Auch wenn der Wagner-Marsch auf Moskau vorerst abgebrochen wurde - angesichts der dramatischen Ereignisse in Russland hat Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) für Sonntag das Krisenkabinett einberufen, wie ein Sprecher des Regierungschefs Samstagabend berichtete. Bei der Sitzung werden neben Kanzler und Vizekanzler unter anderem Verteidigungsministerin, Außenminister und Innenminister zusammentreffen. Für die kommenden Tage ist eine Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats geplant. Diese hatte davor die SPÖ eingefordert.
Aus dem Nehammer-Büro hieß es zudem, dass der Kanzler stündliche Lage-Updates von allen zur Verfügung stehenden Kanälen erhalte. So mache man sich ein ständig aktualisiertes Lagebild. Wagner-Chef Prigoschin hattte seine Truppen am Samstagabend kurz vor Moskau zurück in ihre Stützpunkte beordert. Damit wolle er Blutvergießen vermeiden, heißt in einer Audio-Botschaft von ihm am Samstag. Das Anrücken seiner Söldner hatte allerdings für heftige Unruhen in Russland gesorgt.
Sorge um Atomwaffen
Schon am Rande des „Europaforums“ in Göttweig hatten sich Nehammer und seine EU-Amtskollegen besorgt gezeigt: „Atomwaffen dürfen nicht in die falschen Hände gelangen“, sagte der Kanzler. Er stehe in Kontakt mit EU-Kollegen, und die westlichen Geheimdienste würden die Lage in Russland laufend analysieren.
Meloni: „Sehr chaotische Situation“
Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni, ebenfalls in Göttweig, erklärte, „dass wir uns jetzt in der EU von der Unterstützung der Ukraine nicht ablenken lassen dürfen.“ Es sei eine „sehr chaotische Situation in Russland“, die zu Instabilität führe und „der Propaganda Moskaus der letzten Monate klar widerspricht.“ Sie könne schon jetzt feststellen, „dass die Propaganda von der Kompaktheit und des Zusammenhalts des russischen Regimes nicht stimmt“, betonte Meloni. Gleich nach der Rückkehr nach Rom später am Samstag habe sie eine Regierungssitzung mit den italienischen Geheimdiensten angesetzt.
Nehammer betonte die gemeinsame Vorgangsweise mit Italien und anderen EU-Partnern. „Die Vorgänge in der Russischen Föderation sind immer von größter strategischer Bedeutung, weil Russland biologische, chemische und nukleare Waffen besitzt.“
„Völkerrecht mit Füßen getreten“
Auch Bulgariens Staatspräsident Rumen Radev wies beim Europaforum in Göttweig auf die Notwendigkeit hin, wegen der Ereignisse in Russland rasch Maßnahmen zum Schutz der EU-Mitgliedsstaaten zu ergreifen. „Wenn sich die Sicherheitssituation in Russland weiter verschlechtert- was passiert mit tausenden nuklearen Sprengköpfen und chemischen Waffen in Russland?“, zeigte sich Radev besorgt.
Nehammer übte in seiner Abschlussrede, die von einer Wortmeldung eines Klimaaktivisten kurz unterbrochen wurde, Kritik am Krieg Russlands gegen die Ukraine. „Eine Supermacht mit Atomwaffen hat das Völkerrecht mit Füssen getreten.“
Die EU-Sanktionen gegen Russland seien notwendig gewesen. „In Österreich hat kein einziges Unternehmen oder Bankinstitut unsere Sanktionen hinterfragt“, so Nehammer. Österreich sei zwar seit 1955 ein neutrales Land, aber „vollsolidarisch mit der Weltgemeinschaft“ und auch solidarisch in der EU. Es sei weiter wichtig „Täter und Opfer zu benennen“. Dazu sei es auch notwendig, „Kriegs-Narrativen Russlands“ entgegenzutreten. „Lügen bleiben Lügen“, so Nehammer.
„Vielleicht die letzten Tage von Putin“
Der Botschafter der Ukraine in Österreich, Wassyl Chymynez, erklärte im Gespräch mit krone.tv, er schließe nicht aus, dass die Welt im Augenblick die „letzten Tage von Putin“ erlebt. Für ihn ist die Situation in Moskau „die logische Konsequenz der langjährigen Führung von Putin“, den er als Kriegsverbrecher bezeichnet, der „ganz weit weg von der Rechtsstaatlichkeit ist.“
EU-Kommissar Johannes Hahn sprach von einer „fragilen, undurchsichtigen Sache“. „Wir müssen jetzt sicherstellen, dass die Ukraine weiter die Unterstützung bekommt, die sie benötigt.“
SPÖ verlangte Einberufung des Sicherheitsrates
SPÖ-Chef Andreas Babler bezeichnete die Situation am Rand des Landesparteitages der niederösterreichischen Sozialdemokraten in St Pölten als „unübersichtlich und brandgefährlich“, die potenziellen Auswirkungen auf die Sicherheit Österreichs und Europas seien unabsehbar. „Deshalb verlangen wir die Einberufung des Nationalen Sicherheitsrat. Die Regierung muss uns eine Einschätzung der Lage geben. Wir müssen gemeinsam besprechen, wie Österreich darauf reagieren soll.“
Außenministerium erließ Reisewarnung
Angesichts der Ereignisse verhängte das österreichische Außenministerium eine partielle Reisewarnung für Russland. Das Außenministerium warnt vor allen Reisen in die an die Ukraine angrenzenden russischen Verwaltungsbezirke Belgorod, Kursk, Brjansk, Woronesch, Rostow und Krasnodar. Insbesondere die Stadt Rostow sowie das Umland sollen gemieden werden. Auch in Moskau und anderen Städten Russlands soll „eine erhöhte Aufmerksamkeit an den Tag gelegt werden“.
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