Einen schönen Donnerstagabend.
Nun habe auch ich den Brief von Wien Energie bekommen. Es waren zwei, was nur logisch ist, denn die Hose zum Aussackeln hat ja auch zwei Taschen. Ich war jedenfalls ganz entzückt und habe mir die Schreiben mit Magneten auf den Kühlschrank geheftet, eine andere Funktion wird er demnächst sowieso nicht mehr erfüllen. In den Briefen war zu lesen: Für eine gefühlte Verzehnfachung des Preises mit jährlich zweimaliger Anpassung, die Aushändigung des Erstgeborenen und ein Organ meiner Wahl (Niere oder Augenhornhaut, weiß noch nicht) erhalte ich zwei Stunden Gratisstrom und eine halbe Stunde zum halben Preis. Klingt fair. Optima Entspannt heißt der Tarif. Ich war so entspannt, dass ich mich gleich hinsetzen musste. Die bei der Wien Energie werden ordentlich Kohle scheffeln, habe ich mir gedacht, die können schon bald mit den Geldscheinen aus den Übergewinnen die Kraft-Wärme-Koppelungsanlagen der Fernwärme bedienen. Das war vorige Woche. Heute wissen wir: Na ja, stimmt nicht so ganz.
Wir leben in einer Welt der Extreme, das einst Normale zwischen diesen Polen geht immer mehr durch Reibung verlustig. Es ist entweder heiß wie auf der Sonne oder eisig kalt; Menschen sehen aus wie der junge Arnold Schwarzenegger oder wie eine Süßkartoffel; Arme stehen vor Sozialmärkten Schlange, während Reiche im Weltraum urlauben. Natürlich gibt es noch Frühling und Herbst, es gibt durchschnittliche Staturen und den Mittelstand. Aber dass das, was wir Normalität nennen, von exponentiellem Wachstum betroffen wäre, kann ich nicht erkennen. Und auch die Causa Wien Energie ist ein Fallbeispiel für das Extreme. Auf der einen Seite die Pleitegeier, die dem „insolventen“ Unternehmen auf offener Bühne die Eingeweide herausreißen, dort die Beschwichtiger, die Verharmloser. Gehen Sie weiter, rufen sie, es gibt nichts zu sehen. Alles richtig gemacht.
Was ist schon normal? Für mich ist es das nicht: Dass einem Energiekonzern, der zwei Millionen Menschen versorgt, still und heimlich zweimal 700 Millionen Euro zugeschanzt werden, der dann die Frage, ob es irgendwelche Probleme gibt, verneint, nur um übers Wochenende ganz dringend sechs Milliarden Euro zu benötigen. Sechs Milliarden Euro! Wie viele Seilbahnen man dafür bauen könnte. Später brauchte Wien Energie doch nur zwei Milliarden Euro, dann wieder nichts - da gehen ja mehr Nullen verloren als unter Gernot Blümel. Und eines wird immer offensichtlicher: Kaum ist Renate Brauner, Beraterin für Daseinsvorsorge in Pension, geht es mit Wien bergab. Für 700 Millionen Euro Schulden hat Brauner immerhin mindestens ein Jahr benötigt.
Vermutlich wähle ich die Augenhornhaut. Fraglich ist, ob ich auf dem linken oder rechten Auge blind sein möchte - in Österreich kommt man mit beidem gut voran. Übrigens bin ich, zumindest solange ich Strom habe und Sie mögen, wieder regelmäßig auf diesem Kanal für Sie da. Der Sommer ist vorbei. Ich bin Optima Entspannt.
Ich wünsche einen schönen Feierabend, so Sie einen haben.
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