Ibiza-U-Ausschuss

Wegen Anzeige: Kurz schwieg zu Kirchen-Chat-Fragen

Politik
01.07.2021 19:04

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat am Donnerstag seinen zweiten Auftritt im Ibiza-U-Ausschuss zunächst dazu genutzt, den Umgang mit Auskunftspersonen zu kritisieren und eine Reform der Geschäftsordnung zu fordern. Als erste Fraktion war die ÖVP an der Reihe, die Kurz mit teils allgemein gehaltenen Fragen die Möglichkeit gab, über zwei Stunden lang breit und teils ausufernd zu antworten. Für Aufregung sorgte vor der Befragung eine anonyme Anzeige gegen den Kanzler wegen versuchter Erpressung bzw. Nötigung.

Dabei geht es um jene Chats aus dem Jahr 2018, in dem sich die Auskunftsperson Kurz und der ehemalige Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, darüber unterhalten, der Kirche wegen angeblicher Steuerprivilegien „Vollgas“ zu geben. Das Justizministerium prüft, ob durch Drohung mit der Streichung von Steuerprivilegien Vertreter der katholischen Kirche genötigt wurden. 

Laut Verfahrensrichter konnte Kurz die Aussage wegen dieser Anzeige verweigern. Wegen dieses Umstands vermutete Jan Krainer, Fraktionsführer der SPÖ, die Volkspartei hinter der anonymen Anzeige. Der Bundeskanzler machte jedenfalls ausgiebig von seinem Recht Gebrauch, als ihm von Krainer Fragen zu den brisanten Kirchen-Chats gestellt wurden. Auch bei anderen Fragen des SPÖ-Abgeordneten zeigte sich Kurz zurückhaltend und besprach sich wiederholt mit seiner Vertrauensperson, dem ÖVP-nahen Anwalt Werner Suppan.

Kurz hielt Schmid „immer für qualifiziert“
„Nicht dass Sie mich wieder wegen Falschaussage anzeigen“, sagte er einmal in Richtung Krainer beim Thema Staatsholding ÖBAG. Auf die Frage von Krainer, wer entschieden habe, dass die ÖBAG einen Alleinvorstand bekommt, sagte Kurz: „Ich würd‘ sagen der Gesetzgeber.“ Dass er den Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid unterstützt habe, bestätigte er nicht. „Ich hab ihn (Schmid, Anm.) immer für qualifiziert gehalten." Und: „Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mich für ihn eingesetzt habe“, so Kurz auf Nachfragen.

Schmid trat zurück, nachdem der Druck nach öffentlich gewordenen, kompromittierenden Chats auch mit der ÖVP-Spitze offenbar zu groß geworden war. Derzeit sucht die ÖBAG einen neuen Chef.

Treffen mit Casinos-Chef: Ging „eher nicht“ um Glücksspiel
„Normalerweise haben wir uns immer in einer Pizzeria getroffen“, sagte Kurz zu einem Termin mit dem damaligen Casinos-Aufsichtsratschef Walter Rothensteiner am 6. März 2018. Ob es dabei mit um Glücksspielbesteuerung ging, daran konnte sich der Kanzler nicht mehr erinnern. Er wunderte sich, dass der Termin womöglich bei ihm im Büro stattfand. Das versuchte die SPÖ anhand von Dokumenten genauso wie mit dem Thema der Glücksspielbesteuerung zu untermauern.

Um Glücksspiel sei es „eher nicht“ gegangen, so Kurz. Themen mit Rothensteiner seien immer eher die allgemeine politische Situation, dessen Einschätzungen zu gewissen Themen wie Raiffeisen, Bankensektor und Geldpolitik gewesen. Rothensteiner ist Beschuldigter in der Causa Casinos, wurde auch einmal vom suspendierten Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek empfangen.

Grüne und NEOS konnten keine Fragen mehr stellen
Christian Hafenecker, FPÖ-Fraktionsführer, wollte von Kurz wissen, wie es ihm bei den Chats gehe, wenn von Frauenfeindlichkeit, Postenschacher und Mobbing die Rede sei. Er würde solche Dinge als „problematisch“ einstufen, so Kurz. Wegen der rekordverdächtig langen Fragerunde der ÖVP am Anfang kamen Grüne und NEOS am Ende nicht mehr dazu, den Bundeskanzler zu befragen. 

Kurz kritisiert Skandalisierung im U-Ausschuss
Bei seinem Eingangsstatement hatte Kurz kritisiert, dass sich die Hoffnung, dass der Ausschuss Licht in die Vorgänge rund ums Ibiza-Video bringen könne „nicht erfüllt“ habe. Nun sei Skandalisierung an der Tagesordnung, beklagte der Kanzler, der sich nun „Sorgen um den politischen Diskurs und die politische Kultur in diesem Land“ macht. Er sprach sich für eine Reform aus, mit der Missbrauch von U-Ausschüssen unterbunden werden könne.

Das müsste „ein fester Trottel“ sein
Außerdem habe die Volkspartei seit Beginn der Ära Kurz bewusst unterschreiben lassen, dass Spender sich keine Gegenleistung erwarten dürfen, erklärte der Kanzler. Auch sei es an Absurdität gar nicht zu überbieten, zu glauben, dass jemand aus seinem Umfeld bereit wäre, sein Leben wegzuwerfen dafür, dass die ÖVP eine Spende erhalte, und er selbst überhaupt nichts davon hat. Das müsse „ein fester Trottel“ sein, so Kurz.

Nach einer Dauer von gut fünf Stunden war der zweite Auftritt des Kanzlers im U-Ausschuss dann zu Ende. Am 15. Juli gibt es noch einen sogenannten Ersatztag, bei dem etwa Ex-FPÖ-Chef und -Vizekanzler Heinz-Christian Strache kommen könnte. Er hatte sich am für Donnerstag wegen seines Bootsunglücks in Kroatien entschuldigt.

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