Weniger ist mehr

Hüttenwirt: „Kuh mit sechs Metern ist zu lang“

Tirol
14.04.2020 14:00

Viele hoffen, dass die Nachdenkpause in den Skigebieten eine Strategiewende bewirkt. Der Söldener Hüttenwirt Jakob Prantl mahnt, dass es so nicht mehr weitergehen kann. „Wir müssen sehen, dass weniger mehr ist“, philosophiert der 59-Jährige.

Sölden bleibt bis zum 26. April in Quarantäne. Zwei weitere Wochen also zum Nachdenken. Nachdenken über die Entwicklung, die das einstige Bauerndorf durchlebt hat, nachdenken, ob das, was ist, gut ist, ob man nicht den vom Schicksal aufgelegten Elfmeter verwandeln soll. Verwandeln hieße in diesem Fall Wandel!

Entschleunigung als Motto
Die Nachdenkphase hat Jakob Prantl längst hinter sich. Der Touristiker und Wirt der mittlerweile berühmten „Gampe Thaya“ war immer schon ein Mahner, mit beiden Füßen am Boden zu bleiben. Bodenständigkeit und Entschleunigung ist auch das Motto in seiner Gastwirtschaft auf 2000 Metern Seehöhe.

Pommes und Cola gibt’s nicht, stattdessen Köstlichkeiten aus der Region. Und er liebt sein Tiroler Grauvieh, das im Sommer um die Thaya weidet und das Rohmaterial für die eigene Käserei liefert. Er hält auch einen Ruhetag in der Hochsaison ein, was keiner versteht.

„Krise ist auch Chance“
„Ich sitze in der Sonne auf der Gampe und mache mir Gedanken über die Zukunft. Ich bin sehr positiv eingestellt. Ich bin überzeugt, dass es nicht so weitergeht wie bisher und das ist auch gut und wichtig. Wir müssen sehen, dass weniger mehr ist. Eine Kuh mit sechs Metern ist zu lang. Wir bringen sie nicht mehr aus dem Stall raus, wenn wir Hunger haben“, philosophiert der 59-Jährige im „Krone“-Telefonat.

Jede Krise sei auch eine Chance. Es sei alles zu viel geworden, zu übertrieben und aufgeblasen. Man könne nicht mit zwei Löffeln essen. „Es türmen sich im Dorf fünfstöckige Häuser mit Auslandsfinanzierung, man schätzt den Nachbarn nicht mehr. Wir müssen mit unserem Boden behutsamer umgehen, so wie mit allem“, meint Prantl nachdenklich.

Hoffen auf Kehrtwende
Behutsam umgehen mit Menschen und Ressourcen: „Ich habe keinen Mitarbeiter gekündigt, nach der Krise sollen sie ja wieder mit uns arbeiten. Muss eine Kuh 10.000 Liter Milch geben? Meine geben 5000 Liter und ich lebe auch. Unser Junior war 2015 in Nepal, als es das schwere Erdbeben gab und es hat ihn sehr in seiner Lebenseinstellung geprägt.“ Genug sei genug und der Söldener hofft auf eine Kehrtwende im Tourismus, auf die Chance, Gesellschaft und Dorf neu aufzustellen.

„Dann spüren wir das Leben wieder“
Das Wort Auferstehung passt in die Osterzeit. Auch Sölden wird auferstehen. Die Frage ist nur, ob Sölden die Chance des Reset-Knopfes nützt. Der Wunsch von Jakob Prantl: „Wir müssen aufpassen, dass wir den Freiraum im Ötztal bewahren und wir wieder Zeit für uns und unser Umfeld haben. Aktuell ist es so still. Doch wir freuen uns auf den Sommer, wenn wir wieder die Glocken auf der Alm hören. Dann spüren wir das Leben wieder.“

Hubert Daum, Kronen Zeitung

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