Klein & charakterstark

Jeep Avenger: Das überrascht am Erstlings-Stromer

Motor
26.06.2023 21:51

Es gab schon richtig kleine Jeeps. Der Ur-Jeep, also das „General Purpose Vehicle“ Willys-Jeep, war gerade mal 3,33 Meter lang. Mit dem Raubein von vor 75 Jahren hat der kürzeste Jeep der Neuzeit nicht mehr viel zu tun: Der Jeep Avenger ist ein frontgetriebenes Elektroauto im VW-Polo-Format, das auf einer Stellantis-Plattform aufbaut. Der Urahn findet sich dort aber dennoch. Zumindest Spuren davon.

(Bild: kmm)

Der Avenger ist der Erste, der die sogenannte eCMP2-Plattfom nutzt, mit der bereits der DS3 fährt und die auch Karossen von Opel, Peugeot und Citroen tragen wird. Klar ist: Jeep ist nicht mehr das, was es mal war, der Charakter der Marke ändert sich gerade nachhaltig. Wer Jeep generell nur als Hersteller grober Offroader ernst nehmen kann, wird sich mit der Traditions-Brand schon bald schwertun. Bis 2030 wollen sie in Europa nur noch Batterie-Fahrzeuge anbieten.

„Offroad so gut wie auf Asphalt“
Nach Kräften versuchen sie, im Avenger ihre Tradition hochzuhalten und streichen seine (überschaubaren) Offroad-Fähigkeiten besonders hervor: Immerhin knapp 21 Zentimeter Bodenfreiheit, ein serienmäßiger Bergabfahrassistent und „Selec Terrain“, das auch Fahrmodi für Schnee, Schlamm und Sand beinhaltet. Plastikunterfahrschutz, Plastikplanken rundum, das sind typische Off- bzw. Softroad-Insignien, die den Kontakt mit Felsen oder Einkaufswagen weniger schmerzhaft machen.

Böschungswinkel etc. werden angegeben, sind aber eines Offroaders kaum würdig (20 Grad vorn, 32 Grad hinten, 20 Grad Rampenwinkel, Wattiefe 23 Zentimeter) und Allradantrieb gibt es vorerst auch nicht. Trotzdem sagen sie beim Hersteller, der Avenger sei offroad genauso leistungsfähig wie auf der Straße. Das ist Unsinn, denn dafür fährt er sich auf der Straße viel zu gut.

Damit ist der Avenger zwar kein ernstzunehmender Jeep, aber noch lange kein schlechtes Auto - ganz im Gegenteil. Und ein sympathisches ist er noch dazu. Sogar ein bemerkenswertes. Wer glaubt, nur weil er sich die Plattform mit so vielen Brüdern teilen muss, wirkt er beliebig, wird positiv überrascht sein.

Mächtiger Auftritt
Das fängt schon bei der Optik an. Viele Details sind Jeep-typisch. Die charakteristischen sieben Schlitze im Kühlergrill sind zwar nur angedeutet, aber immerhin vorhanden. Der Original-Kühlergrill ist als Zierteil in die Front integriert. Die auffälligen flachen LED-Tagfahrlichter irritieren längst nicht so, wie es 2013 beim Cherokee der Fall war. Die Hauptscheinwerfer sind ebenso im Schwarz versteckt wie die Griffe der hinteren Türen.

Die Front des Ur-Jeep wurde im Kühlergrill verewigt. (Bild: Stephan Schätzl)
Die Front des Ur-Jeep wurde im Kühlergrill verewigt.

Die X-Grafik in den Heckleuchten soll an die Blech-Benzinkanister erinnern, die man früher ans Heck gehängt hat. Und die eher eckigen Radausschnitte verweisen auch auf die Tradition.

Er steht bullig da und schaut größer aus, als er mit seinen 4,08 Meter Länge ist, wozu auch die abgesetzten, durchaus mächtigen Kotflügel beitragen. Ebenso die ausgeformte Motorhaube, vor allem aus dem Fahrzeuginneren heraus betrachtet.

Praktisch durchdachter Innenraum
Hier drin verfestigt sich der positive Designeindruck, insbesondere mit der richtigen Kombination aus Lackfarbe und Ausstattungsstufe: Denn in der Topausstattung Summit ist ein großer Teil des Armaturenbretts in Knallgelb lackiert. Da empfiehlt es sich, das ganz Auto entsprechend coloriert zu wählen, sonst kommt das etwas deplatziert rüber. Aber das poppige Gelb passt sehr gut zum Charakter des Mini-Jeep (19 Zentimeter kürzer als der Renegade).

(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)

Auf diesem Niveau passen auch die Materialien. Klar, da findet sich viel Hartplastik, aber eben nicht an störenden Stellen. Zudem dürfen (zumindest Mimikri-) Offroader das. Viel mehr ins Gewicht fällt die extrem aufwendig gepolsterte verschiebbare Mittelarmlehne. Auch da, wo der Arm während der Fahrt die Türverkleidung berührt, ist sie weich und gepolstert.

Und dann ist da noch die Reihe aus Tasten für Klimafunktionen. Deren Material fühlt sich hochwertiger an als in manchen Vertretern der Oberklasse. Großes Lob auch für die Sitze (wir waren mit der Summit-Version unterwegs).

Hinter dem sehr griffigen Lenkrad (mit richtigen Tasten!) blickt der Fahrer je nach Ausstattung auf ein sieben oder zehn Zoll großes Display. Der aufgesetzte zentrale Touchscreen misst serienmäßig 10,25 Zoll und ist sehr gut erreich- und ablesbar. Das TomTom-Navi (soll sogar Straßen mit statistischer hoher Wahrscheinlichkeit für freie Parkplätze kennen und wird wöchentlich aktualisiert) kostet grundsätzlich extra. Eine Route mit integrierten Ladestopps kann es nicht legen. Klimaautomatik und Rückfahrkamera sind immer an Bord. Kabelloses Apple CarPlay und AndroidAuto auch.

Viel Stauraum im Interieur
Das Platzangebot geht für so einen Winzling sehr in Ordnung. Groß gewachsene Rückbank-Passagiere müssen sich in Sachen Kniefreiheit allerdings mit ihren Vorderleuten arrangieren. In den Kofferraum passen 355 Liter. Outstanding in der Klasse: Die Heckklappe öffnet sich optional elektrisch und reagiert sogar auf einen Fußkick.

Der Kofferraum hat einen variablen doppelten Boden. (Bild: Stephan Schätzl)
Der Kofferraum hat einen variablen doppelten Boden.

Ebenso großzügig wie praktisch ist das Angebot an Stauraum für diverse Gegenstände im Innenraum. Dazu gehört ein tiefes Fach vorne in der Mittelkonsole, in das man eine 1,5-Liter-PET-Flasche hineinstellen kann. Zur Summit-Ausstattung gehört auch eine Induktivladestation fürs Handy, die man daneben nutzen kann. Und eine sehr stylische faltbare Abdeckung Magnet-Abdeckung, wie man sie von iPad & Co kennt, sowie Gummieinlagen für alle offenen Fächer.

Sehr praktisch ist auch das quer über das ganze Armaturenbrett verlaufende offene Ablagefach.

Der Blinker ist etwas für Musiker
Ein ungewöhnliches Detail am Jeep Avenger ist nicht zu sehen, sondern zu hören: Das Blinkergeräusch ist nicht einfach nur ein Ticken, sondern stellt einen Schlagzeugrhythmus dar. Für Musiker: Bassdrum und Snare:

Stärkere Antriebsversion
Der (vorerst Einheits-)Antrieb ist die jüngst erstarkte Einheit für Stellantis-Stromer. Sie besteht aus einer netto 51 kWh speichernden Batterie (brutto 54 kWh) für bis zu 400 Kilometer WLTP-Reichweite und einem 115 kW/156 PS und 260 Nm starken Elektromotor. Geladen wird mit bis zu 100 kW Gleichstrom oder 11 kWh Wechselstrom. Im besten Fall dauert das Tanken von 20 auf 80 Prozent nur 24 Minuten. Von null weg soll es bis 80 Prozent nur zehn Minuten länger dauern.

Man ist flott und komfortabel unterwegs im Jeep Avenger. Das nach DIN 1536 kg schwere Klein-SUV sprintet in 9,0 Sekunden auf Tempo 100, maximal darf es 150 km/h laufen. Die Lenkung ist leichtgängig und nicht sehr gefühlvoll, aber durchaus präzise, das Fahrwerk komfortabel, aber nicht schwammig; der Avenger liegt satt auf der Straße. 10,5 Meter Wendekreis machen den Kleinen zum City-Lover.

Es lassen sich einige kreative Details finden - wie dieser Plastik-Marienkäfer am Dach. (Bild: Stephan Schätzl)
Es lassen sich einige kreative Details finden - wie dieser Plastik-Marienkäfer am Dach.

Gut ausgestattete Basis
Es gibt vier Ausstattungsstufen für den Jeep Avenger. Die Basisversion um 37.500 Euro kommt u.a. mit Reflektor-LED-Scheinwerfern, Halogen-Rückleuchten, 16-Zoll-Stahlfelgen, 7-Zoll-Tachodisplay, Tempomat, schlüssellosen Zugang/Start, Klimaautomatik, verschiebbarer Mittelarmlehne, Notbremse und Müdigkeitserkennung.

Elektrisch einstell- und beheizbare Außenspiegel kommen erst mit „Longitude“ ab 39.000 Euro, ebenso die hinteren Parksensoren oder Alufelgen. Das Armaturenbrett ist hier silberfarben lackiert. „Altitude“ ab 41.000 Euro bringt dann schon 17-Zöller, hochwertigere Sitze und Lenkrad, den größeren Tacho, den Adaptivtempomaten und sogar eine elektrische, per Fußkick aktivierte Heckklappe.

Die 43.500 Euro teure Topausstattung Summit macht den Avenger zum beinahe opulenten Hightech-Crossover, der nach Level 2 teilautomatisiert fahren kann. 18-Zoll-Alus, LED-Projektionsscheinwerfern, LED-Heckleuchten, Fernlichtautomatik (keine Matrix-LEDs), Parksensoren rundum, 180-Grad-Rückfahrkamera mit Vogelperspektive und Sitzheizung sind dabei. Lediglich Navi und Ledersitze kosten hier noch extra, und natürlich die meisten Lackfarben. Nur Rot ist gratis.

Fahrzit
Der Jeep Avenger ist ein kleiner Crossover mit Charakter, der ein wenig mit der Jeep-Heritage spielt und vor allem in der Topausstattung einen sehr hochwertigen, durchdachten Eindruck hinterlässt. Trotz Vielmarkenkonzern kein Einheitsbrei. Wenn dann auch noch die Allradversion kommt, darf er den Namen Jeep mit noch mehr Stolz tragen.

Warum?
Kraftvoller Auftritt
Feines Fahrverhalten
Cool, poppig, hochwertig und durchdacht im Innenraum

Warum nicht?
Ein Offroader ist er nicht - allerdings mehr als andere Vertreter dieser Klasse

Oder vielleicht ...
... DS E-Tense, Peugeot e-2008, Opel Mokka-e - oder die Verbrenner-Version in Italien kaufen.

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(Bild: kmm)



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