Seine Hits bleiben Kult, denn an „Mr. Boombastic“, „It Wasn´t Me“ oder „Hey Sexy Lady“ kann man sich bis heute erinnern und eventuell auch noch ein klein wenig mitsingen. Der jamaikanische Grammy-Gewinner und Reggae-Star Shaggy lieferte gestern in der Arena Wien eine große Party mit Hüftschwung, viel Charme – und der einen oder anderen Geste, bei der man sich kurz fragte: Muss das mit Mitte 50 wirklich noch sein?
Orville Richard Burrell alias Shaggy zählt seit den frühen 2000ern zu den bekanntesten Gesichtern des internationalen Dancehall – Millionen von verkauften Alben, weltweiten Tourneen und noch dazu zwei Grammys. Seine unverwechselbare Stimme und seinen Humor auf der Bühne feiern die Fans bis heute. Bevor er aber mit „Mr. Boombastic“ seinen Durchbruch feierte, diente Shaggy beim US Marine Corps und war während des Golfkriegs im Einsatz. Am Dienstagabend brachte der mittlerweile schon 56-jährige Jamaikaner die Freiluft-Bühne in der Arena Wien zum Beben. Eine ausgelassene Dancehall-Party, die aber auch Momente hatte, in denen Alter und Showroutine unübersehbar wurden.
Schon vor dem offiziellen Konzertbeginn um 20.30 Uhr wurde das Gelände mit Dancehall- und Reggae-Hits beschallt. Ein DJ sorgte mit treibenden Beats für die passende Vorglüh-Stimmung. Das Wetter hielt gut. Es war windig und grau, aber von Regen keine Spur. Die Stimmung war ausgelassen, von jung bis alt war alles dabei und die ersten Booty-Moves von einigen Damen schon beim Eingang machten klar – hier sind echte Dancehall-Fans am Start. Aus den Boxen ertönte Sean Pauls „We Be Burnin‘“ und viele wippten mit. Unglaublich, dass so viele Menschen vor Ort waren, das Konzert war nämlich nicht ausverkauft, aber wirklich gut gefüllt.
Dancehall-Vibes und Cannabis
Der DJ auf der Bühne, der schon vorher für gute Musik sorgte, animierte das Publikum, warf ein Merch-Shirt in die Menge und veranstaltete spontan ein Dance-Battle mit zunächst vier Tänzerinnen. Besonders „Rita“ konnte mit starken Moves überzeugen, doch gegen Dancehall-Profi „Ines“, die überraschend auf die Bühne kam, hatte am Ende wohl niemand eine Chance. Kurz vor Shaggys Auftritt bat der DJ alle, die Handylichter einzuschalten. „One Love“ spielte, alle schwenkten ihre Arme, bevor ein letztes Mal laut „Who‘s ready for Shaggy tonight?“ durchs Mikrofon gerufen wurde. Und dann plötzlich um 20.30 Uhr punktgenau kommen Schlagzeuger der – natürlich oberkörperfrei – war, Gitarrist sowie ein weiterer DJ und nahmen ihre Plätze auf der Bühne ein.
Mit einem kurzen „Boombastic“ Intro, kam dann der 56-Jährige mit Hut, zerrissener Jeans, Sonnenbrille und Hemd und startete gemeinsam mit Reggae-Sänger Kes den ersten Song „Mood“. Ein dynamischer Start, der sofort für Stimmung sorgte. Danach kam, was viele erwartet hatten: ein erneuter Teaser von „Mr. Boombastic“ – inklusive des ikonischen „Mr. Lover Lover“. Schon nach dem zweiten Song wurde klar, dass die Stimme brüchig klang. Mal heiser, dann wieder rau – so, als hätte er drei Nächte durchgefeiert oder ein paar Joints zu viel geraucht. Der Reggae-Vibe passte zwar zur raueren Stimmfarbe, doch gesanglich war das nicht mehr der Shaggy von früher. Auch bei „Summertime“ oder „That Kind Of Girl“ – Kes übernahm dabei häufig die kraftvolleren Passagen und unterstützte stimmlich souverän.
Was wirklich auffällig und manchmal sehr fragwürdig war, waren manche Bühnenposen. Wenn sich der Musiker zum wiederholten Mal in den Schritt fasste oder lasziv mit dem Becken kreiste, konnte man sich schon mal kurz fremdschämen. Sicher: Das Laszive gehört im Dancehall zum Repertoire. Aber mit Mitte 50 wirkt das Ganze eher so in der Art wie „Hey Opi, lass das mal sein, da schauen auch Jüngere zu“. Ein Highlight war definitiv das Publikums-Interaktion-Spiel, bei dem alle in die Hocke gehen sollten, beim Refrain von „Go Down De“. Als sich viele nur mühsam wieder aufrichteten, lachte Shaggy und meinte trocken: „Don’t skip a leg day!“ – ein sympathischer Moment mit Selbstironie.
Die nächsten Hits wie „Angel“, „I Need Your Love“ oder „Hey Sexy Lady“ zündeten, das Publikum war textsicher, die Visuals (inklusive Cannabisblatt natürlich) stimmig zur Atmosphäre. Immer wieder fragte der Grammy-Gewinner, ob alle genug zu essen, zu trinken – und natürlich zum „smoken“ hätten. Das zum „smoken“ stimmte allerdings, denn auch wenn man sich Open Air befand, an diesem Duft kam niemand vorbei. Gegen Ende ließ die Show dann etwas nach. Zwischen skurrilen Pausen, einem etwas holprig angeteaserten Song mit Sting (der zurselben Zeit übrigens auf der Burg Clam konzertierte), kurzen Bühnenabgängen, um Selfies in der ersten Reihe zu machen und Promos für neue Musik verlor das Konzert stellenweise an Drive. Kurz wirkte es sogar, als wäre Shaggy nach einem Geflüster mit Kes plötzlich verschwunden – nur um wenig später wieder zurückzukehren.
Finale mit Scherz und Klassiker
Als dann der lang erwartete Kult-Song „It Wasn’t Me“ plötzlich ohne ihn angespielt wurde, dachten viele: „Die können das doch nicht ohne ihn spielen“. Doch heureka er kam zurück und brachte den Hit mit Pyro, Energie und einem letzten Augenzwinkern und kurzer Pointe, dass Frauen ja immer recht haben, doch noch zu Ende. Nachdem er einen langen Applaus und Jubelrufe bekommen hatte, folgt dann noch zum Abschluss „It’s A Mad Mad World“, eine reduzierte Version mit Schlagzeugbegleitung, inklusive Bandvorstellung und ein sehr oft erwähntes „Thank You Ladys, Thank You Austria“. Sein Co-Act Kes kehrte erneut zurück auf die Bühne, um Selfies mit der Crowd von der Bühne aus zu machen – ein versöhnlicher Ausklang.
Fazit: Shaggy lieferte zwar eineinhalb Stunden lang Reggae, Dancehall, Stimmung und Humor, war aber stimmlich ganz und gar nicht in Höchstform. Sein Co-Act Kes erwies sich hier als starke Ergänzung und das Publikum war dankbar für jeden Hit, aber es gab auch zahlreiche fragwürdige Momente. Shaggy ist älter geworden, nur sollte er sich vielleicht fragen, ob jede Bühnenpose aus früheren Tagen heute noch passt. Die Show war unterhaltsam, ja – aber ein bisschen weniger „in den Schritt greifen und das Becken nach vorne schieben“ wäre in diesem Fall vielleicht mehr gewesen.
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