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KW 2 – die wichtigsten Neuerscheinungen der Woche

Musik
16.01.2021 06:00

Musik als Lebenselixier - besonders für das Wochenende, wo man hoffentlich auch Zeit dafür hat. Wir haben für euch wieder die besten Alben und Veröffentlichungen der Woche zusammengesammelt. Quer durch alle Genres ist hier garantiert für jeden was dabei. Viel Spaß dabei!

(Bild: kmm)

Accept - Too Mean To Die
Wenn man die gängigen Rock- und Metalfachzeitschriften durchblättert könnte man glauben, das neue Accept-Album hätte der Messias persönlich eingespielt. Natürlich sind Wolf Hoffmann und Co. absolute Legenden, natürlich haben sie den klassischen Heavy Metal global geprägt, aber diese ehrfürchtige Huldigung ist doch befremdlich. „Too Mean To Die“ ist zweifellos gelungener als die zwei saftlosen letzten Alben, an „Blood Of The Nations“, das mittlerweile mehr als zehnjährige Einstiegswerk von Sänger Mark Tornillo kommt aber nicht ran, geschweige denn an die kultigen Udo Dirkschneider-Zeiten in den 80ern. Dafür fehlt es an Ideenreichtum und dem Willen, innovativ zu sein. Auch wenn sich das Besetzungswechsel in der zweiten Reihe fest gedreht hat, bleiben mit „Zombie Apocalypse“, „Overnight Sensation“ und dem fein getragenen „The Undertaker“ nur drei Tracks, die herausstechen. Das ist freilich jammern auf hohem Niveau, aber man merkt dem Album schon gut an, dass das Verwalten alter Großtaten mittlerweile großgeschrieben wird… 6,5/10 Kronen

Ashnikko - Demidevil
Ashton Nicole Casey aka Ashnikko ist derzeit eine der spannendsten Künstlerinnen im amerikanischen Mainstream und wird unter anderem von Billie Eilish und Miley Cyrus geliebt. Die 24-Jährige macht auf ihrem wegen des erfolgreichen Jahres 2020 um mehr als einen Monat vorgezogenen Debüt „Demidevil“ all das, was derzeit state of the art ist. Nostalgischer Pop-Punk, sanftmütiger Bedroom-Pop, Nu-Metal-Anleihen, elektronische Ausflüge mit Superstar Grimes („Cry“) oder ein reiferer Song wie „Deal With It“ mit Kelis. Dazu noch Songs wie „L8er Boi“ (interessantes Avril Lavigne-Quasi-Cover) oder „Clitoris! The Musical“ - alles ist erlaubt. Inhaltlich geht es um mentale Probleme, sexuelle Anzüglichkeiten und die klassischen Coming-Of-Age-Thematik. Das Tik-Tok-Wunder hat große Chancen auf Langlebigkeit - denn Ashnikko trifft die Eilish-Generation mit diesem Mixtape mitten ins Mark. 8/10 Kronen

Blackout Problems - Dark
Dass die Münchner Blackout Problems schon immer ein bisschen mehr waren als eine simple Metalcore-/Alternative Rock-Band ist in Genrekreisen schon länger kein Geheimnis mehr. Doch getreu dem Motto „dunkle Zeiten erfordern dunkle Platten“ überrascht die Kehrtwende auf „Dark“, dem dritten Album unserer Landesnachbarn, schon sehr. Von fröhlichen Chören und Bollo-Passagen hat man sich fast gänzlich abgewendet, stattdessen regieren zunehmend Synthie-Pop und eine unweigerlich an Linkin Park erinnernde Hymnenlastigkeit, die sich durch polit- und gesellschaftskritische Songs wie „Murderer“, „Germany, Germany“ oder den Titeltrack zieht. Für den Mut, musikalisch und inhaltlich so auszuscheren, gibt’s auf jeden Fall einen Bonuspunkt. Auch handwerklich ist alles im grünen Bereich. Junge Menschen mit Meinung und Haltung braucht die Welt. 7,5/10 Kronen

Bloody Hammers - Songs Of Unspeakable Terror
Liebhaber der Wiener Horrorpunk-Institution Bloodsucking Zombies From Outer Space werden sich schon nach den ersten Klängen dieser Scheibe an ihre Heroen erinnert fühlen, denn die Bloody Hammers kredenzen ähnliches Klanggut, befinden sich mit einem Bein dann doch stärker in der Okkult-Rock-Schiene. Das seit knapp zehn Jahr bestehende Projekt besteht aus dem Ehepaar Anders Manga (Vocals, Bass, Gitarre) und Devallia (Orgel, Piano, Keyboards), die von North Carolina aus ihre ganz eigene kleine Horrorshow spielen. Dass sich vor allem die kultigen Misfits stark in das Gedächtnis des Duos gerockt haben, ist in Songs wie „Hands Of The Ripper“ oder „Night Of The Witch“ nicht zu überhören. Auf dem Klischeebesen wird natürlich in voller Absicht geritten, nur der Abwechslungsreichtum ist für die ohnehin schon mageren 32 Minuten Spielzeit enden wollend. Etwas Ähnliches gibt’s bei uns daheim in besser, aber „Songs Of Unspeakable Terror“ wird Genre-Fans trotzdem kurzweilig unterhalten. 7/10 Kronen

Camera - Prosthuman
Schlagzeuger sein und Michael Drummer heißen - wenn man über diese langbärtigen Flachwitzgepflogenheiten hinauskommt, eröffnet einen bei der Berliner Combo Camera zum zehnjährigen Bandjubiläum einmal mehr ein Kaleidoskop der schönen Klänge. „Prosthuman“ ist der mittlerweile fünfte Full-Length-Beweis der Band, dass sich Krautrock-Pioniere wie Cluster oder NEU! durchaus adäquat in die Gegenwart übersetzen lassen. Schlagzeug und Tasteninstrumente duellieren und kooperieren quasi zur selben Zeit und verschaffen herausragenden Songs wie „Kartoffelstampf“, „El Ley“ oder „Harmonite“ eine besondere Note, die sich durchaus an den Größen der Vergangenheit orientiert und dazu locker die Gegenwart in Szene setzt. Gitarre und Synthesizer wirken dazu mehr als nur Stückwerk und manchmal wünsche man sich fast, die partiell eingesetzten Vocals würden ganz fehlen. „Prosthuman“ ist spannend, vorausdenkend und unverklärt nostalgisch. 7,5/10 Kronen

Dale Crover - Rat-A-Tat-Tat!
Wo Dale Crover draufsteht, dort ist gewiss auch eine kräftige Portion Obskurität drin. Der einstige Nirvana-Kurzzeitdrummer und die zweite Melvins-Hälfte hat sich im Lockdown wieder einmal ausgetobt und mit dem eigenwillig betitelten „Rat-A-Tat-Tat!“ gitarrenlastigen Grunge/Noise-Wahnsinn in ein Album gegossen. Freilich klanglich weit entfernt von den Melvins wagt er sich partiell in Sludge-Sphären, versucht sich gar an Arena-Rock-Riffs und ist seltenen Momenten noch nicht einmal weit vom geradlinigen Pop entfernt. „I Can’t Help You There“ atmet Lynyrd-Skynyrd-Southern-Rock-Feeling, während „Shark Like Overbite“ eine akustische Verbeugung des poppigen Tom Petty darstellt. Stimmverzerrer und instrumentale Ausritte sind allgegenwärtig. Ein weirdes Vergnügen - aber irgendwie auch programmatisch für den abgedrehten Crover. 6,5/10 Kronen

Devin Dawson - The Pink Slip EP
Schon interessant, wie sich manche Karrieren entwickeln. Devin Dawson ist derzeit einer der höchstgehandelten Country-Youngsters in den USA, hat aber noch vor wenigen Jahren Bass in der Deathcore-Band (!) Shadow Of The Colossus gespielt. Aber in jedem Wolf steckt bekanntlich ein sanftes Schäfchen und der Schwank in die Roots-Richtung war jobtechnisch nicht der Schlechteste. Nachdem Dawson sich via Taylor-Swift-Mashups auf YouTube ins US-Rampenlicht spielte, folgte vor exakt drei Jahren das stark gechartete Debüt „Dark Horse“. Corona und diverse private Befindlichkeiten ließen dann einiges an Zeit verstreichen, aber mit „The Pink Slip“ gibt es jetzt zumindest mal eine EP zu feiern. Highlights: das seinem Großvater gewidmete Schmachstück „He Loved Her“ und der hemdsärmelige Opener „Range Rover“. Dawson ist eindeutig der poppigen, mainstreamigen Sorte Country zuzurechnen. Das muss man natürlich mögen. Ohne Bewertung

John Diva & The Rockets Of Love - American Amadeus
Es bedarf schon auch einer gehörigen Portion Wagemut, in Zeiten wie diesen mit einer Glam-Rock-Band ins Rennen zu gehen, aber die Leidenschaften soll man bekanntlich ausleben. John Diva & The Rockets Of Love haben zudem vor zwei Jahren mit ihrem Debüt „Mama Said Rock Is Dead“ gut eingeschlagen und im Gegensatz zu den sich selbst wiederholenden und unlängst auch Corona-leugnenden Parodisten von Steel Panther entwickeln sich die Jungs auch angenehm weiter. Dass sie sich auf unseren Woiferl beziehen hat sicher auch etwas mit Falco zu tun, aber wenn man den Direktvergleich zwischen dem neuen und dem Erstwerk ziehen will, dann gibt es hier mehr Whitesnake und weniger Mötley Crüe zu hören. Mit „Soldier Of Love“ und „This Is Rock’n’Roll“ befinden sich echte Perlen auf dem Album. Eine würdige Wiederbelebung der 80er-Nostalgie. 7,5/10 Kronen

Dread Sovereign - Alchemical Warfare
Der vor allem von Primordial bekannte Alan Averill ist nicht nur Vollblutmusiker, sondern auch Vollblutfan. Das beweist er immer wieder als Teilzeitjournalist und in diversen Nebenprojekten wie seinem Doom-Geschwader Dread Sovereign, dessen Albumtitel nicht nur zufällig an den Slayer-Kracher „Chemical Warfare“ erinnert. Leider hat der Ire die wahren stärken der Band sehr stark zurückgeschraubt. Diese wären elegische, zähflüssige Doom-Kompositionen mit Black Sabbath-Einschlag, wie sie zwar ach auf „Alchemical Warfare“ vorkommen, aber viel zu oft von Punk-rotzenden Songteilen zerrüttet werden. Flott vorgetragene Songs wie „She Wolves Of The Savage Season“ oder „Nature Is The Devil’s Church“ haben leider nicht die dunkle Atmosphäre von getragenen Stücken wie „The Great Beast We Serve“. Lustig: das 1983er-Bathory-Demo-Cover (!) „You Don’t Move Me (I Don’t Give A Fuck)“ am Ende. Trotzdem: hier wäre mehr drin gewesen. 7/10 Kronen

Edenbridge - The Chronicles Of Eden Pt. 2
Mit mehr als 20 Jahren Bandhistorie im Rücken kann man schon mal ordentlich in die Vollen gehen. Das dachte sich wohl Edenbridge-Mastermind Lanvall/Arne Stockhammer, der mit „The Chronicles Of Eden Pt. 2“ schon die zweite Best-Of des oberösterreichischen Symphonic-Power-Metal-Flaggschiffs innerhalb von dreieinhalb Jahren vorlegt. Auf zwei CDs gibt es nicht weniger als zweieinhalb Stunden Material, die sich aus den letzten sechs Studioalben zusammensetzen. Je vier Songs pro Album, ausgewählt in inniger Abstimmung mit den Fans und offenbar für beide Seiten nicht überraschend (aber dafür gibt’s ja Hits) und ein paar unveröffentlichte Demo-Aufnahmen, um einen Kaufgrund abseits des Die-Hard-Sammelns zu bieten werden hier von der Leine gelassen. Freilich nur für Fans von Nightwish, Within Temptation und ähnlichen Erfolgskapellen geeignet. Eine wundervolle Werkschau, die allerdings wenig Mehrwert bietet. Ohne Bewertung

Everything In Boxes - Heather EP
Ein Vorteil (oder auch ein Nachteil) des Musikbusiness ist, dass es ähnlich wie die Politik immer in Wellenbewegungen funktioniert. Die Historie lehrt uns, dass alles irgendwann wiederkommt. Streng chronologisch nach dem Wiederaufleben der 90er-Jahre kommt im Indie-Underground nun langsam wieder der Emo-Punk der 2000er-Jahre an die Oberfläche. Dort, wo Bands wie Title Fight, Basement und Co. melodischen Punk mit wichtigen Botschaften und der bewussten Öffnung von Gefühlswelten verbanden, fühlen sich auch die Karlsruher von Everything In Boxes pudelwohl. Ihre EP „Heather“ ist leider schon nach vier Songs bzw. neun Minuten durch, was gelinde gesagt eine Schande ist. Die für Gemeinschaft und Inklusion stehenden Songs vermitteln inhaltlich als auch musikalisch ein wohliges Gefühl und ja, langsam wird es Zeit für eine Full-Length und Live-Dates. Weiter so! Ohne Bewertung

Conny Frischauf - Die Drift
Wer hierzulande nach einem Vermächtnis des Krautrock sucht muss nicht mehr nach Baden schauen - dort residiert ja bekanntlich Genre-Pionier Hans-Joachim Roedelius. In Wien schickt sich nun Conny Frischauf an, unterschiedlichste elektronische Genres mit aus dem Leben gegriffenen Texten zu kreuzen, die weniger mit Dadaismus zu tun haben als es vielleicht den Anschein macht. „Die Drift“ ist nach zwei starken EPs das Debüt, das sich auch nicht davor zurückscheut Synthie-Pop und artifizielle Elektronik in den Gesamtsound zu verweben. Besonders beeindruckend ist daran, dass Songs wie „Parapiri“ oder „Roulette“ ein richtiggehendes Pop-Profil besitzen und somit überraschend leicht zugänglich sind - bis in „Einnahmen und Ausgaben“ ein röhrendes Saxofon plötzlich jedwede Eingängigkeit konterkariert. Durchaus spannend, aber partiell etwas langatmig. 7/10 Kronen

Front Line Assembly - Mechanical Soul
Das kanadische Electro-Kollektiv Front Line Assembly kann man getrost unter Kultband einordnen. Seit mittlerweile 35 Jahren sorgt Frontmann Bill Leeb mit Rhys Fulber und abwechselnden Mitstreitern für eine kalt-maschinelle Atmosphäre, die wie eine vertonte Industrialisierung klingt. Leider hat die Vanouver-Truppe in den letzten Jahren doch deutlich an Feuer verloren und sich des Öfteren in Selbstzitaten verloren. „Mechanical Soul“ ist da leider keine große Ausnahme, denn die düsteren Beats knallen in bester Old-School-Nine-Inch-Nails-Manier aus dem Äther, wiederholen sich aber schon nach dem ersten Albumdrittel so oft, dass man sich in einer Schleife zu befinden wähnt. Mit „Glass And Leather“ und „Alone“ gibt es zwar zwei echte Kracher, ansonsten muss man sich leider oft mühsam durch die einzelnen Kompositionen quälen, ohne wirklich mitgenommen zu werden. Das ging schon mal besser. 5,5/10 Kronen

Martin & Garp - Sentimental Fools
Es gibt zu jeder Lebenslage die richtige Musik und manchmal braucht man einfach einen smoothen Sound zum Zurücklehnen, der Alltagsprobleme, Corona-Lockdowns, Eiseskälte und früh einsetzende Dunkelheit wie mit einem Wisch verschwinden lässt. Diesen Jänner greift man dann am besten zum holländischen Duo Martin & Garp, das sich wie kaum eine andere Band wohlig in sonnigen 70er-Sounds der Marke Steely Dan, Hall & Oates oder den Doobie Brothers suhlt, ohne dabei zu sehr von den Großen der Zunft abzukupfern. Die Synthesizer werden sehr behutsam eingesetzt, Gitarren und gediegene Percussion behalten stets die Oberhand. Für ein Projekt wie dieses wurde der Begriff Yachtrock erfunden und hoffentlich darf man bald wieder problemlos nach Kalifornien fliegen, sich ein Auto mieten und gen Wüste fahren. Natürlich mit „Sentimental Fools“ in der Anlage! 8/10 Kronen

Grandbrothers - All The Unknown
Erol Sarp und Lukas Vogel haben sich vor mehr als zehn Jahren während ihres Studiums der Ton- und Bildtechnik in Düsseldorf kennengelernt und nach dem Abchecken etwaiger gemeinsamer Interessen das Projekt Grandbrothers gegründet. Auf ihren bisherigen zwei Alben zeigten sie sich geschickt im Fahrwasser von Electronica und Neoklassik und begeisterten mal mit kühleren, mal mit zugänglicheren Instrumentierungen. Für das Drittwerk „All The Unknown“ verließ das deutsch-türkisch-schweizerische Duo die selbst auferlegte Regel, dass alles Hörbare in dem jeweiligen Moment auf dem Instrument entstanden sein muss, was die Tracks im Direktvergleich zum Vorgänger zwar wieder etwas mechanischer, aber auch vielseitiger gestaltet. Die Grandbrothers experimentierten am Computer mit verschiedenen Soundschichten und limitierten sich überhaupt nicht mehr. Mehr Clubfeeling anstatt in die Lounge abzurutschen. So könnte man das Ergebnis daraus nennen. Ein weiterer gelungener Baustein im versatilen Schaffen der beiden. 7,5/10 Kronen

Emma McGrath - Settled In Motion (Silent Minds, Pt. 3) EP
Aus dem überschaubaren Stadtteil Harpenden im Norden Londons kommt eines der wohl größten Zukunftstalente im internationalen Pop-Zirkus. Den Namen Emma McGrath sollte man sich merken, denn die 19-Jährige zeigt zum Abschluss ihrer dreiteiligen EP-Serie auf „Settled In Motion (Silent Minds, Pt. 3)“ noch einmal eindrucksvoll, dass mit ihr definitiv zu rechnen sein wird. Die von so unterschiedlichen Künstlerinnen wie Brandi Carlisle, Tracy Chapman oder Missy Higgins beeinflusste Vollblutmusikerin besticht in den fünf Songs mit einer fragilen, eindringlichen Stimme und inhaltlicher Ehrlichkeit und Authentizität, die von ihren introvertierten Teenager-Jahren erzählt ohne dabei die Veränderungen bis zur Gegenwart außer Acht zu lassen. Die Zärtlichkeit, die Songs wie „Say Something“ oder „Getaway Train“ trägt ist unwiderstehlich. Unbedingt weiterverfolgen! Ohne Bewertung

Frank Iero & The Future Violence - Heaven Is A Place, This Is A Place EP
Zugegeben - für eine eindrucksvolle Reunion hätte man sich bessere Jahre als das letzte aussuchen können. Die Millenniums-Emo-Könige My Chemical Romance müssen ihre Fans somit noch weiter auf unbestimmt vertrösten, doch zumindest Songs aufnehmen kann man ja trotzdem ganz gut. Gitarrist Frank Iero hat seine Band The Future Violence via Social Distancing zusammengefangen und macht mit dem vier Song starken Häppchen „Heaven Is A Place, This Is A Place“ auf sich aufmerksam. Neben einer eher mediokren Cover-Version von R.E.M.s „Losing My Religion“ gibt es drei brandneue Eigenkompositionen zu bewundern. „Violence“ erinnert in seiner düsteren Leidensform ein bisschen an den glamourösen Marilyn Manson, wohingegen das stampfende „Sewerwolf“ mit Ieros klagendem Geheule schon etwas zu viel wird. Das abschließende „Record Ender“ ergeht sich in einem krachenden Crescendo und klingt wie das Ende der Welt. Stimmt ja auch irgendwie… Ohne Bewertung

Midnight Sister - Painting The Roses
Mit dem Debütalbum „Saturn Over Sunset“ gelang dem artifiziellen LA-Duo Midnight Sister vor etwas mehr als drei Jahren ein fulminanter Einstieg in die Indie-Welt. Trotz der langen Wartezeit krankt der heiß ersehnte Nachfolger „Painting The Roses“ ein bisschen am klassischen Nachfolgersyndrom - man will möglichst alle guten Ideen des Debüts noch einmal reinpressen und erhofft sich dadurch eine bessere, zumindest aber gleich gute Wirkung. Das gelingt der Band rund um Frontfrau Juliana Giraffe nur bedingt. Die reiste vor Corona zu ihrer Familie nach Argentinien, um ihre Geschichte mit Kunst und Kultur zu verknüpfen, während Partner und Multiinstrumentalist Ari Balouzian außerhalb von LA an den Klängen schraubte. So treffen Surf-Gitarren auf ein 50er-Noir-Feeling („My Elevator Song“), doch die Chose kommt während des ganzen Albums nie wirklich in Fahrt. Midnight Sister verzetteln sich zu oft zwischen Dream Pop und den Dresden Dolls. „Painting The Roses“ ist gut, aber auch nicht mehr. 6/10 Kronen

NEØV - Picture Of A Good Life
Indie-Connaisseuren sind die großartigen Finnen NEØV natürlich nicht verborgen geblieben, doch erst jetzt, mit dem vierten Album, scheint endlich der längst fällige Sprung über die kalten Grenzen hinaus in die weite Welt zu gelingen. Freilich gerade keine dankbare Zeit dafür, aber das nach dem letzten Werk „Volant“ endgültig zum Duo geschrumpfte Brüderpaar Anssi und Samuli Neuvonen integriert auf „Picture Of A Good Life“ in beeindruckend leichtfüßiger Art und Weise verträumten Shoegaze, flackernden Dream Pop, zeitlosen Indie-Sound und - wie etwa im grandiosen „Wild Birds“ zu hören - elektronisch angehauchten Folk mit einem feinsinnigen Gespür für bildhafte Fantasien. Mit den Showcase-Festivals wird heuer wohl noch nichts werden, aber das in Hamburg aufgenommene Alben zeigt, dass NEØV bereit sind für die Champions League des Indie Pop. Es wäre ihnen dringend zu vergönnen. 8/10 Kronen

Pom Poko - Cheater
Puh, für „Cheater“ braucht man Aufgeschlossenheit und gute Nerven. Auf dem zweiten Album der Norweger Anime-Fans herrschen dermaßen bewusst zur Schau gestellte Anarchie und klangliche Unausgegorenheiten, dass man sich auf jeden Fall mit voller Konzentration in das Treiben stürzen sollte, um nicht auf halbem Weg verloren zu gehen. Wenn Sängerin Ragnhild Fangel wieder einmal in hohe Sphären trällert und Kompositionen wie „Like A Lady“, der Single „Andrew“ oder „Danger Baby“ förmlich die Luft zum Atmen nimmt, muss man selbst erst einmal durchschnaufen. An gängigen Genres halten sich die Skandinavier nicht. Manchmal fuzzen die Gitarren, dann gibt es einen crunchigen Klangrausch und dann tappst man plötzlich auf Zehenspitzen durch die Bassläufe („Curly Romance“). Irgendwie erfrischend, irgendwie aber auch wirr und nervig. It’s your choice… 6/10 Kronen

Emma Ruth Rundle & Thou - The Helm Of Sorrow EP
Freunden zähflüssiger und dissonanter Sludge-Klänge ist das 2020er Album „May Our Chambers Be Full“ von Emma Ruth Rundle und Thou sicher noch sehr gut in Erinnerung. Einerseits die zarte, doomig-folkige Dunkelheit von Rundles Stimme, andererseits das bleischwere, repetitive Geschrote von Thou. Eine tödliche, mahlstromartige Kombination die beiden Parteien offenbar so viel Spaß machte, dass man das Jahr 2021 mit der gemeinsamen EP „The Helm Of Sorrow“ einleitet. Freilich stammen die Songs noch aus den Aufnahmesessions zum Album, wären aber auch stark genug für eine reguläre Veröffentlichung gewesen. Vor allem das mystische „Orphan Limbs“ und das angriffige „Resurrence“ erklingen besonders wohlig. Ein schöner Nachschlag, der sogleich wieder Lust auf noch mehr macht. Ohne Bewertung

Rvbber Vvitch - Mastvrbations Malveillantes MMXVII
Achtung, folgendes Liedgut ist nichts für zart Besaitete. Rvbber Vvitch, das obskure Ein-Mann-Projekt aus dem beschaulichen Quebec in Montréal versucht mit seiner bereits 2017 aufgenommenen, 2019 auf Bandcamp veröffentlichten und nun erstmals auch auf CD zugänglichen Scheibe „Mastvrbations Malveillantes MMXVII“ die Grenzen in mehrfacher Hinsicht auszuloten. Die sechs meist überlangen Songs verknüpfen die nihilistische Atmosphäre von Black Metal mit einem polternden Drum-Computer, ballernder Elektronik und einer sexuell aufgeheizten BDSM-Atmosphäre, die mitunter durch die französischen Texte widergespiegelt wird. Diesen Sound zu kategorisieren fällt wahrlich nicht leicht und die Tiroler Tristwood grob als Vergleich heranzuziehen passt noch am besten. Eine akustische Tour de Force durch alle möglichen, rigorosen Gewalttätigkeiten. Heftige Sache. Ohne Bewertung

Sagenland - Oale Groond
Die Mühlen mahlen sehr langsam im holländischen Overijssel bei Twente. Das Duo Sagenland hat sich am Papier schon vor 20 Jahren formiert, bis auf eine Split-CD mit den Deutschen von Vargulf vor sechs Jahren gab es noch nichts Spruchreifes zu hören. „Oale Groond“ ändert diesen Zustand und bietet bitterkalten, aber auch erhabenen und durchaus melodiösen Black Metal, der sich in der Nähe von Windir befindet, ohne aber deren Bombast zu erreichen. Die gänzlich in der holländischen Landessprache vorgetragenen Songs befinden sich meist im Hochgeschwindigkeitssegment, lassen aber dennoch genug Raum für Variabilität und atmosphärische Veränderungen. Die eingestreuten Akustik-Intermezzi hätten sich Floris Velthuis und Arjan zwar sparen können, sie stören aber zumindest nicht immanent. Inhaltlich erzählt man Lokalkolorit-Geschichten und Sagen aus der Gegend zwischen Regge und Dinkel. Gutes Album mit wenig Innovationskraft. 7/10 Kronen

Voodoo Circle - Locked & Loaded
Es kam wieder zusammen, was zusammengehört. Zumindest im Camp der deutschen Rocker Voodoo Circle, die nach einem kurzen Gastspiel von Herbie Langhans wieder Pink Cream 69-Fronter David Readman zurück ins Boot holten. Neu ist auch der einstige Glenn Hughes-Drummer Markus Kullmann und diese zwei gewichtigen Wechsel ziehen auch eine klar hörbare Stilkorrektur nach sich. Auf „Locked & Loaded“ besinnen sich Voodoo Circle mehr denn je auf Classic- oder American Rock und fahren die Heavy-Metal-Anteile stark zurück. Tracks wie „Eyes Full Of Tears“ oder „Magic Woman Chile“ sind ganz klar an Whitesnake oder Rainbow orientiert und schrecken nicht mehr davor zurück, die großen Vorbilder unmissverständlich zu zitieren. Dass die eigene Note hier fehlt - geschenkt. Lieber gut gestohlen als schlecht selbstgemacht. Nach dieser Prämisse fahren die Deutschen ziemlich gut. 7/10 Kronen

Why Don’t We - The Good Times And The Bad Ones
Als amerikanischer Abklatsch von One Direction gelten Why Don’t We seit ihren Anfangstagen und die deklarierten Fans von Megasellern wie Justin Bieber und Ed Sheeran haben mit ihrem 2018er Debüt „8 Letters“ auch wenig dafür getan, um diese Vergleiche entkräften zu können. Daneben hat das bei Teenies enorm beliebte Quintett sechs EPs veröffentlicht und sich - zum Beinahe-Herzinfarkt ihrer Anhänger - eine temporäre Social-Media-Pause verordnet. Aber keine Sorge - alles ist gut und mit gehöriger coronaler Verspätung erscheint nun endlich das Zweitwerk „The Good Times And Bad Ones“. Gegen die oft eingesetzten generischen Beats und mit zu viel Süßstoff ausstaffierten Vokalleistungen hätten die Buben durchaus ankämpfen können, aber Ecken und Kanten sind im Bubblegum-Boyband-Pop unerwünscht. Während man bei der Kollegenschaft aber etwa doch den Unterschied zwischen einem Harry Styles und einem Zayn Malik (kommt hier etwas später auch noch) heraushörte, unterscheiden sich die Stimmen von Why Don’t We quasi null. Wer sich mit oberflächlichem Teenie-Pop identifiziert und keinen Ansatz von Mut und Eigenständigkeit braucht, der fühlt sich hier bestimmt wohl. Why Don’t We bringen jedoch absolut nichts Neues auf die musikalische Landkarte. 6/10 Kronen

Zayn - Nobody Is Listening
Zayn Malik verließ das britische-irische Boyband-Wunder One Direction 2015 schon vor deren bis heute andauernde Pause und ist damit ganz gut gefahren. Auch wenn Harry Styles von allen Mitgliedern die schillerndste Karriere gestartet hat, beweist Zayn auf seinem überraschend, zu seinem Geburtstag veröffentlichten Drittwerk „Nobody Is Listening“, das langfristig mit ihm zu rechnen ist. Nach dem schwer gefloppten „Icarus Falls“ konzentriert sich der 28-Jährige auf seine Stärken und beweist in Songs wie „Vibez“, „Better“ oder „Tightrope“, das ihm sanfter R&B mit zeitgenössischen Pop-Elementen, Bedroom-Pop-Anleihen und persönlichen, authentischen Texten am Besten liegt. Die Songs sind nicht überproduziert und gleiten meist sehr smooth durch die Gehörgänge. Kein ausuferndes Meisterwerk, aber ein kräftiges Lebenszeichen des Briten. Zur Oberliga des männlichen Mainstream-Pop reicht das leider noch nicht ganz. 7/10 Kronen

ZSK - Ende der Welt
Gerade in Zeiten der permanenten Veränderung tun Konstanten manchmal irrsinnig gut. Seit 24 Jahren kann man sich auf die Berliner Punks ZSK verlassen und sicher sein, dass es hier weder inhaltlich, noch musikalisch Platz für stilistische Schlenker gibt. Das Anfang 2021 aufgerufene „Ende der Welt“ fühlt sich näher denn je an und klingt so, wie eine ZSK-Scheibe klingen muss: ein bisschen nach Mitte-90er-Jahre-Ärzten und dem auch ein bisschen nach dem Cali-Punk aus der Zeit. „Die Kids sind okay“ feiert Greta und die Jugend, „Ich feier euch“ die Fans der Band und auf dem abschließenden „Kein Talent“ macht man sich mit Rapper Swiss selbstironisch darüber lustig, warum es nie zum großen Karrieresprung reichte. „Alle meine Freunde“ richtet sich aktiv gegen die AfD und mit „Stuttgart“ hat Sänger Joschi eine Ballade über seine Mutter gezimmert. Omnipräsent ist auch Star-Virologe Christian Drosten, dem die Berliner sehr nahestehen. Gewohnte, aber gute Kost. 7,5/10 Kronen

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