf (NÖ)
Die „Krone“ hat mit zwei Ortschefs gesprochen. Andreas Arbesser, ÖVP-Bürgermeister in Langenzersdorf (NÖ), sieht das anstehende Gesetz mit gemischten Gefühlen: „Es gibt Leute, die ein nachvollziehbares Interesse an Information haben. Das ist ja in Ordnung und gut so. Dann gibt es welche, die andere und uns sekkieren wollen, und den Transparenzgedanken nicht sinnvoll verwenden. Für mich ist es ein Graubereich. Es eröffnet auch die Möglichkeit des Vernaderns und der Diffamierung. Es ist eine Gratwanderung.“
Kaufverträge kann man auch im Grundbuch einsehen
„Wenn jemand einen Kaufvertrag einsehen will, der steht eh im Grundbuch. Vieles ist für den einzelnen im Netz ohnehin zugänglich. Da droht ein enormer Mehraufwand“, warnt Arbesser, der auch Rechtsanwalt ist. Spittals Bürgermeister und Team Kärnten-Chef Gerhard Köfer ist zuversichtlicher und sieht seine Gemeinde gut vorbereitet. „Wie groß die Inanspruchnahme sein wird, kann noch nicht abgeschätzt werden. Zur Erfüllung der Veröffentlichungspflicht wird die Stadt Spittal, wie viele andere Kommunen auch, eine externe IT-Plattform in Anspruch nehmen.“
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