Eingefrorener Konflikt

Transnistrien – Moldaus Pulverfass

Ausland
25.10.2023 14:43

Die kleine Republik im Osten will Teil der EU werden. Doch das Russland nahe Separatistengebiet könnte ein Hindernis dafür sein. Propaganda, ein Munitionslager und Korruption sind weitere Herausforderungen für Moldau und der Schritt Richtung Westen.

Der Mantel weht, dennoch steht Genosse Lenin mit eiserner Kraft vor dem Palast der Republik in Transnistrien. Die Statue des Revolutionsführers ist kein Überbleibsel der Sowjetunion. Hier ist die Zeit stehen geblieben. Doch beginnen wir von Anfang an: Vor 30 Jahren kam es zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den Selbstverteidigungsmilizen Transnistriens und der Nationalgarde Moldaus. Die Kampfhandlungen forderten mehrere Hundert Tote und endeten am 21. Juli 1992. Seither hat Russland in diesem Gebiet 1500 Soldaten als sogenannte Friedenstruppe stationiert. Sie überwachen außerdem ein riesiges Munitionslager in Cobasna.

Schätzungen zufolge sind dort 20.000 Tonnen Munition aus Sowjetzeiten gelagert. Genaue Zahlen gibt es nicht. Und niemand weiß, was Putin mit diesem Pulverfass vorhat. Propaganda aus Russland ist hier omnipräsent. Kein Wunder: Der Kreml liefert Gas zum Nulltarif. Sieben Volksbefragungen sollen außerdem bestätigen, dass die Bevölkerung eine Loslösung von Moldau will. Seit 2005 versucht die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) mittels Verhandlungen eine Lösung für den Konflikt zu finden - vergebens.

Ukraine-Krieg mischte Karten neu
Die Invasion Putins in Moldaus Nachbarland Ukraine hat die Karten neu gemischt. Es herrscht Angst, das nächste Opfer zu sein. Schließlich befinden sich russische Soldaten im weltweit nicht anerkannten Gebiet Transnistrien. Moldaus Heer ist schwach. Eine Modernisierung ist nötig, um für einen Angriff gewappnet zu sein. Deutschland unterstützt mit der Lieferung von 19 Transportfahrzeuge vom Typ PIRANHA-3H. „Chişinău wappnet sich für eine Invasion in Transnistrien. Wir müssen Angst haben“, interpretiert Transnistriens Außenminister Vitaly Ignatyev die Geschenke aus Deutschland während der Global Bridges Konferenz für junge Führungskräfte.

Seit dem Ukraine-Krieg ist der Transnistrien-Konflikt quasi eingefroren. Moldaus Präsidentin Maia Sandu will ihren kleinen Staat auf Vordermann bringen und zielt Richtung EU-Beitritt 2030. Doch dafür müssen zahlreiche Maßnahmen umgesetzt werden. Kampf gegen Korruption sowie eine freie Presse. „Manche TV-Sender haben zu Beginn des Ukraine-Kriegs 20 Tage lang nicht darüber berichtet. Mittlerweile hat die Regierung sechs prorussischen Fernsehsendern die Lizenz entzogen“, berichtet Marian Raţă, Investigativjournalistin bei TV8.

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Die Aufklärung über russische Propaganda fühlt sich wie ein Kampf gegen einen Drachen an.

Marian Raţă, Journalistin bei TV8 (Bild: Katharina Pirker)

Marian Raţă, Journalistin bei TV8

Doch es gelingt Putins Regime immer wieder, Moldaus Bevölkerung mittels falscher Informationen zu verunsichern und zu manipulieren. Maia Sandu will das zweitärmste Land Europas dennoch aus der Krise holen und strebt den Weg Richtung EU an. 

Präsidentin könnte sich EU-Beitritt trotz Konflikt vorstellen
„Wir wollen eine Reintegration des Landes vor einem EU-Betritt erreichen. Und dafür könnte sich in den nächsten Jahren eine geopolitische Möglichkeit ergeben. Das hängt von der Situation in der Ukraine ab. Zugleich diskutieren wir auch das Szenario eines EU-Beitritts, bevor der Transnistrien-Konflikt gelöst ist“, erklärt die Präsidentin. Inzwischen geht mehr als Hälfte der Exporte aus Transnistrien in EU-Staaten. Vor zehn Jahren noch landeten alle Exporte in Russland. „Heute steuert auch die Hälfte der Arbeitsmigranten aus Transnistrien die EU an und nicht mehr ausschließlich Russland. Das ist auf die EU-Nachbarschaftspolitik zurückzuführen“, so Sandu.

Österreich unterstützt bei EU-Annäherung
Die Hände zittern, die Schuhe sind nass, ein Eiszapfen hängt über dem Plumpsklo im Garten. So schaut der winterliche Weg zur Toilette bei zahlreichen Menschen in Moldau aus. „40 Prozent der ländlichen Bevölkerung haben kein Fließwasser. 60 Prozent sind nicht ans Kanalsystem angeschlossen“, erklärt Gunther Zimmer, Leiter des Moldau-Büros der Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (ADA).

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Wir geben Wissen weiter, damit die Landwirtschaft in Moldau ertragreich und nachhaltig wird.

Gunther Zimmer, Leiter ADA-Büro Moldau (Bild: ADA)

Gunther Zimmer, Leiter ADA-Büro Moldau

Österreichisches Wissen und finanzielle Unterstützung (über 6 Millionen Euro im Jahr 2022) sorgen für bessere Lebensbedingungen für die 2,5 Millionen Einwohner sowie für wirtschaftliche Stabilität - ein wichtiger Punkt, um Teil der EU zu werden. „Das Land hat einen starken Landwirtschaftssektor. Aber das Wissen stammt teilweise aus Sowjetzeiten. Gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen konnten wir klimaresistenteres Saatgut etablieren. Auch bei der Düngerwahl sehen wir Fortschritte. Unsere Arbeit trägt dazu bei, dass Flüsse und Grundwasser heute nicht mehr verseucht werden“, so Zimmer.

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