Bilanz des Lido Sounds

Filip Potocki: „Wir wollen eine Lücke schließen“

Wien
19.06.2023 06:00

Zur Premiere des Lido Sounds in Linz bejubelten rund 66.000 Fans an drei Tagen internationale Top-Acts wie Florence + The Machine, Phoenix, Wanda, Die Toten Hosen oder Peter Fox. Arcadia Live-Geschäftsführer Filip Potocki zeichnet im „Krone“-Interview eine zufrieden Bilanz, nimmt aber auch Kritikpunkte ernst und gibt einen Ausblick auf 2024.

„Krone“: Filip, drei Tage Lido Sounds sind nun Geschichte. Wie bilanzierst du am Ende?
Filip Potocki:
 Ich sehe die Gesichter der Menschen und es scheint so, als ob es sehr vielen gefallen hat. Von den Künstlern haben wir großartiges Feedback bekommen. Viele konnten gar nicht fassen, dass das Lido Sounds das erste Mal stattfand, weil vieles schon so reibungslos funktionierte und durchdacht war. Einiges hat sich währenddessen dynamisch verändert, weil wir uns in einer Stadt befinden und viele Dinge, wie etwa Sicherheitskonzepte, kurzfristig geändert werden mussten. Freitag mussten wir das Konzert wegen Regens zweimal unterbrechen, am Sonntag brannte es so runter, dass es zu wenig Schatten gab. Vielleicht hätten wir die Donau besser einbinden können, aber man kann nicht alles vorhersagen.

Bekrittelt wurde unter anderem, dass es in den Wavebreaker-Bereichen lange dauerte, bis man zu Getränken kam. Vor allem am Samstag soll besonders viel Bier getrunken worden sein.
Das ist lustigerweise gar nicht so. Wir wissen natürlich, dass die Fans von Wanda und den Toten Hosen trinkfest sind, aber so klar kann man das nicht herausfiltern. Es hielt sich mit Freitag ziemlich die Waage.

Gibt es Bereiche, wo man immanent Verbesserungen braucht?
Natürlich, aber jetzt ist es noch zu früh, das festzumachen. Alle Beteiligten werden ihr Feedback geben und dann werden wir evaluieren. Es gab zum Beispiel extrem viel Druck vom Sound bei den Bars, da müssen wir vielleicht Personal umschichten. Aber gut, es war das erste Mal.

(Bild: Horst Einöder)

Am Abend wurde der Aufgang zur Nibelungenbrücke von der Polizei gesperrt, und die Menschen mussten große Umwege Richtung Innenstadt machen.
Das lag an sicherheitstechnischen Maßnahmen, aber auch diesen Punkt kann man diskutieren. Der Austausch mit der Polizei in Linz war großartig. Sie kennen die Stadt besser als wir und wenn sie meinen, sie müssen hier und dort sperren, dann vertrauen wir dieser Expertise. Möglicherweise findet auch die Polizei Verbesserungspotenzial. Auch bei der Anrainersituation.

Die Anrainer gehören sicher zum schwierigsten Thema bei einem urbanen Festival. Ein Großevent um 23 Uhr bzw. sonntags um 22 Uhr beenden zu müssen, gefällt nicht allen.
Beim „Nuke Festival“ 2015 in Graz hatten wir auch kein One-Way-System, aber daneben sind Supermärkte, Tankstellen und Lokale. Da kommt dann das Thema Stadtreinigung zur Sprache und das darf man auch nicht vernachlässigen.

Ihr habt die geplante One-Way-Lösung quasi fünf Minuten vor Zwölf noch gekippt …
Es war sicher keine leichte Entscheidung. Wir haben uns seit letztem Jahr damit beschäftigt und alle Leute und Behörden in diesen Prozess involviert. Bei den Ticketverkäufen hatten wir 82 Prozent Tagestickets, auch das floss in die Entscheidung ein. Bei einer Multiway-Lösung brauchst du mehr Schleusen und mehr Personal, was wiederum die Kosten steigert. Als der Druck größer wurde, haben wir uns das Thema noch einmal genauer angesehen. Wir haben aus dem „Nuke“ 2015 Lehren gezogen und hätten damals nicht noch einmal Multiway gemacht. Grundsätzlich hat die Entscheidung am Ende aber gut funktioniert. Das Gelände hier in Linz ist sehr spannend.

Zur Zeltbühne kam man nur, wenn nicht zu viele Menschen gleichzeitig hinüberwollten. Der Eingang dort wurde vor allem an den ersten beiden Tagen öfter gesperrt.
Wir hatten ein Zählsystem, das mit Kameras funktioniert, die aus der Sicherheitszentrale überwacht und gesteuert werden. Wir haben offen kommuniziert, dass alle vor die Hauptbühne passen, aber nicht alle vor die Zeltbühne. Das Strömungssystem kann man nur lernen, wenn man es einmal sieht. Wir haben auf der Zeltbühne Acts wie Interpol, Juju oder Phoenix gehabt, die in Wien Gasometer-Potenzial haben. Bei uns haben dort ca. 6000 Leute Platz, also doppelt so viele. Andererseits haben sich viele Leute darüber gefreut, dass es endlich mal ein Event gab, wo sich die Acts nicht so extrem überschneiden.

(Bild: Markus Wenzel)

Das Problem mit den Schattenplätzen wird man bei einer Fortsetzung auch nur schwer in den Griff kriegen …
Wir hatten die „Oasis-Zelte“, die auf dem Gelände etwas Schatten boten, aber viel mehr war hier leider nicht möglich. Wenn man mehr aufbaut, hat man Schatten, sieht aber schlechter auf die Bühne. Das ist schwierig zu lösen.

An den ersten beiden Tagen hattet ihr jeweils 25.000 Fans, am Sonntag immer noch 16.000. Hat das deine Erwartungen erfüllt?
Finanziell ist sich der Erfolg nicht ganz ausgegangen, aber das haben wir bei der Premiere auch nicht erwartet. Es ist sehr schwer, mit neuen Festivals ins Rennen zu gehen. Die Kosten gingen in allen Bereichen nach oben und die Gastronomie kann man nicht leicht vorab kalkulieren. Am liebsten wären wir mit täglich 35.000 Menschen vor der Hauptbühne ausverkauft gewesen, aber dann wäre auch das Leitsystem zur Zeltbühne schwieriger geworden. Durch die Regenunterbrechungen haben Bands wie Coach Party im randvollen Zelt das Konzert ihres Lebens gespielt.

Der Frauen- und Österreicher-Anteil auf dem Lido Sounds ist sehr gut. Achtet ihr beim Programmieren bewusst darauf?
Ja. Zudem war uns auch wichtig, Acts zu bringen, die Österreich noch nicht auf ihrer musikalischen Landkarte entdeckt haben. Zum Beispiel Arlo Parks oder Ashnikko. Es ist schwierig, in einem so kleinen Land noch etwas Neues hinzuzufügen. Wir haben gewisse Events, die gut und berechtigt sind und die wollen wir nicht besser machen. Es geht eher darum, eine Lücke zu finden und vielleicht internationales Publikum zu gewinnen. Wir haben noch keine Historie, aber die Verkäufe gingen heuer bis nach Südamerika.

In welche Richtung wollt ihr vom Booking her gehen? Soll die Mischung aus Indie, Rock, Punk und Pop im Großen und Ganzen beibehalten werden?
Wir sollten und dürfen erst dann wieder hinausgehen, wenn wir alle drei Headliner haben. Wir beginnen dann sicher sofort mit dem Tagesticketverkauf und da müssen die Highlights greifbar sein. Von der Ausrichtung soll es durchaus breit sein, aber es kann sich ergeben, dass es zwei Hip-Hop-, oder Rock-Headliner gibt. Es ist die Frage, was möglich und finanzierbar ist. Ich würde auch gerne Oasis herzaubern, aber so einfach ist das nicht.

(Bild: Markus Wenzel)

Das impliziert aber, dass das Lido Sounds 2024 fortgesetzt wird?
Wir würden sehr gerne, aber wir machen es noch nicht spruchreif. Wir evaluieren die Lage und würden gerne etwas fordern. Dass man sonntags um 22 Uhr aufhören muss, ist im Booking hinderlich. Da ist die Sonne gerade erst frisch untergegangen, aber die großen Künstler wollen nicht am Tag spielen. Dadurch ist die Programmierung geschwächt. Mir ist bewusst, dass das für die Anrainer schwierig ist, aber schaffen wir den dritten Tag auch auf 23 Uhr, wären wir schon ganz zufrieden. Wir müssen alle weiter aufeinander zugehen.

Du bist bekanntlich kein Freund davon, das Lido Sounds als Festival zu sehen. Die Besucher sehen das zu einem großen Teil anders.
Was ist ein Festival? Geht es da um das Camping? Darum, dass man mehrere Bühnen bespielt oder mehrere Bühnen an mehreren Tagen hintereinander bespielt? Die Definition ist schwierig. Vielleicht würde ich das Lido Sounds anders definieren, wenn wir mehr Zwei- oder Drei-Tages-Tickets verkauft hätten. Die Ausrichtung war heuer sehr divers. Das Wort Festival ist mittlerweile so ausgelutscht und die Leute verwenden es sowieso, ob wir wollen oder nicht. Das Event kann gerne jeder für sich selbst definieren.

Du kennst als Veranstalter rurale und urbane Festivals. Was sind die Vorteile in der Stadt?
Es gibt extrem viele. Die Infrastruktur, die Kanalisation, die kurzen Wege, der Strom und die öffentliche Anbindung. Die Kooperationen mit den örtlichen Partnern. Man nützt das Know-How und viele gestandene Leute in ihren jeweiligen Bereichen. Auch die wassergespülten Toiletten sind möglich, wenn man eine vernünftige Kanalisation hat. Wir arbeiten fast nur mit Strom aus dem Netz und nicht mit Generationen - nur beim Notfallsystem. In einer Stadt ist so etwas möglich.

Wird es 2024 nun ein Lido Sounds in Linz geben?
Ich würde es gerne machen. Wir werden darüber reden, aber wir müssen an ein paar Schrauben drehen und müssen darauf achten, wie sich die Anrainersituation entwickelt. Will man uns nicht, dann müssen wir das akzeptieren, aber es würde mir das Leben leichter machen, wenn wir Lösungen für Probleme finden und einfach weitermachen können.

Habt ihr sonst Ausweichmöglichkeiten? Gäbe es einen Plan B, würde es mit Linz nicht mehr klappen?
Mit dem Namen Lido wäre es schwierig, denn wir haben viel investiert, um der Marke ein Gesicht zu verleihen. Eine Veränderung wäre sicher kein Wunsch aller Beteiligten.

Wären alle drei Shows ausverkauft gewesen, hättet ihr 105.000 Besucher gehabt. Wo bringt man die unter, nachdem alle Unterkünfte in Linz schon heuer seit Monaten ausgebucht waren?
Ich weiß nicht, ob diese Zuschauerzahl der Idealfall wäre. Es war gut, wie es ist und wir müssen die Dinge nicht überstrapazieren. Ich habe gehört, dass nächstes Jahr das erste 5-Sterne-Hotel in Linz öffnet und es gibt auch noch das Umland. Außerdem kann ich mir gut vorstellen, dass wir auf der Donau Hotelschiffe andenken. Die Frage ist, ob das realisierbar ist. Bei Tagesgästen bleibt es wichtig, dass man Heimfahrangebote hat, damit die Leute nach Salzburg, Wien oder Graz kommen. Eine perfekte Lösung ist dafür schwierig, aber auch hier werden wir uns weiter Dinge überlegen.

Wann ist die Deadline, um ein eventuelles Lido Sounds 2024 anzukündigen?
Mitte Juli wollen wir wissen, was mit dem Lido Sounds und auch was mit der Metastadt in Wien passiert. Wir lassen jetzt einmal alles sacken, verarbeiten alle Erfahrungen und müssen Mitte Juli wissen, was wir tun.

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