Mit scharfen Worten kritisiert Andreas Kranebitter, der wissenschaftliche Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW), die FPÖ. Hinter den Hunderten parlamentarischen Anfragen, mit denen sie die Ministerien flutete, stecke eine „bewusste Strategie“.
Seit dem Frühjahr hat die FPÖ Hunderte Anfragen an zahlreiche Ministerien gerichtet, um damit die Corona-Pandemie und ihre Folgen „aufzuarbeiten“, davon allein über 200 ans Gesundheitsministerium. DÖW-Leiter Kranebitter beurteilt das im Interview mit der APA als problematisch.
Altbekannte Trickkiste
„Das sind ganz bewusste Strategien, die rechtsextreme Parteien schon sehr lange fahren. ,Flood the zone with shit‘, das ist eine Goebbels-Strategie und keine Trump-Erfindung“, so die harsche Kritik. Die FPÖ könne man nicht mit der NSDAP gleichsetzen, „aber die Trickkiste des Ausnützens von demokratischen Mitteln, um damit die Verwaltung stillzulegen, ist altbekannt“.
Der Rechtsextremismus schreit einem natürlich ins Gesicht, wenn man ihn beobachtet und beschreibt.
Andreas Kranebitter, wissenschaftlicher Leiter des DÖW
Von der Koalition fordert Kranebitter mehr Tempo beim Aktionsplan gegen Rechtsextremismus. Dieser ist im Regierungsprogramm verankert, zuständig ist das Innenministerium. Der Wille zur Umsetzung sei sowohl bei Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) als auch beim Staatssekretär für Staatsschutz Jörg Leichtfried (SPÖ) da, „es ist nur ganz offensichtlich nicht Priorität“, tadelt der DÖW-Leiter die Koalition. Beim Nationalen Aktionsplan gehe es um Dinge wie ein Aussteigerprogramm für Rechtsextreme und mehr Opferschutz. Dafür brauche es auch mehr Geld.
Vier von fünf Parteien haben „offenes Ohr“
Man sei in Kontakt mit den erinnerungspolitischen Sprechern und Sprecherinnen von vier der fünf Parlamentsparteien. „Da gibt es viele Ideen und viele offene Ohren.“ Mit der fünften Partei – der FPÖ – sei man auch in Verbindung, „aber meistens vor Gericht“, so Kranebitter. Erst am Mittwoch hatte das DÖW erstinstanzlich eine Klage gegen den oberösterreichischen FP-Landesparteisekretär Michael Gruber gewonnen, der behauptet hatte, das DÖW habe mit wissenschaftlicher Arbeit nichts zu tun und das nun nicht mehr darf. „Der Rechtsextremismus schreit einem natürlich ins Gesicht, wenn man ihn beobachtet und beschreibt.“
In den allermeisten Fällen lassen den wissenschaftlichen Leiter des DÖW Attacken wie diese kalt, „aber es gibt natürlich klare Grenzen.“ Diese müsse man immer wieder neu ziehen. „Der Vorwurf, das DÖW sei unwissenschaftlich, ist eine reine Diskreditierung“, betont Kranebitter. Angriffe der Freiheitlichen und FPÖ-naher Medien wie AUF1 auf das DÖW, aber auch etwa Klimaforscher oder andere Wissenschaftler seien nichts Neues: „Wissenschaftsfeindlichkeit ist ein Kernmerkmal einer rechtsextremen Ideologie.“
Mit Nationalratspräsident Walter Rosenkranz, dem Tiroler Parteichef Markus Abwerzger oder eben Gruber gebe es zahlreiche hohe Funktionäre der FPÖ, die ihre rechtsextreme Einstellung „stolz vor sich hertragen“ würden, stellt der Politikwissenschaftler fest. Bei Rosenkranz zeige sich das etwa durch eine Liste an Männern, die er als Leistungsträger bezeichnete – „viele davon vehemente Nazis“, so Kranebitter. Rechtsextreme Codes kämen immer wieder vor, und das ganz bewusst, so Kranebitter. „Wenn Kickl dann auf der CPAC-Konferenz in Budapest von ,fight and knock the globalists out‘ redet, ist vollkommen klar, was er meint. Globalisten ist ein Code für Jüdinnen und Juden. Das ist ein antisemitischer Kampfbegriff.“
Enge Verbindung zu den Identitären
Am Samstag ziehen in Wien wieder die rechtsextremen Identitären durch die Innenstadt. Die jährlich stattfindende Demo sei „der Tummelplatz des österreichischen Rechtsextremismus, auch mit Verbindungen ins Ausland“, ist Kranebitter überzeugt. Die Identitären seien ein „Stichwortgeber, Ideengeber und Einflussgeber, genau wie die Burschenschaften, für den parlamentarischen Arm des Rechtsextremismus, die FPÖ.“ Erst unlängst wurde bekannt, dass ein enger Vertrauter von Martin Sellner mittlerweile im blauen Parlamentsklub arbeitet.
Von einer Abgrenzung zu den Identitären, wie es sie unter den FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache und Norbert Hofer gegeben habe, sei mittlerweile nichts mehr zu sehen, betont Kranebitter.
Rechtsextremismusbericht 2024 kommt Ende des Jahres
Das DÖW wurde 2023 vom Innenministerium mit der Erstellung eines Rechtsextremismusberichts betraut. Dieser wurde Anfang des Jahres für 2020-2023 veröffentlicht, noch dieses Jahr soll der Bericht für 2024 folgen. Darüber hinaus soll im Jänner erstmals seit den 1990ern ein Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus herausgegeben werden. „Der Rechtsextremismus ist ganz klar die offensichtlichste und die am weitesten verbreitete Form des Extremismus. Es gibt viel mehr Straftaten als im linksextremistischen oder islamistischen Bereich“, so Kranebitter.
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