Rendi-Wagner:

„Bin Sozialdemokratin mit Leib und Seele“

Österreich
30.09.2018 06:00

Es gibt diese sonderbaren Interviews mit Politikern, die einen grübelnd zurücklassen. Das erste längere Gespräch mit Pamela Rendi-Wagner als künftiger SPÖ-Chefin war eines dieser Art. Was will sie uns eigentlich sagen? Vielleicht, dass sie als Vertreterin einer gut ausgebildeten Frauengeneration für ein ganz anderes Weltbild steht als das der türkisen ÖVP von Sebastian Kurz? Oder will Rendi-Wagner einfach beweisen, dass man auch in schwieriger Lage strahlen kann? So wie sie jetzt als Erbin die traurige Hinterlassenschaft von Christian Kern übernommen hat. Bleibt offen, wie sie es schaffen soll, dass auch ihre Partei wieder strahlt. Noch kann Rendi-Wagner mit ihrer Persönlichkeit politische Leerstellen überbrücken. Unangenehmen Fragen begegnet sie mit mustergültig einstudierten Antworten aus dem Handbuch der Sozialdemokratie. Eine Perfektion, die einem Respekt abringt - und Distanz schafft.

Da sitzt sie jetzt also da in einem schaurig eingerichteten Büro im zweiten Stock der wie ausgestorben wirkenden SPÖ-Zentrale in der Wiener Löwelstraße: dezent, elegant, zeitlos. In ihrem dunklen Hosenanzug, mit den feinen Ohrsteckern und dem Seidenshirt ginge Rendi-Wagner genauso gut als Vorstandsvorsitzende eines internationalen Pharmakonzerns oder als Gymnasialdirektorin in einem der besseren Bezirke durch.

Erscheinungsbild ist immer ein Thema
An dieser Stelle gleich eine kleine Einfügung zu allfälliger Kritik, derart würde man „nur bei einer Frau schreiben“. Das Erscheinungsbild ist immer ein Thema. Das gilt auch bei Männern wie Franz Vranitzky. Bei ihm ging es mit den edlen Anzügen so weit, dass man ihn „Nadelstreifsozialist“ genannt hat. Kaum eine Geschichte über Wolfgang Schüssel (ÖVP) ohne den Hinweis auf das alberne Mascherl, zahllose Bemerkungen über die besonders körperbetonten Anzüge von Christian Kern oder die niemals richtig gut sitzenden Anzüge von Werner Faymann und das zurückgegelte Haar von Sebastian Kurz.

Rendi-Wagner fällt ohnehin weniger wegen ihrer Hosenanzüge, sondern durch ihre überraschende Konsequenz auf. Bei ihr hört sich das so an: „Ich habe eine große Herausforderung vor mir. Diese Aufgabe möchte ich positiv erledigen.“ Dass sie Anfang der Woche knallhart die Macht in der SPÖ übernommen, die bisherigen SPÖ-Manager Andreas Schieder und Max Lercher abserviert habe, lässt Rendi-Wagner in der Form aber nicht gelten.

Voraussetzungen für Vertrauen
Rendi-Wagner bezeichnet die personelle Neuaufstellung als notwendig. „Wenn diese Rahmenbedingungen nicht erfüllt sind, wäre es verantwortungslos, diesen Job zu übernehmen“, sagt die designierte SPÖ-Chefin. In einer etwas umständlich formulierten Rechtfertigung spricht sie davon, dass sie für ihre Aufgabe jemanden an ihrer Seite brauche, zu dem sie Vertrauen habe. Von einer „effektiven und guten Zusammenarbeit“ ist die Rede. Davon, dass „man sich kennen sollte“. Und diese Voraussetzungen erfülle eben Thomas Drozda, der künftig ihr Bundesgeschäftsführer sein werde.

Video: Pamela Rendi-Wagner über die Gründe für die Übernahme des Parteivorsitzes

„In den Gremien ausdiskutiert“
Für den Grant der Wiener und der steirischen SPÖ gegen den wenig freiwilligen Abgang von Schieder und Lercher hat Rendi-Wagner eine Erklärung parat. Eine Erklärung, wie sie jeder altgediente Funktionär nicht besser sagen könnte. Wörtlich klingt das so: „Ich glaube, es ist halt zu verständlich, dass sich zum einen die Steiermark hinter den Steirer Max Lercher stellt. Das ist das, was man von einer Landespartei erwartet. Dass sie ihren Mandataren den Rücken stärkt. Dasselbe trifft auf Wien und auf Andi Schieder zu. Dass hier Wien eine große Unterstützung ausdrückt, und zwar geschlossen gegenüber Andreas Schieder ist, ist für mich absolut verständlich, und wir haben das in den Gremien auch ausdiskutiert.“

So liest sich Rendi-Wagner ungekürzt im Original. Funktionärsrhetorik, so als hätte die polyglotte Medizinerin nie eine andere Sprache gelernt. Man könnte damit auch zum Fazit kommen: Pamela Rendi-Wagner ist in ihrer neuen Funktion der SPÖ-Vorsitzenden bereits angekommen. Sie selbst formuliert das etwas vorsichtiger: „Die vergangenen Tage waren zeitintensiv. Gleichzeitig fühle ich mich, ich würde nicht sagen angekommen, aber am richtigen Startpunkt.“

Das politische Konzept der neuen SPÖ-Chefin hört sich im Interview eher vage an. Rendi-Wagner bemüht die bekannten Schlagworte von „sozialer Gerechtigkeit“ und von „Chancengleichheit“ oder „Integration vor Zuzug“. Und sie gibt zu Protokoll: „Ich bin mit Leib und Seele Sozialdemokratin.“

Warum die Töchter in die Privatschule gehen
Ein weiches Bild von ihr als Frau, Ärztin und Mutter will sie sich jedenfalls nicht verpassen lassen. Sie sagt: „Also ich weiß nicht, warum Frau, Mutter, Ärztin weich sein sollte. Also ich empfinde Frau, Mutter und Ärztin durchaus kompatibel mit durchsetzungsstark, ich sehe da keine Zuteilungsbewertung.“ Als Mutter von zwei Kindern stelle sie auch ein anderes Bild dar, „nämlich das von der Vereinbarkeit von Beruf und Familie“.

Dass ihre beiden Töchter auf Privatschulen gehen, dafür hat sie natürlich eine Erklärung: „Ich bin 2011 aus Israel binnen drei Monaten als Expertin ins Ministerium geholt worden. Ich musste innerhalb von ein paar Wochen einen Schulplatz für meine erste Tochter finden, und für mich war immer klar, dass ich eine ganztägige Schulform brauche, sonst kann ich Familie und Beruf als Sektionschefin nicht unter einen Hut bringen.“

Der Rest des Interviews mit Pamela Rendi-Wagner lässt sich im Schnelldurchlauf erzählen: Auf die Frage, ob sie mit Kern Mitleid habe, sagt sie: „Absolut nicht.“ Rendi-Wagners Befund zu Bundeskanzler Kurz: „Ich schätze ihn als wirklich ausgezeichneten Parteimanager.“ Und ob die neue SPÖ-Chefin den Wiener Bürgermeister Michael Ludwig mag, beantwortet Rendi-Wagner so: „Ich kenne Michael Ludwig noch nicht so lange.“

Claus Pándi, Kronen Zeitung/krone.at

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