Österreichs Song-Contest-Sieger JJ hat mit seiner Kritik an der Teilnahme Israels an dem größten Musikwettbewerb der Welt für enorme Entrüstung gesorgt. Mittlerweile hat Johannes Pietsch zurückgerudert und sich entschuldigt, „falls meine Worte missverstanden wurden“. Dennoch will ihn der israelische Botschafter in Wien nun persönlich treffen. Neben Israel hat Pietsch auch die Ukraine verärgert.
Das Interview mit der spanischen Tageszeitung „El Pais“ hat wie eine Bombe eingeschlagen. Dort wurde Pietsch mit folgenden Worten zitiert: „Es ist sehr enttäuschend, dass Israel noch am Wettbewerb teilnimmt. Ich würde mir wünschen, dass der Eurovision Song Contest nächstes Jahr in Wien stattfindet – ohne Israel.“ In seinem Interview äußerte JJ indirekt auch einen Vergleich zwischen der Teilnahme Israels und dem Ausschluss Russlands vom ESC seit dem Angriff auf die Ukraine. Einen expliziten Vergleich zog er zwar nicht, er stellte sie mit der Aussage, „beide sind Angreifer“ aber auf dieselbe Stufe.
Fassungslosigkeit herrschte nach diesem Vergleich nicht nur in Israel, sondern auch in der österreichischen Innenpolitik. „Die Aussagen unseres Song-Contest-Gewinners JJ sind inakzeptabel. Israel aus dem ESC ausschließen zu wollen und es mit Russland gleichzusetzen, ist völlig verfehlt und geschichtsvergessen“, betonte Alt-Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP). Wer den brutalen Terrorangriff der Hamas ignoriere – bei dem über 1200 Menschen ermordet, Familien zerstört und zahlreiche Geiseln verschleppt wurden, von denen viele bis heute in Gefangenschaft sind – und zugleich Israel dämonisiere, bediene gefährliche antisemitische Muster.
„Terror und Antisemitismus haben in unserer freien, pluralistischen Gesellschaft keinen Platz, genauso wenig wie Sympathien dafür“, reagierte Alexander Pröll (ÖVP), Staatssekretär für Kampf gegen Antisemitismus. Der Versuch einer Gleichsetzung von Russland mit Israel komme einer Geschichtsfälschung gleich. „JJ ist ein großartiger Sänger – aber offenbar politisch gefährlich schlecht beraten“, urteilte Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). In Niederösterreich würde es „jedenfalls keinen ESC ohne Israel geben“.
FPÖ: „Unsere Regierung feiert einen Antisemiten“
Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp nutzte die Gelegenheit, um die Regierung zu kritisieren, indem er ein Foto, das JJ gemeinsam mit der Bundesregierung zeigt, auf X postete und schrieb: „So feiert unsere Bundesregierung einen Antisemiten – und macht ihn damit salonfähig.“ Wer Israels Selbstverteidigung mit Russlands Angriffskrieg gleichsetze und jüdische Terroropfer in Washington „mit einem Like verhöhnt, hat keinen Platz auf dem Parkett der Republik. Wehret den Anfängen!“, so Nepp. Der blaue Politiker spielte damit auf den Umstand an, dass JJ einen Artikel des „Standard“ über das Attentat auf zwei israelische Botschaftsmitarbeiter in Washington D.C. auf Instagram mit einem Like versehen hatte.
Israels Botschafter will JJ persönlich treffen
Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, konstatierte via X: „JJ rief nach dem ESC auf, Liebe zu verbreiten. Jetzt reiht er sich aber in den Chor der Israel-Hasser ein, macht israelische Opfer zu Aggressoren und spaltet. Das ist enttäuschend, aber vor allem gefährlich.“ Israels Botschafter in Österreich will nun JJ persönlich treffen „und mit ihm über all diese Themen sprechen“.
Botschafter David Roet sprach via X eine Einladung aus: „Ich lade ihn herzlich ein, Israel zu besuchen – ich bin sicher, auch Yuval (Anm.: Yuval Raphael, Israels ESC-Teilnehmerin und Überlebende der Hamas-Anschläge vom 7. Oktober 2023) würde sich freuen, ihn zu treffen. Manchmal kann es einen großen Unterschied machen, eine andere Perspektive zu hören.“
Ukrainische Zuseher toben: „Sch*** auf Eurovision!“
Auch in der Ukraine hat sich der 24-jährige Countertenor Ärger eingehandelt. Denn als große Vorbilder für das Siegerlied „Wasted Love“ diente neben Ariana Grande, Mariah Carey und Maria Callas auch Anna Netrebko, die Pietsch auch in einem Interview vor dem Song Contest gewürdigt hatte. In den sozialen Medien und Internetforen wurde JJ nach seinem Sieg von ukrainischen Usern zum Teil derb beschimpft. So kommentierte ein User auf der Website des ukrainischen TV-Senders Kanal 24: „Österreich hat den Eurovision Song Contest 2025 gewonnen. Der Sieger ließ sich von einer russischen Opernsängerin inspirieren, die den Völkermord am ukrainischen Volk unterstützt. Scheiß auf Eurovision! Entschuldigung.“ Ein anderer Kanal-24-Zuseher tobte: „Ein Fan von russischem Scheiß wird Eurovision-Sieger – Österreich.“
Die Sängerin mit russisch-österreichischer Doppelstaatsbürgerschaft war wegen ihrer angeblichen Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin nach Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine in die Kritik geraten. Seitdem sind Proteste die Begleitmusik ihrer Auftritte in zahlreichen Ländern – auch in Österreich. Viele Veranstaltungen wurden auch gecancelt.
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