Lage in Nordmazedonien

Mehr Peitsche als Zuckerbrot – das sorgt für Frust

Politik
31.03.2022 06:14

Nach 17 Jahren als EU-Beitrittskandidat ist der Frust in Nordmazedonien, dem Musterschüler am Westbalkan, groß. Gleichzeitig verfolgt Russlands Präsident Putin eine klare Agenda in der Region. Das ist eine brandgefährliche Mischung.

Kommunistische Bauten reihen sich an moderne Häuser – das Stadtbild von Skopje ist alles andere als einheitlich. So verwundert es auch nicht, dass die Menschen in ihren Haltungen gespalten sind. Viele haben sich prowestlich und proeuropäisch ausgerichtet. Gleichzeitig haben sie es satt, in der Warteschleife der EU zu hängen, und sie haben die ständig neu gestellten Bedingungen satt, die es zu erfüllen gilt, um weiterzukommen. Der Frust ist groß, jüngste Umfragen zeigen, dass das Vertrauen in die EU schwindet.

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Sonntagsreden helfen nicht. Es braucht jetzt den nächsten Schritt. Europa muss Nordmazedonien eine glaubwürdige Perspektive bieten.

Europaministerin Karoline Edtstadler

Trollfabriken verbreiten gezielt Desinformation
Russland hingegen wird als das Land gesehen, das keine Bedingungen stellt. Doch Wladimir Putin, der Despot im Kreml, verfolgt auf dem Westbalkan eine klare Agenda. Es gibt eigene Trollfabriken, die gezielt Desinformation verbreiten, Putin zielt darauf ab, die Region zu destabilisieren, so soll der russische Geheimdienst auch bei der Stürmung des nordmazedonischen Parlaments im April 2017 die Fäden gezogen haben. Damals waren nationalistische Demonstranten in das Gebäude eingedrungen und hatten mehrere Politiker verprügelt – mehr als hundert Personen wurden verletzt.

Den spürbaren russischen Einfluss bestätigt Nordmazedoniens Vizepremier Bojan Marichikj, der aber auch betont, dass der Staat alle Sanktionen der EU gegen Russland mittrage und es keinen Zweifel gebe, auf welcher Seite Nordmazedonien stehe. Erst vor wenigen Tagen habe man fünf russische Diplomaten ausgewiesen.

Bevölkerung hat sich an Namensänderung noch nicht gewohnt
Nordmazedonien gilt als absoluter Musterschüler unter den EU-Beitrittskandidaten. Bereits seit 17 Jahren hängt das Land in der Warteschleife, macht sich immer wieder große Hoffnungen, dass die Verhandlungen endlich beginnen – und wird schließlich doch immer wieder ausgebremst.

Um einen lange dauernden Streit mit Griechenland zu beenden, wurde der Staatsname von Mazedonien in Nordmazedonien geändert. (Daran hat sich die Bevölkerung längst nicht gewöhnt, beim vergangenen Fußball-Länderspiel gegen Italien wurde in der TV-Übertragung nur dreimal Nordmazedonien gesagt, die restlichen Male, als das Land erwähnt wurde, hieß es Mazedonien.) Es gab eine Justizreform, eine Reform der Nachrichten- und Sicherheitsdienste sowie eine Reform der öffentlichen Verwaltung. Zuletzt blockierte Bulgarien mit einem Veto den Beginn der Beitrittsgespräche. Mit dem Regierungswechsel in Sofia stehen die Zeichen nun erstmals auf Entspannung.

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Russland versucht, bei uns Einfluss zu nehmen, und das nicht einmal versteckt. Aber die Zukunft unseres Landes ist europäisch.

Bojan Marichikj, Vizepremier Nordmazedoniens

Auch Europaministerin Karoline Edtstadler gab sich bei ihrem Besuch in Nordmazedonien optimistisch, dass nun endlich etwas weitergehe. „Jetzt ist die richtige Zeit dafür, Europa darf nicht nur reden.“ Das sei auch im Sinne der Sicherheit, so Edtstadler, die betont: „Die EU ist ohne die Länder des Westbalkans nicht komplett.“ Der EU scheint nun zu dämmern, wie gefährlich es ist, den Westbalkan so lange hinzuhalten und zu vertrösten. Politische Beobachter sind sich einig: Eine ernst zu nehmende EU-Perspektive ist ein wirksames Mittel, um Nationalismen und dem Einfluss Russlands entgegenzuwirken. Dafür ist man gewillt, in Kauf zu nehmen, dass die EU nach der Osterweiterung aus noch mehr Nettoempfängern bestehen wird.

Geht es nach Österreich, soll der Musterschüler Nordmazedonien endlich belohnt werden, sonst spiele man nur China und Russland in die Karten und vermittle der Region, dass sie nie gut genug sei für Europa. Auf die Peitsche müsse nun auch das Zuckerbrot folgen.

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