„Türkises Murmeltier“

Rote Länder verärgert über Corona-Vorstoß von Kurz

Politik
07.09.2021 16:04

Die SPÖ-Landeshauptmänner fühlen sich von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) übergangen. Dieser hatte bereits am Montag angekündigt, wie die Corona-Maßnahmen im Herbst aussehen sollen - obwohl es am Mittwoch Verhandlungen mit allen Landeschefs dazu geben soll. „Und täglich grüßt das türkise Murmeltier“, kritisiert Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser das Vorpreschen des Kanzlers. Denn dass dieser Maßnahmen im Alleingang ankündige, sei nicht das erste Mal. Auch in Wien ist man irritiert: Landeshauptmann Michael Ludwig will „Gespräche auf Augenhöhe“. Für Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) gibt es dagegen „keinen Grund für Streit“,

Dem Bundeskanzler gehe es mehr um die eigene mediale Inszenierung als um das Gesamtwohl der Bevölkerung, die Ansichten der Landeshauptleute und der Experten würden entwertet, hieß es aus Kaisers Büro gegenüber dem Ö1-„Mittagsjournal“. Der rote Wiener Bürgermeister Michael Ludwig schließt sich der Kritik aus Kärnten an. Er äußerte am Dienstag vor Journalisten Unverständnis über die Ankündigungen des Kanzlers. Ludwig erwartet sich für Mittwoch „Gespräche auf Augenhöhe“ und österreichweit strengere Corona-Maßnahmen (siehe auch Video oben).

„Bin kein Abteilungsleiter der Bundesregierung“
„Wir sind in Wien keine nachgeordnete Dienststelle des Bundes. Ich bin kein Abteilungsleiter der Bundesregierung, sondern im Zuge des Föderalismus ein wichtiger Bestandteil dieser Republik“, zeigte sich Ludwig über die mediale Verkündung des Kanzlers irritiert. „Es würde Sinn ergeben, auf Augenhöhe zu beraten, bevor man an die Öffentlichkeit geht“, sagte er. Dass die Bundesregierung erst jetzt nach dem Schulstart Maßnahmen verschärfen will, kommt für den Wiener Bürgermeister ohnedies erst „sehr spät“. Denn „entgegen anderslautender Gerüchte ist die Pandemie nicht vorbei“ und „war es auch im Sommer nicht“, konstatierte Ludwig.

Der Wiener Bürgermeister widersprach auch Kurz, der die Pandemie für Geimpfte praktisch für beendet erklärt hatte. „Wenn es stärkere Belagszahlen in den Spitälern gibt, ist es für Menschen, die einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder Unfall haben, schwer möglich, zeitgerecht entsprechend auf Intensivstationen behandelt zu werden, wenn dort Corona-Patienten in größerem Ausmaß gepflegt werden müssen“, sagte der Wiener Bürgermeister.

Ludwig: Maßnahmen nur noch für Ungeimpfte „nicht ausreichend“
Der von Kurz angekündigte Fünf-Punkte-Plan, der unter anderem die Bettenbelegung an den Intensivstationen statt der Sieben-Tage-Inzidenz als neuen Leitindikator sieht und einen generellen Lockdown ausschließt, sondern auf „Schutzmaßnahmen“ wenn nötig nur noch für Ungeimpfte setzt, ist für Ludwig „nicht ausreichend, um mit der Situation umzugehen“. „Von daher werde ich morgen ein umfassendes Paket einfordern“, sagte Ludwig und verwies darauf, dass Wien schon in den vergangenen Monaten „konsequenter unterwegs war“ und er sich dafür „viel Kritik anhören musste seitens der Bundesregierung“. Nun habe sich aber gezeigt, dass diese „sichere Linie notwendig war“. Bereits vor dem Sommer wäre es „vernünftig gewesen“, das „Wiener Modell österreichweit auszurollen“, sagte Ludwig.

Edtstadler: Wien kann strengere Maßnahmen setzen
Kritik an den Äußerungen von Bürgermeister Ludwig kommt von der türkisen Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler. „Die Pandemiebekämpfung ist nicht der richtige Ort für Eitelkeiten und es besteht auch kein Grund für Streit“, richtete sie dem roten Landeshauptmann aus. Die Bundesregierung werde Rahmenbedingungen für ganz Österreich festlegen. Gerade Wien stehe dabei vor großen Herausforderungen, denn dort gebe es etwa die meisten belegten Intensivbetten Österreichs. „Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind eindeutig, der Bürgermeister von Wien kann aufgrund dieser Situation sofort strengere Maßnahmen setzen. Wichtig ist, Geimpfte dürfen nicht die Zeche zahlen“, so Edtstadler in einer Aussendung.

Im Burgenland hieß es am Dienstag aus dem Büro von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) gegenüber Ö1 nur, dass man am Mittwoch die Meinung der Experten abwarten wolle. Vorrangig sei es, den „bislang erfolgreichen Kurs im Burgenland“ fortzusetzen. Das sei der wichtigste Beitrag für einen sicheren Herbst.

Vorarlberg will keine Einschränkungen für Ungeimpfte
Auch in den ÖVP-geführten Bundesländern zeigte man sich nach den Ansagen des Bundeskanzlers zurückhaltend. In Niederösterreich und Salzburg will man die Gespräche am Mittwoch abwarten. Vorarlberg signalisiert bereits teilweise Zustimmung für die Pläne des Bundeskanzlers: Aus dem Büro von Landeshauptmann Markus Wallner hieß es gegenüber dem ORF-Radio: „Ganz entscheidend ist es in dieser Phase der Pandemie, weg von der Sieben-Tage-Inzidenz zu kommen und den Blick auf die Belegung der Intensivstationen zu richten. Vorarlberg geht diesen Weg bereits seit Beginn der Modellregion im März.“ Aktuell steuere man auf eine „Pandemie der Ungeimpften“ zu. Ziel müsse eine höhere Impfquote sein.

Aus den ebenfalls von ÖVP-Landeshauptmännern geführten Bundesländern Oberösterreich, Tirol und Steiermark gab es bisher keine Stellungnahmen.

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