Widmungsskandale

Wie Wien Investoren beim Abkassieren dienlich ist

Wien
27.10.2023 11:55

Nach der Kleingarten-Causa ist jetzt ein brisanter Rechnungshofbericht erschienen. Die Prüfer kritisieren die enge Zusammenarbeit von Projektbetreibern mit der Stadt Wien, wodurch die privaten Investoren durch Umwidungen richtig abcashen können. Die Rathaus-Opposition schäumt.

Eines vorweg: Bezirks-Chef Ernst Nevirvy und die anderen roten Politiker, die sich in der Kleingartenanlage Breitenlee noch vor der lukrativen Umwidmung rasch Grundstücke zugelegt hatten, waren nicht explizit Gegenstand dieser (!) Prüfung. Das macht der Stadtrechnungshof auf Ansuchen der ÖVP. Dafür hat sich die Bundesbehörde neun andere Verfahren zwischen 2017 und 2019 angesehen, sieben davon vertieft.

Preissteigerung um ein Drittel an einem Tag
Das Ergebnis ist ernüchternd: Die Stadt hat künftige Wertsteigerungen (durch die neue Widmung) vertraglich oft nicht absichern lassen. Ein Beispiel aus dem 22. Bezirk: 2010 verkaufte die Stadt Wien einen ehemaligen Marktplatz um 261.400 Euro an die Wien Holding. Noch am selben Tag verkaufte die Wien Holding das Areal um 350.000 Euro an ein Unternehmen. Preissteigerung innerhalb eines Tages: ein Drittel. 

Dann bewilligte die Stadt in den Folgejahren trotz Bausperre zwei höher geschoßige Gebäude und änderte den Flächenwidmungs- und Bebauungsplan. 2012 wurde die Liegenschaft um 1,4 Millionen Euro und 2018 um 7 Millionen Euro durch private Unternehmen weiterverkauft. 2019 bewilligte die Baupolizei schließlich ein 11-stöckiges Wohn- und Geschäftsgebäude. „Trotz Annahmen zur zünftigen baulichen Ausnutzbarkeit wurde keine Nachzahlungsverpflichtung zum Kaufpreis in den Kaufvertrag aufgenommen“, kritisiert der Rechnungshof.

Ähnliches in der Liesinger Dirmhirngasse. Die Stadt war dort Eigentümer einer Liegenschaft. 2016 suchte eine Unternehmen um Umwidmung von drei benachbarten Liegenschaften an, die in seinem Besitz standen. Es sollte ein Bauprojekt verwirklicht werden, das das Areal der Stadt miteinschließt. Die zuständige Rathausabteilung konnte sich eine „maßvolle Verdichtung“ vorstellen. 2019 wechselten die drei Liegenschaften die Eigentümer. Eine „Unternehmen D“, an dem wiederum ein ehemaliger Stadtrat über zwei Firmen beteiligt war, erwarb die Liegenschaft.

Die neuen Eigentümer suchten um Änderung des Widmungs- und Bebauungsplans an. Für die Fläche der Stadt wurde 2019 ein Bieterverfahren eingeleitet. Mindestwert: 300.000 Euro. Unternehmen D zahlte 910.000 Euro und erhielt den Zuschlag. Der Gemeindrat genehmigte den Verkauf. Und der Magistrat begann mit der Umwidmung. Statt 6,50 Meter durfte dann 16 Meter hoch gebaut werden. 

Das führte in dem Fall zwar zu einer Nachzahlungsverpflichtung für das Unternehmen D an die Stadt in Höhe von 1,06 Millionen Euro. Doch waren im Jänner 2023 noch 465.000 Euro exklusive Verzugszinsen offen, kritisiert der RH.

Und noch eine Kritik haben die Prüfer: Zur neuen Sport & Fun-Halle am Praterstern. Das Gebäude ist auf Dauer angelegt, es wurde jedoch nur eine befristete Bewilligung erteilt. Aber das nur nebenbei. Allgemeine Empfung der Behörde: Die Stadt solle zukünftige Wertsteigerungen, die unter anderem durch Widmungsänderungen entstehen, in Form von Kaufpreisnachzahlungen vertraglich absichern. Immerhin geht es hier um (früher) öffentlichen Grundstücke. Sonst räumen nur die Investoren Millionen ab. Und sonst keiner. 

Rathaus-Opposition schäumt
 „Der nun vorliegene Bericht bestätigt, was wir schon lange kritisieren und sich erst kürzlich vor allem angesichts des massiven SPÖ-Kleingarten-Skandals erneut gezeigt hat. In der Wiener Planungspraxis reagieren Instransparenz, Chaos und Freunderlwirtschaft“, so ÖVP-Planungssprecherin Elisabeth Olischar. Und FPÖ-Obmann Dominik Nepp wettert: „Nun haben wir es amtlich, dass die Flächenwidmungsverfahren unter Federführung von SPÖ-Funktionärennicht sauber waren.“

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