Nach einem umstrittenen Einsatz von Polizei und Verfassungsschutz am Kärntner Peršmanhof mit etwa 60 Teilnehmern eines Antifa-Camps am Sonntag ist die Kritik auch am Dienstag nicht abgerissen. Grüne sowie Neos fordern eine lückenlose Aufklärung, das Innenministerium kündigt eine „multiprofessionelle Analyse“ an.
Tief betroffen äußerte sich eine Volksgruppensprecherin – selbst Angehörige der Kärntner Slowenen – bei einer Pressekonferenz zu dem umstrittenen Vorfall: „Der Peršmanhof ist ein Ort, der einen tief betroffen macht.“ Denn der kleine Bergbauernhof im Südkärntner Bad Eisenkappel ist ein historisch bedeutsamer Ort.
Peršmanhof als Gedenk- und Erinnerungsstätte
Während der Nazi-Herrschaft war der Peršmanhof ein Partisanenstützpunkt. Sie fanden dort einen Unterschlupf und organisierten ihren Widerstand gegen die NS-Diktatur. Kurz vor Kriegsende verübte die Schutzstaffel (SS) ein Massaker an elf Zivilisten – darunter sieben Kinder – der Familien Sadovnik und Kogoj. Heute gilt der Peršmanhof als Gedenk- und Erinnerungsstätte als Zeichen des Leids und Unterdrückung der Kärntner Slowenen unter der NS-Diktatur. Gerade wegen der symbolträchtigen Geschichte sorgt der stark in Kritik geratene Polizeieinsatz für Entrüstung.
Noch vor wenigen Wochen fand am Peršmanhof eine Kranzniederlegung mit unter anderem Bundespräsident Alexander Van der Bellen statt. Jedes Jahr wird dort ein antifaschistisches Sommer-Camp für Bildung – organisiert von den slowenischen Studierenden in Wien (KSŠŠD) – abgehalten. „Niemals wieder ist nichts anderes als eine antifaschistische Grundhaltung, und eine antifaschistische Grundhaltung ist nichts Extremistisches. Das ist den Jugendlichen auch nicht vorzuwerfen“, so die Grüne Abgeordnete Olga Voglauer.
Es ging nicht um die Kontrolle von Straftaten, sondern um kleinere Verstöße gegen das Naturschutzgesetz. Das ist in etwa vergleichbar mit Falschparken.
Lukas Hammer, Gedenkpolitischer Sprecher
Verdacht auf Wildcampen löst Großeinsatz aus
Am Sonntag rückte dann die Polizei mit einem Großaufgebot an. Besonders die Teilnahme der Beamten vom Fremdenwesen und Asyl am Einsatzort gilt als höchst umstritten. Gegen die jungen Aktivisten wird zuerst der Verdacht auf Wildcampen vorgebracht. Der Einsatz mit Hubschrauber, Polizeihund und schneller Interventionsgruppe sei völlig unverhältnismäßig gewesen, kritisierte auch der gedenkpolitische Sprecher Lukas Hammer. „Es ging nicht um die Kontrolle von Straftaten, sondern um kleinere Verstöße gegen das Naturschutzgesetz. Das ist in etwa vergleichbar mit Falschparken.“
Als die Beteiligten sich weigerten, ihre Identität preiszugeben, wurde weitere Unterstützung angefordert und ein regelrechter Tumult ausgelöst – auch ein Polizeihubschrauber kreiste um das Gelände. Die Polizei brachte letzten Endes 62 Verwaltungsübertretungen und zwei Widerstandshandlungen gegen die Staatsgewalt zur Anzeige. Wer den Einsatz angeordnet hat, ist bislang unklar.
Hammer: „Parlamentarisches Nachspiel“
An Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) richten die Grünen daher eine parlamentarische Anfrage mit 55 Fragen, darunter etwa, wer den Einsatz anordnete, ob das Innenministerium informiert war, welche Rolle der Bezirkshauptmann spielte und weshalb das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anwesend war. Zuletzt seien Anfragen von Karner nur mangelhaft beantwortet worden. Sei das dieses Mal wieder so, „wird das ein parlamentarisches Nachspiel haben, das sich gewaschen hat“, so Hammer.
Aus dem Innenministerium hieß es am späten Dienstagvormittag, die am vergangenen Sonntag gesetzten Maßnahmen am Peršmanhof werden „im Auftrag des Innenministeriums multiprofessionell analysiert“. Die Analyse werde von Vertretern der Polizei und Stabsstellen des Innenministeriums wie auch dem Mauthausen Memorial vorgenommen. Man werde auch die Volksgruppenvertretung der Slowenen in Österreich zur Entsendung eines Vertreters in die Analysegruppe herantreten, wie Karner und Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) vereinbarten.
Von allen Seiten hagelt es Kritik: Auch der SPÖ-Staatssekretär für Staatsschutz Jörg Leichtfried kündigte eine „vollständige und transparente Aufklärung“ in seinem Zuständigkeitsbereich an. Der Ruf nach Aufklärung kam am Dienstag auch vonseiten der NEOS, ÖVP und Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ).
Kein Verständnis bei FPÖ
Einzig bei den Freiheitlichen stößt der Ruf nach Aufklärung nicht auf Verständnis. Vertreter der Antifa hätten in den vergangenen Jahren „eine Spur der Gewalt durch das Land gezogen“, meinte Sicherheitssprecher Gernot Darmann und ortet bei der SPÖ „linksextreme Chaoten“.
Der Polizeieinsatz am Peršmanhof war am Dienstag auch Thema in einer Sitzung der Kärntner Landesregierung. „Ziel muss es sein, die Dialogfähigkeit wiederherzustellen“, sagte Kaiser nach der Sitzung vor Journalisten zu dem für Mittwoch geplanten Gespräch. Das Ereignis selbst sei von den Verantwortungsträgern „lückenlos aufzuklären“. Der Peršmanhof sei eine der bedeutendsten Gedenkstätten, was auch etliche nationale und internationale Politiker mit ihrem Besuch bestätigt hätten.
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