Eine der ältesten Fußwallfahrten Österreichs führt über vier Heilige Berge in Kärnten und findet jedes Jahr am zweiten Freitag nach Ostern statt. Die „Krone“ geht die rund 50 Kilometer lange Strecke in diesem Jahr mit.
Wie eine Autobahn sieht die Straße auf dem Magdalensberg aus — so viele Lichter leuchten kurz vor Mitternacht. An diesem 1. Mai sind es aber nicht nur Autos, die sich den Weg nach oben bahnen.
Viel heller scheinen die Stirnlampen der Tausenden Wanderer. Genau zu Mitternacht am Dreinageltag — der zweite Freitag nach Ostern — beginnen sie ihre Fußwallfahrt über vier Berge hier, am Magdalensberg. Wer den Vierbergelauf dreimal zu Ende geht, so heißt es, der kommt in den Himmel
Bis zu 7000 Menschen wandern mit
Nach der Mitternachtsmesse geht es los, Schuhe werden geschnürt, Nasen geputzt, Wasserflaschen aufgefüllt. Über Wanderwege, Wiesenpfade und Straßen strömen wir aus, zwischen den Sportlern Gläubige, Landjugenden, Schulen. Die Gesellschaft ist abgebildet: Kinder, Pärchen, Senioren, Freundesgruppen, Familien, mit oder ohne Hund; alle sind beim Vierbergelauf, der längst keine rein religiöse Veranstaltung mehr ist, willkommen. Jedes Jahr wandern bis zu 7000 Menschen vom Magdalensberg über den Ulrichs- und Veitsberg bis zum Lorenziberg.
„Keine Ahnung, was der richtige Weg ist“, sagt eine Wanderin beim Abstieg. Ist auch egal: Weiter geht‘s den Massen hinterher, wir können die Richtung gar nicht verfehlen und lassen uns treiben, es geht schwungvoll dahin.
Gegen 1.30 Uhr ist es schon gedrängt bei der ersten Pausenstation — dem Gasthof Fleißer am Zollfeld. Da werden Brote ausgepackt, Bananen verspeist, Blasenpflaster ausgeteilt. Erste Biere gehen über die Theke, an manchen Tischen wird mit Schnaps angestoßen. Wer nicht im Wald war, stellt sich hier vor dem WC an.
Mit Berglerlaub von Berg zu Berg
Die nächste Hürde: der Ulrichsberg! Wegen seines steilen Anstiegs von vielen Vierbergeläufern gefürchtet, zeigt er sich heute besonders hartnäckig. Der Weg nach oben zieht sich, das Schnaufen der Leidensgenossen macht es nicht leichter. Doch die Jause — hartgekochte Eier, Brot, Käse und Schinken — lockt nach oben und schmeckt dann hervorragend. In der Kirchenruine ein Holz aus Birkenstämmen, darum herum Efeublätter.
Einer der Bräuche auf der Fußwallfahrt ist es, auf dem Weg Berglerlaub zu sammeln, das zu Hause seinen Schutz entfalten soll: Vom Magdalensberg wird Bärlapp („Krahfuaß“), vom Ulrichsberg Efeu, vom Veitsberg Fichte und vom Lorenziberg Wacholder mitgenommen.
Vierbergelauf 2025: Halbzeit
Wie zur Belohnung für die bisherige Anstrengung beginnt die Sonne aufzugehen, als wir den Ulrichsberg hinter uns lassen. Begleitet von immer lauterem Vogelgezwitscher färbt sich der Nachthimmel zuerst tiefrot, dann orange, immer gelber und wird hellblau. Die umliegenden Felder dampfen, Tautropfen lassen die Idylle fast kitschig wirken. Fast!
Was den Kitsch durchbricht, passiert in Zweikirchen und St. Leonhard: Bei der gut gelaunten Freiwilligen Feuerwehr Zweikirchen und wenig später beim Geflügelbetrieb Wech warten die berühmt-berüchtigten Leberkässemmeln. Ein motivierter Wallfahrer erzählt gar, er hätte einmal vier davon gegessen!
Von großem Glück und erfüllten Wünschen
Ohne Leberkässemmel, dafür umso motivierter starten wir die Etappe auf den dritten Berg. Der Voitsberg ist sehr steil, doch die Sonne strahlt vom wolkenlosen Himmel und spornt uns an. So schnell es auf den Wegen und Wiesen beim Wandern heiß wird, so angenehm kühl ist es im Wald. Entlang des Trampelpfades blitzen Vergissmeinnicht blau zwischen dem satten Grün und auf der letzten Wiese vor der Filialkirche rasten fleißige Wanderer aus. Sie liegen in Grüppchen auf der Weide, jausnen, ratschen, bewundern das Panorama. Wir legen keine Pause ein, denn wir hören schon das Glockenläuten.
Die Kirche, die mitten im Wald steht, ist seit 500 Jahren urkundlich bekannt. Dreimal im Uhrzeigersinn um die Kirche zu gehen, bringt Glück – und bei so vielen, die das machen, muss heuer ein besonders glückliches Jahr sein. Wer das Seelenglöcklein läutet, dem soll außerdem ein Wunsch erfüllt werden!
Rettungshubschrauber im Einsatz
Laut ersten Informationen gab es einen medizinischen Notfall. Wie die Landespolizeidirektion bestätigte, flog der C11 Rettungshubschrauber los. Zwischen Zweikirchen und dem Veitsberg (dritter Berg) musste der Hubschrauber in der Nähe des Haidensees einen Einsatz durchführen. Nähere Details sind noch nicht bekannt.
Unser Wunsch nach einer relativ beschwerdefreien Wanderung geht in Erfüllung. Bei der ersten Labestation nach dem Veitsberg gönnen wir uns ein Stück Reindling und ein Stück Marmorkuchen — eine verdiente Belohnung. Ruckzuck sind wir von dort am letzten Berg, dem Lorenziberg. Vorbei gelb-weißen Wiesen, bereits gemähten Weiden, über kleine Bäche, vorbei an Schafen, Kühen, Pferden, Hühnern.
Unterwegs am Wegesrand immer mehr Kinder, die mit ihren geflochtenen Körben auf Süßigkeiten warten.
Große Gefühle nach der Wanderung
Dann, um 11.45 Uhr der „Zieleinlauf“: Schon von weitem hörten wir die Glocke der Lorenzibergkirche läuten, dann endlich erspähten wir sie und kurz vor 12 Uhr stehen wir davor. Rund 50 Kilometer liegen hinter uns. Die Wanderer fallen sich hier gegenseitig in die Arme, stoßen auf ihren Erfolg an, lachen — ganz egal, welcher Beweggrund sie über den Magdalensberg, Ulrichsberg und Veitsberg auf den Lorenziberg brachte; ganz gleich, wie langsam oder schnell sie dabei waren und wie viele Messen und Andachten sie unterwegs besuchten; diese alte Fußwallfahrt birgt auch heute noch die gleich starken Emotionen in sich, wie sie es vermutlich vor mehr als 500 Jahren tat.
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