30 Häftlinge in Hotel

„Nur Frage der Zeit, bis eine Straftat geschieht“

Burgenland
02.08.2025 12:01

30 männliche, psychiatrische Vollzugshäftlinge sollen in den burgenländischen Friedrichshof ziehen. Die Sorgen bei den Bewohnern des Hofes über dieses Projekt sind groß. In der „Krone“ äußern sie diese, der Verein Agora und Friedrichshof-Geschäftsführerin Jennifer Griemann zeichnen ein anderes Bild.

Die Bewohner seien fast vor vollendete Tatsachen gestellt worden, erklären Magdalena Picker und Melitta Schütz und erzählen von der Informationsveranstaltung, die sie über die neue Verwendung des Hotels aufgeklärt hat. „In der Einladung zur Infoveranstaltung wurde nichts verraten, nur, dass im Hotel ein neues Kapitel aufgeschlagen würde“, so die beiden.

Betont locker und leicht wurde zur Info-Veranstaltung geladen.
Betont locker und leicht wurde zur Info-Veranstaltung geladen.(Bild: zVg)

Am Friedrichshof wohnen rund 200 Menschen in Hauptwohnsitz. Viele davon sind Familien mit kleinen Kindern, aber auch viele alleinstehende Frauen sind darunter. Weder die einen noch die anderen sind davon begeistert, bald mit psychiatrischen Vollzugshäftlingen Tür an Tür leben zu sollen. „Wir sind eine integrative, offene Wohnsiedlung. Da funktioniert es nicht, dass jemand weggesperrt wird. Das ist lächerlich“, sind sich die Bewohner einig. Sie haben auch schon eine Unterschriftenaktion gestartet und die 127 Namen derer, die gegen dieses Projekt sind, auch schon abgegeben.

Am Friedrichshof ist alles offen. Es gibt kaum Mauern, die Menschen leben in einer großen ...
Am Friedrichshof ist alles offen. Es gibt kaum Mauern, die Menschen leben in einer großen Gemeinschaft.(Bild: Charlotte Titz)
Dunkle Wolken ziehen gerade über den Friedrichshof. Die Bewohner steigen auf die Barrikaden, ...
Dunkle Wolken ziehen gerade über den Friedrichshof. Die Bewohner steigen auf die Barrikaden, wollen das Projekt verhindern.(Bild: Charlotte Titz)

Viele haben bereits angekündigt, wegzuziehen, wenn das Projekt kommt. „Wir haben hier keinen Platz für eine Freiluftpsychiatrie und genau das würde es werden“, ist man sich einig. Der Aussage der Geschäftsführerin, dass man psychisch kranken Menschen eine „zweite Chance“ geben müsse und dass das Projekt vielleicht eine „Versöhnung mit der Geschichte des Ortes sei (der Friedrichshof war „Wirkstätte“ von Otto Mühl, der hier eine Kommune führte – Anm. d. Red.) erteilen sie eine Absage. „Wir haben eine Wohngemeinschaft beeinträchtigter Menschen hier, die von unserer Gemeinschaft getragen wird, auch, wenn es manchmal nicht einfach ist“, so die beiden Frauen. „Aber es muss ein Gleichgewicht geben. Mit diesen psychisch kranken Männern würde dieses Gleichgewicht kippen. Und zwecks der Vergangenheit des Ortes: Wir waren alle zu dieser Zeit nicht hier und haben überhaupt nichts zu versöhnen.“ 

Brandgefährliche Situation
Auch eine Polizistin, der das Projekt und die integrative Wohnsituation am Friedrichshof beschrieben wurde und die diese Klienten kennt, meinte dazu: „Das ist brandgefährlich. Dass es in einem solchen Umfeld zu einer schweren Straftat kommen wird, ist im Vorhinein absehbar. Ein solches Projekt an so einem Ort umzusetzen, ist in höchstem Ausmaß fahrlässig.“

Andreas Schweitzer ist Strafverteidiger und kennt psychiatrische Häftlinge. Er wohnt selbst am ...
Andreas Schweitzer ist Strafverteidiger und kennt psychiatrische Häftlinge. Er wohnt selbst am Friedrichshof und meint: „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis eine Straftat passiert, wenn dieses Projekt umgesetzt wird. Man kann solche Menschen nicht in ein Wohnviertel setzen.“(Bild: zVg)

„Ich nehme die Herrschaften gerne einmal mit“
Einer, der auch weiß, wovon er spricht, wenn es um psychiatrische Vollzugshäftlinge geht, ist Andreas Schweitzer. Er ist Anwalt und hat täglich mit solchen und ähnlichen Straftätern zu tun – außerdem kennt er den Friedrichshof, weil er selbst dort wohnt. Schweitzer nennt das Vorhaben ein „Desaster“.

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Diese Männer sind geistig abnorme Rechtsbrecher. Man kann sie nicht in ein Wohnviertel setzen.

Andreas Schweitzer, Strafverteidiger

 „Wissen die Verantwortlichen, die das Projekt hier zulassen wollen, überhaupt, was der Paragraph 21 bedeutet? Es handelt sich hier um geistig abnorme Rechtsbrecher. Sie haben unter einem psychotischen Schub schwerwiegende Straftaten begangen. Die kann man nicht in ein Wohnviertel mit Familien und Kindern setzen“, ärgert er sich. Und weiter: „Dabei handelt es sich um Sexualstraftäter, Täter unter Drogeneinfluss. Viele bekommen Depot-Spritzen, damit die Schizophrenie nicht ausbricht.“

Außerdem hebt er hervor, dass es erhebliche Unterschiede beim Paragraphen 21 gäbe. Bei 21.1. müssen die Menschen weiter behandelt werden. Schweitzer: „Ich bin strikt gegen diese Unterbringung am Friedrichshof. Aus dem einfachen Grund, weil diese Männer nicht kontrollierbar sind. Das weiß ich aus Erfahrung.“ Auch er stellt fest, dass die Idee hinter dem Projekt eine Gute ist. Allerdings nicht in einem Wohngebiet mit Kindern und innerhalb eines Wohnblockes.  

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Diese Menschen sind nicht kontrollierbar. Sie gehören nicht in ein Wohnviertel. 

Andreas Schweitzer, Strafverteidiger 

„Ich bin seit vielen Jahren Strafverteidiger und kenne diese Leute. Das ist kein Spaß. Wenn das Projekt umgesetzt wird, wird es nicht lange dauern, bis eine Straftat passiert. Deshalb mein Tipp: Vorher überlegen und Spezialisten fragen. Aber ich nehme die Herrschaften der Geschäftsführung gerne einmal mit, wenn ich arbeiten gehe.“

Die Männer sollen im Hotel wohnen und auch dort kochen. „Wir haben die Info, dass wir dann auch für vier oder fünf Euro ein Essen bestellen können“, erzählen die Bewohner des Hofes von den Informationen, die sie bei der Veranstaltung bekommen haben.

Alkohol wird aus dem Automaten genommen
„Natürlich hätten wir gerne wieder eine Gastronomie hier, aber nicht so“, sind sich Magdalena Picker und Melitta Schütz einig. Vor allem, weil auch gleich angekündigt wurde, dass aus dem Getränkeautomaten, der im Durchgang zum Hof steht, der Alkohol entfernt würde. „Weil die Häftlinge keinen Alkohol trinken dürfen. Ich frage nur, was hat das jetzt mit uns zu tun? Wenn diese Leute doch ach so gut unter Beobachtung sind, warum müssen wir dann auf Spritzer und Bier verzichten?“

Ist Geld Anlass für Zustimmung zum Projekt?
Das Hotel ist geschlossen und bringt kein Geld. Klar, dass hier Verluste geschrieben werden. Ein Grund, dass das Projekt seitens der Friedrichshof-Geschäftsführung so forciert wird, könnte also das Geld sein. Das vermuten zumindest die Bewohner des Hofes. Sie haben recherchiert, dass ein Vollzugshäftling zwischen 80 und 100.000 Euro im Jahr bringen soll. „Kein Wunder, dass man seitens der Geschäftsführung das Projekt gutheißt, aber die Herrschaften sollten nicht vergessen, dass sie damit auch sämtliche Häuser wertmindern. Denn wenn das Projekt wirklich umgesetzt wird, ist der Friedrichshof tot. Wer möchte auch neben psychiatrisch schwer kranken Männern leben?“, sind sie verärgert. 

Es ist vielleicht nur eine Kleinigkeit, aber trotzdem eine, die gegen den Strich geht: Der ...
Es ist vielleicht nur eine Kleinigkeit, aber trotzdem eine, die gegen den Strich geht: Der Alkohol wird, wenn das Projekt kommt, aus dem Automaten entfernt. Denn die Häftlinge dürfen keinen Alkohol konsumieren.(Bild: Charlotte Titz)

Verein Agora: Klienten sind medizinisch stabil
Geplant ist, das leerstehende Hotel- und Gastroareal mit Leben zu füllen: Psychisch kranke Menschen, die nach §21 StGB verurteilt wurden – wegen kleiner Delikte wie Diebstahl oder Widerstand – sollen hier wohnen und schrittweise ins Arbeitsleben zurückgeführt werden. „Unsere Klienten sind medizinisch stabil, werden rund um die Uhr betreut und haben mehr Angst vor der Gesellschaft als umgekehrt“, sagt Agora-Geschäftsführer Andreas Lef.

Auch, wenn mündlich alles unter Dach und Fach sein dürfte, mit so viel Widerstand dürfte man seitens der Geschäftsführung dann doch nicht gerechnet haben. Verträge dürften noch keine unterschrieben sein, die Generalversammlung der Genossenschaft müsse dem Projekt noch zustimmen, heißt es. Wenn sie das tun, dann werden ab 1. Oktober bis zu 30 psychiatrische Vollzugshäftlinge am Friedrichshof einziehen – und wohl etliche Familien von dort wegziehen. 

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