Nun ist es fix: Die im Vorfeld vielfach kritisierte Neuausrichtung des Notarzt- und Rettungssystems in Niederösterreich wurde von ÖVP, FPÖ und SPÖ offiziell vorgestellt. Im Mittelpunkt: Die Reduktion der NEF-Stützpunkte von 32 auf 21 und eine 70-Millionen-Euro-Finanzspritze für die Rettungsorganisationen.
Monatelang wurde intensiv verhandelt, nicht weniger vehement gegen die durchgesickerten Pläne protestiert. Nun ist klar: Die Reform des Notarztwesens in NÖ ist auf Kurs und soll bis zum April 2027 umgesetzt werden. Im Mittelpunkt der Präsentation standen vor allem die Stützpunkte der Notarzteinsatzfahrzeuge (NEF).
Für jeden Bezirk
Diese werden, wie bereits berichtet, von 32 auf 21 reduziert – eine Zahl, die in Hinblick auf die durch den Landtag mehrheitlich beschlossene Neugestaltung der niederösterreichischen Rettungs- und Notfallstruktur festgeschrieben worden sei. Wichtig sei bei der Auswahl der Standorte gewesen, dass jeder Bezirk einen NEF-Stützpunkt er- bzw. behält, zusätzlich wird einer in St. Pölten betrieben. Zwölf Standorte sind dabei direkt an ein Krankenhaus angeschlossen, fünf Standorte werden mit freiberuflichen Notärzten besetzt, bei den restlichen vier gibt es eine „Hybridlösung“ aus Notärzten von der Landesgesundheitsagentur und freiberuflichen Medizinern.
Jene Standorte, die ab 2027 wegfallen, werden laut SPÖ-Landesrätin Eva Prischl zu Notfallrettungen umstrukturiert, die mit Notfallsanitätern betrieben werden. „Es bedeutet nicht, dass das Rote Kreuz oder der Samariterbund seine Standorte dort schließen“, versucht man zu beruhigen.
Rettungskette der Zukunft
Sie sollen sich ergänzen mit einem wohnortnahen First-Responder-System für lebensrettende Sofortmaßnahmen in den Gemeinden, der Standorterweiterung der Acute Community Nurses als Schnittstelle zwischen Primärversorgung und Notfallmedizin, dem Ausbau von 67 auf 86 Rettungswagenstützpunkte (RTW-C), der Ausweitung der Flugrettung (Rund-um-die-Uhr-Betrieb, Nacht- und Schlechtwettertauglichkeit, Erweiterung des Intensiv-Transport-Hubschraubers) und der Unterstützung durch Telemedizin.
Viele Herausforderungen
Eine Reihe an Faktoren und Herausforderungen macht die Reform notwendig, etwa den Personalmangel bei Notärzten. So gehen 31 Prozent dieser Mediziner demnächst in Pension, wenige neue Notärzte kommen jedoch nach. Machten früher rund 60 Mediziner pro Jahr die Ausbildung zum Notarzt, so seien es 2024 gar nur mehr neun Kandidaten gewesen. Auch die Ausbildungsrichtlinien haben sich geändert.
Land unterstützt Gemeinden
Nicht nur das Notarztsystem, sondern auch der Rettungsdienst stand im Mittelpunkt der Präsentation. Für die Rettungsorganisationen gibt es für die Jahre 2022 bis 2025 rund 70 Millionen Euro zusätzlich. Davon hätten eigentlich 50 Millionen Euro die für das Rettungswesen zuständigen Gemeinden und Städte beisteuern sollen, das Land übernimmt aber die komplette Summe. „Es ist meine Aufgabe, die finanzielle Absicherung des Rettungs- und Notfallwesens zu garantieren, ohne unsere Gemeinden dabei übermäßig zu belasten“, erklärt Finanzlandesrat Ludwig Schleritzko (ÖVP).
Neuer Finanzierungsschlüssel
Zudem wird ab 2027 auch der Finanzierungsschlüssel zugunsten der Kommunen verändert. Mussten diese bislang 72 Prozent für die rund 900.000 Rettungs- und Krankentransport-Fahrten pro Jahr beisteuern, sind es künftig nur mehr 60 Prozent. Den Rest zahlt das Land. Ein Ende der Reformen ist damit aber freilich noch nicht erreicht, soll der Beitrag der Gemeinden nach oben hin schließlich gedeckelt sein. Es werden daher bereits Gespräche geführt. So könnten etwa Fahrten, die keinen Rettungswagen voraussetzen, auf das Taxi-Gewerbe ausgelagert und dadurch Kosten gespart werden. „Wenn es um Leben und Gesundheit geht, gibt es keine Kompromisse. Darum braucht es jetzt mutige Schritte und Klarheit“, betont etwa Landesrat Martin Antauer (FPÖ).
„Ein richtiger Schritt“
Die beiden Präsidenten der Gemeindevertreterverbände begrüßen die Maßnahmen. „Es ist ein richtiger Schritt. In harten, aber konstruktiven Verhandlungen haben wir die Basis für eine langfristige Absicherung der Finanzierbarkeit durch Land und Gemeinden gelegt“, so Johannes Pressl (NÖ Gemeindebund) und Andreas Kollross (NÖ Gemeindevertreterverband).
Basis für Versorgungsauftrag
Und zu guter Letzt sind auch die Rettungsorganisationen frohen Mutes. „Gemeinsam mit dem Samariterbund Niederösterreich werden wir auch in Zukunft alles daransetzen, die Menschen in Niederösterreich kompetent und zuverlässig zu versorgen und betreuen“, sagte etwa Rotkreuz-Präsident Hans Ebner. Mit der Umstrukturierung der Rettungslandschaft und den 21 Notarzt- und zukünftig 86 RTW-C Stützpunkten in Kombination mit dem Ausbau des Telenotarztes würde man ein engmaschiges Notfallsystem schaffen und den Versorgungsauftrag in Zukunft sicherstellen können.
Erste Stellungnahmen auf die präsentierten Veränderungen ließen nicht lange auf sich warten. So haben beispielsweise die Grünen aus Gablitz im Bezirk St. Pölten bestürzt darauf reagiert. Denn der benachbarte NEF-Standort in Purkersdorf befindet sich auf der Streichliste. „Künftig soll die Versorgung vom rund 25 Minuten entfernten Standort Tulln oder Neulengbach erfolgen. Diese Entscheidung ist nicht nur fahrlässig, sie ist lebensgefährlich“, warnt Klubsprecherin Gina Wörgötter, selbst diplomierte Krankenpflegerin.
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