Macht ernst

Google schießt gegen Internet-Filter in Australien

Web
24.03.2010 10:21
Mit seinem Versprechen, künftig verstärkt gegen Beschränkungen im Internet vorzugehen, scheint es Google tatsächlich ernst zu sein: Zwei Tage nach der Aufhebung der Selbstzensur in China schießt der Internetgigant nun gemeinsam mit Yahoo gegen die geplante Einführung eines Internet-Filters in Australien. Es gebe die Sorge, dass diese Regulierung zu weit gefasst sei, so Google in einer Stellungnahme zu dem Gesetzgebungsverfahren.

Australiens Kommunikationsminister Stephen Conroy machte die insgesamt 174 Stellungnahmen zu dem geplanten Gesetz am Dienstag öffentlich. Er erklärte, der Filter solle den Zugang zu Websites mit Kinderpornografie, sexueller Gewalt und Anleitungen für Straftaten blockieren. In der Eingabe von Yahoo wurde kritisiert, dass der Filter allerdings auch viele Websites mit kontroverser Information blockiere, darunter etwa Diskussionsforen über Sterbehilfe.

Aufhebung der Zensur für Suche in China
Inwieweit Google weiter gegen den geplanten Internet-Filter vorzugehen wagt, bleibt abzuwarten. Die demonstrative Haltung gegen Internet-Zensur und für Datenschutz hilft dem Unternehmen jedoch, sein Image in den westlichen Ländern gehörig aufzupolieren.

Erst am Montag hatte der Suchmaschinengigant nach einem monatelangen Streit mit China um Zensurauflagen seine Drohung wahr gemacht und seine Selbstzensur aufgehoben. Wer die Seite google.cn besucht, wird ab sofort auf die Version für Hongkong umgeleitet, in deren Ergebnissen politisch heikle Treffer nicht herausgefiltert werden.

Die kommunistische Regierung in Peking verlangt von westlichen Internet-Unternehmen, dass sie zum Beispiel Informationen über Tibet oder die blutige Niederschlagung der Proteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 herausfiltern. Die chinesische Regierung hatte unmissverständlich gewarnt, dass Google mit Konsequenzen rechnen müsse, falls der Konzern auf die Zensur verzichtet.

Google-Manager David Drummond betonte in einem Blog-Eintrag am Montag, das Unternehmen hoffe, dass Chinas Regierung den Schritt respektieren werde. "Obwohl wir uns bewusst sind, dass sie den Zugang zu unseren Diensten jederzeit blockieren kann." Die Regierung habe in Gesprächen unmissverständlich klargemacht, dass über eine Aufgabe der Zensur-Regel nicht verhandelt werde.

Menschenrechte um des Profits Willen
Laut Google-Vizepräsidentin Nicole Wong sei es jedoch zwingend erforderlich, "dass Regierungen, Unternehmen und Individuen mehr tun, um sicherzustellen, dass das Internet ein machtvolles Medium bleibt, um ohne Beschränkungen politische Meinungen, religiöse Ansichten und andere wichtige Dinge zu äußern".

Wong wies allerdings auch darauf hin, dass die Debatte sich nicht nur um Menschenrechte drehe. "Es geht auch um das weitere wirtschaftliche Wachstum, das durch ein freies und weltweit zugängliches Internet angetrieben wird."

Peking bezeichnet Entscheidung als "isolierten Fall"
Peking bezeichnete Googles Entscheidung für einen Rückzug aus der Volksrepublik in einer ersten Reaktion als isolierten Fall und kündigte an, den US-Konzern nach Recht und Gesetz zu behandeln, wie ein Sprecher des Außenministeriums erklärte. Die Entscheidung werde die Beziehungen zwischen China und den USA nicht belasten, solange sie nicht von anderen zu politischen Zwecken ausgenutzt werde. Die Volksrepublik hatte dem Internetkonzern zuletzt vorgeworfen, den Streit zu politisieren.

Vorerst offen bleibt, ob andere Google-Dienste in China bleiben dürfen. Wenn es nach den Wünschen von Google geht, sollen die Forschungs- und Entwicklungsarbeit sowie die Abteilung Verkauf in China fortgesetzt werden. Auch andere Geschäftsbereiche wie Google Maps, Gmail, mobile Lösungen und Übersetzungsdienste, die sich in China rasant entwickeln, sollen weiterlaufen.

"Große psychologische Auswirkungen"
Das Investitionsklima dürfte allerdings schon jetzt Schaden genommen haben, ist Internetexperte und Blogger Michael Anti überzeugt. "Es wird große psychologische Auswirkungen haben", sagte er. Seit Monaten klagen zunehmend mehr ausländische Unternehmer, dass China ihnen das Leben immer schwerer mache.

In nur acht Jahren ist die Zahl der Regierungen, die routinemäßig das Internet zensieren, von einer Handvoll auf mehr als 40 angestiegen. Mehr als 25 Länder haben auch Google-Dienste geblockt. Das Google-Videoportal YouTube, Online-Netzwerke wie Facebook und Twitter, Dienste wie Blogger und Wikipedia sind in China ständig gesperrt.

Appell an andere Internet-Konzerne in China
Die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) wies in einer Stellungnahme darauf hin, dass China seit Jahren "das umfassendste System von Online-Zensur und -Überwachung" betreibe. Mit derzeit 72 inhaftierten Bloggern und Internet-Dissidenten sei die Volksrepublik das weltgrößte "Gefängnis für Internet-Nutzer".

Die Organisation begrüßte daher Googles Entscheidung, die Zensur seiner Suche aufzuheben, und appellierte zugleich an andere Internet-Konzerne in China, "sich nicht länger der massiven Einschränkung von Presse-und Meinungsfreiheit zu beugen und ihre Haltung gegenüber der Zensurpolitik in der Volksrepublik zu überdenken."

Chinesische Attacke auf Gmail
Google hatte vor zwei Monaten von massiven Hacker-Attacken aus China berichtet und angekündigt, sich nicht mehr der Zensurforderung Pekings beugen zu wollen. Dafür werde man notfalls auch das Geschäft in China aufgeben, hatte der Konzern damals ausrichten lassen. Seitdem war intensiv darüber verhandelt worden, zu welchen Bedingungen Google seine chinesische Suchmaschine weiterbetreiben darf.

Der chinesische Internet-Markt mit 384 Millionen Nutzern gilt als äußerst lukrativ und zukunftsträchtig. Google, mit Abstand der weltweite Marktführer bei Suchmaschinen und Internet-Werbung, hat in ihm jedoch einen schweren Stand. Das Unternehmen startete in China relativ spät und liegt deutlich hinter dem chinesischen Konkurrenten Baidu.com zurück.

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