„Sicherheitsrisiko“

Wirecard-Lobbyist bekam Zugang zu geheimsten Akten

Politik
14.03.2024 18:30

Dokumente aus dem U-Ausschuss zeigen: Ein Lobbyist für den berüchtigten Bezahlanbieter Wirecard erhielt unter Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) Zugang zu allen Akten der Republik – der frühere CSU-Politiker wird jetzt als Auskunftsperson geladen. Durch die jüngsten Enthüllungen rund um den flüchtigen Wirecard-Manager Jan Marsalek, der mutmaßlich für Russland spionierte, bekommt die Causa neue Brisanz.

Anfang 2019: die türkis-blaue Regierung ist noch nicht zerbrochen, Kickl sitzt noch fest im Sattel und die Razzia beim Geheimdienst BVT ist noch kein Jahr her. Der CSU-Politiker Klaus-Dieter Fritsche, von 2014 bis 2018 deutscher Geheimdienstkoordinator und jetzt im Ruhestand, wird vom Innenministerium als Berater angeheuert. Er soll mithelfen, das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) zu reformieren.

„Sicherheitsüberprüfung streng geheim“
Im Rahmen seines Vertrags, der Anfang Februar geschlossen wird, werden für Fritsche regelmäßige Zugfahrten und Hotels organisiert – und er bekommt ein Büro direkt im BVT, wie aus E-Mails, die krone.at vorliegen, hervorgeht. Außerdem soll für Fritsche das „Formular Sicherheitsüberprüfung streng geheim“ übermittelt werden, schreibt der damalige Generalsekretär Peter Goldgruber an einen Beamten. Streng geheim ist die höchste von insgesamt vier Sicherheitsstufen in Österreich. Im U-Ausschuss etwa werden meist Dokumente der Stufen eins und zwei behandelt.

Ab Juni 2019 Lobbyist für Wirecard
Der externe Berater bekam also Zugang zu allen – auch den geheimsten – Akten der Republik Österreich. Zu dem Zeitpunkt war Fritsche aber nicht nur deutscher Ex-Staatssekretär, sondern auch Lobbyist für den berüchtigten Finanzdienstleister Wirecard. Im September 2019, als sein Vertrag mit dem Innenministerium noch lief, fand ein von Fritsche organisiertes Treffen statt, bei dem er und ein Wirecard-Manager Merkels Wirtschaftsberater offiziell über die Geschäfte von Wirecard in Fernost informierten. Beim deutschen Untersuchungsausschuss zum Wirecard-Komplex musste Fritsche dazu Rede und Antwort stehen. Dort gab er an, erst ab Mai 2019 Gespräche mit Wirecard geführt zu haben, die ab Juni „konkretisiert“ wurden – also erst nach der Amtszeit Kickls. FPÖ-Politiker Christian Hafenecker betont zudem gegenüber krone.at, dass „Lobbyismus nicht strafbar“ sei.

„Keine Zweifel an Vertrauenswürdigkeit“
Bereits 2020 stellte der Grün-Politiker David Stögmüller eine Anfrage zu dem Vertrag mit Fritsche. Der wurde im November 2019 aufgelöst, insgesamt erhielt der Ex-Geheimdienstkoordinator ein Honorar von rund 72.000 Euro, wie aus der Beantwortung durch den damaligen Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hervorgeht. Was die Sicherheitsüberprüfung angeht, so „wurden keine Hinweise auf Umstände bekannt, welche die Vertrauenswürdigkeit von Herrn Fritsche in Zweifel gezogen hätten“, hieß es weiter.

Höchst fragwürdig ist der Zugang für den Wirecard-Lobbyisten zu Geheimakten im Lichte der neuesten Enthüllungen zum Wiener Jan Marsalek. Der flüchtige Ex-Bankier lebt jetzt offenbar in Russland mit der Identität eines Priesers – und steht im Verdacht, für den Kreml spioniert zu haben. Laut österreichischen Ermittlern sollen zwei ehemalige BVT-Beamte im Auftrag von Marsalek Geheimnisse nach außen getragen und den Geheimdienst so sabotiert haben. In Deutschland wurde auch eine Verbindung zwischen Wirecard-Akteuren und dem Bundesnachrichtendienst vermutet.

„FPÖ gefährdet Sicherheit Österreichs“
Beim Auftakt des U-Ausschusses zu „Rot-blauem Machtmissbrauch“ sprach NEOS-Fraktionsführer Yannick Shetty die Causa an. Eine derartige Freigabe an einen externen Berater, der nicht einmal österreichischer Staatsbürger sei, sei ein „extrem hohes Sicherheitsrisiko“, erklärte Shetty. „Die FPÖ ist keine Partei der Neutralität, sie gefährdet die Sicherheit Österreichs“, richtete er scharfe Kritik in Richtung der Freiheitlichen.

Die Abgeordneten im U-Ausschuss wollten Kickls Ex-Generalsekretär Goldgruber, am Mittwoch dazu befragen. Der verweigerte bei seiner Befragung aber jede Aussage. Auf Antrag von Shetty wurde nun auch Klaus-Dieter Fritsche selbst als Auskunftsperson in den U-Ausschuss geladen. 

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