Der Verfassungsgerichtshof und das Bundesverwaltungsgericht sehen die Causa rund um den afghanischen Asylwerber unterschiedlich. Es zieht sich bereits seit sechs Jahren hin. Anwalt des Vergewaltigungsopfers ist schockiert.
Nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet stellte der Afghane am 8. Jänner 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Februar desselben Jahres vergewaltigte er die Tirolerin, wurde verurteilt und kam hinter Gitter. Im Mai 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte sogar fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei.
Von der Haft aus stellte er im Juli 2020 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, der wiederum vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückgewiesen wurde. Ein Jahr später folgte eine Beschwerde, die vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) als unbegründet abgewiesen wurde – „weil sich der Mann ausschließlich auf Umstände, die keinen glaubhaften Kern aufweisen würden (behauptete Konversion zum Christentum), bezogen habe“.
Verfassungsgerichtshof stieg auf die Bremse
Auch eine Gefährdung des Afghanen bei einer Abschiebung nach Afghanistan sei nicht gegeben gewesen. „Da sich der Sachverhalt auf den Entscheidungszeitpunkt zu beziehen hat, bleiben jene seither zwischenzeitlich eingetretenen Lageänderungen im Herkunftsland, vor allem die unlängst erfolgte Machtübernahme durch die Taliban, ohne Belang und sind selbige nicht Gegenstand der Überprüfung“, heißt es.
Der afghanische Asylwerber legte folglich erneut Beschwerde ein und brachte mitunter vor, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan sehr verschlechtert habe.
Und dann kam der Verfassungsgerichtshof (VfGH) zum Zug, der die Beschwerde als begründet einstufte. „Der VfGH hat – genauso wie schon zuvor in anderen rechtlich gleich gelagerten Fällen – am 15. Dezember 2021 entschieden, dass eine Entscheidung des BVwG über einen Antrag des Mannes willkürlich war. Der VfGH hatte diese Entscheidung losgelöst von der Person zu treffen, also unabhängig davon, ob die Person etwa straffällig war“, erklärt Cornelia Mayrbäurl, Sprecherin des VfGH, und ergänzt: „Das BVwG setzte sich nämlich bei seiner Entscheidung vom 23. August 2021 über einen Asylantrag des Mannes nicht mit der geänderten Sicherheitslage in Afghanistan auseinander, obwohl das Länderinformationsblatt, das dafür herangezogen wird, bereits im Juni darauf einging.“
Derzeit ist – durch die Aufhebung der letzten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes durch den Verfassungsgerichtshof – ein Beschwerdeverfahren betreffend eines Asyl-Folgeantrages wieder anhängig.
Dietmar Rust, Sprecher des BVwG
Generell gelte: Aufgrund der Machtübernahme der Taliban im August 2021 nehme Österreich seit dem Sommer 2021 keine Afghanen mehr in Schubhaft und Abschiebungen nach Afghanistan seien ausgesetzt. „Der VfGH hat im Dezember 2021 auch über den Asylstatus entschieden. In diesem Punkt wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt“, sagt Mayrbäurl. Heißt: Diesen Status hat der Afghane nicht bekommen.
„Beschwerdeverfahren ist aktuell wieder anhängig“
Dietmar Rust, Sprecher des BVwG, erklärt auf „Tiroler Krone“-Anfrage: „Derzeit ist – durch die Aufhebung der letzten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes durch den Verfassungsgerichtshof – ein Beschwerdeverfahren betreffend eines Asyl-Folgeantrages wieder anhängig. Die neuerliche Entscheidung wird die Ausführungen der Beschwerdeerledigung des Verfassungsgerichtshofes berücksichtigen.“ Das bedeutet, dass das BVwG nochmals über den Antrag des Afghanen auf subsidiären Schutz zu entscheiden hat. Damit einher geht ein Einreise- und Aufenthaltsrecht in Österreich, der volle Zugang zum Arbeitsmarkt und die Möglichkeit, einen Fremdenpass zu beantragen, wenn kein Reisepass des eigenen Herkunftsstaates erlangt werden kann. Dieser Schutz ist vorerst für ein Jahr gültig.
„Ist ein Freifahrtschein für kriminelle Afghanen“
Schockiert ist Markus Abwerzger, Anwalt des Vergewaltigungsopfers: „Die Entscheidung zeigt auf drastische Weise, dass offenbar die Rechte von afghanischen Vergewaltigern höher einzuschätzen sind als der Schutz der eigenen Bevölkerung. Das ist ein Freifahrtschein für kriminelle Afghanen und ein Schlag ins Gesicht für jedes Opfer. Auch wenn der Peiniger mehrere Frauen vergewaltigt oder sogar einen Mord begangen hätte, würde sich rein gar nichts an der Entscheidung ändern. Das ist ein Skandal und absolut zu kritisieren.“
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