BMW wird in letzter Zeit häufig wegen des Designs einiger jüngster Kreationen gescholten. Dementsprechend entspinnt sich immer wieder eine Diskussion, wenn man mit einem Testwagen der Münchner irgendwo aufkreuzt, wo man Menschen mit einer gewissen Liebe oder zumindest Affinität für die Autos mit dem Propeller-Logo trifft. Mit dem M850i Gran Coupé ist mir das nicht passiert. Dafür ist häufig das Wort Traumwagen gefallen.
Dieser BMW ist definitiv einer der schönsten, die sie gerade bauen. Die Form, das Gesicht, die Linien, alles (bis auf eine Kleinigkeit im Innenraum, aber dazu später). Und das Auto als Ganzes! Lange Reisen auf deutschen Autobahnen vergehen wie im Flug. Bei entsprechend geringer Verkehrsdichte gerne auch im Tiefflug, denn es gleitet sich bis zur abgeregelten Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h derartig entspannt dahin, dass man an seinem Fahrtziel frisch wie der junge Frühling aussteigt, selbst wenn bei der Abfahrt die Stimmung vielleicht eher bewölkt war.
Der 4,4-Liter-V8 ist ein Kernstück dieses lust- und genussvollen Erlebnisses. Von der famosen Achtgangautomatik portioniert schüttelt der Motor seine Kraft regelrecht aus dem Ärmel (wobei schütteln angesichts der geschmeidigen Laufruhe eigentlich die falschen Assoziationen weckt). Kein Bollern, wie man das von einem AMG oder Mustang kennt, irritiert das Ohr, stattdessen umschmeichelt Verbrennersound der allerfeinsten Sorte das Nervenkostüm. Wer mehr braucht, bestellt einfach den M Sportauspuff. Oder gleich den M8.
Apropos M8: Der ist der Einzige in der Baureihe, bei dem man das „M Drivers Package“ mitbestellen kann, mit dem sich das Höchsttempo auf 305 km/h erhöht. Beim M850i, also der softeren Sportversion, ist bei 250 km/h Ende der Fahnenstange. Aber aus der Praxis gesprochen: Über diesem Tempo nimmt der Stressfaktor schnell zu und Stress will man hier vermeiden.
Ganz ehrlich: Im Alltag ist der BMW M850i xDrive Gran Coupé wahrscheinlich der angenehmere Gefährte. Tempo und Fahrdynamik sind in meinem Testwagen so perfekt portioniert, dass ich mir nichts anderes wünsche, schon gar keinen M8. Zumal ich Extras im Wert von 35.000 Euro an Bord habe, darunter das spezielle Adaptivfahrwerk mit aktiver Wankstabilisierung. Das zieht so herrlich ums Eck, dass es ein Traum ist. Gemeinsam mit der serienmäßigen Allradlenkung lässt es das Gran Coupé kleiner wirken, als es ist.
Vermutlich findet man fahrdynamisch gesehen schon mit der Serienausstattung wunderbar das Auslangen, denn die umfasst auch schon das adaptive M Fahrwerk (nur eben ohne Wankausgleich), die M Sportbremsen, die geregelte Hinterachssperre und eben auch die Hinterradlenkung, die einerseits den Wendekreis des mit 5,08 Meter doch recht langen Autos reduziert, andererseits die Stabilität erhöht.
Auslauf für den V8
Noch ist der V8-Motor kein Auslaufmodell, auch wenn seine Tage wohl gezählt sind. Weiterhin darf er aber brillieren, und zwar nicht nur hier, sondern z.B. auch im aktuellen Range Rover. Aber das nur am Rande.
Er leistet 530 PS und schiebt mit 750 Nm ab 1800/min. wunderbar kraftvoll an. Man will ihm Auslauf geben, sobald es der Terminkalender zulässt. Dank dieses Kraftpakets bleibt auf der deutschen Autobahn auch dann der Ruhepuls erhalten, wenn man immer wieder runterbremsen muss, weil langsamere Verkehrsteilnehmer ihr Recht auf das Befahren der Überholspur wahrnehmen - man ist ja sofort wieder auf Reisegeschwindigkeit. Aus dem Stand sprintet der nach DIN 2010 kg schwere Wagen in 3,9 Sekunden von Null auf 100, aber wer hier Platz nimmt, ist aus dem Alter raus, wo er das ausprobieren muss.
An die 12 Liter auf 100 Kilometer sind der Preis, den man für die Freude bezahlen muss. Wer es drauf anlegt, kommt mit weniger aus.
Fackel im Sturm
Mit dem Facelift hat der 8er leuchtende Nieren bekommen, Iconic Glow heißt das. Ob man das haben muss, sei dahingestellt, aber man kann das Licht ja abschalten. Andererseits ist es auch ein schöner Gedanke, eine Art Fackel durch den Sturm zu tragen.
Ansonsten haben sie das Design außen wie innen leicht nachgeschärft. Im Innenraum freue ich mich vor allem, dass der Mitarbeiter, der den Testwagen konfiguriert hat, nicht die Kristallglas-Elemente bestellt hat. Ohne das Bling-Bling kommt die elegante Erscheinung viel besser zur Geltung. Wie das alles zueinander passt, wie das Armaturenbrett in die Türverkleidungen übergeht, herrlich.
Angesichts der in neuen BMW-Modellen aufgesetzten Displays genieße ich auch den Anblick auf die Displaylandschaft, obwohl der jetzt 12,3 statt 10,25 Zoll große Digitaltacho nach wie vor nicht zum Auto passt. Liebe Freunde in München: Warum bietet ihr denn nicht endlich eine Alternative zu diesem gegenläufigen Schmarrn an? Ihr wart mal für klar ablesbare Instrumente bekannt. Ist ja okay, wenn ihr jetzt was anderes hip findet, aber lasst euren Kunden doch wenigstens die Wahl! Schaut mal in den Alfa Romeo Tonale rein, dann seht ihr, wie man einen Digitaltacho gestalten kann, ohne die Fans vor den Kopf zu stoßen.
Sonst gibt es nicht viel zu raunzen. Selbst die Assistenzsysteme machen einen guten Job (im Gegensatz zum 2er Active Tourer, der uns kürzlich ein ziemliches Ei gelegt hat), abgesehen vom chronisch unzuverlässigen Tempolimitassistenten (aber das Thema hat jeder Hersteller). Ein besonderes Highlight in Sachen Elektronik ist der Rückfahrassistent, der sich die letzten 50 gefahrenen Meter merkt und selbsttätig zurückfahren kann.
190.000 Euro steht auf dem Preisschild des Testwagens. Wer bis hierher aufmerksam gelesen hat, kann sich bereits ausrechnen, dass der Basispreis für den BMW M850i xDrive Gran Coupé bei 155.000 liegt.
Unterm Strich
Mag sein, dass dieses 8er Gran Coupé mit seinem großartigen V8 ein Relikt aus irgendwie dann doch guten alten Zeiten ist, deren leuchtende Fackel er hochhält, aber er berührt das Autofahrerherz. Ja, man kann Gefallen an dem Traumwagen finden. Man muss. Man kann nicht anders.
Warum?
Weil er schön ist
Weil er ein Genuss ist
Warum nicht?
Argumente gegen einen V8-Benziner gibt es genug
Oder vielleicht …
… BMW Alpina B8 Gran Coupé, Audi RS7, Mercedes-AMG GT 63 S Viertürer, Porsche Panamera
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