Wiege der Menschheit

Äthiopien - Wo Engel Kirchen bauten

Reisen & Urlaub
15.08.2018 08:00

Äthiopien ist eines der ältesten christlichen Länder der Welt. Die Wiege der Menschheit, am Horn von Afrika, bietet alte Klöster und Kirchen, freundliche Menschen sowie köstlichen Kaffee und Honig.

Nach nur sechs Stunden Flug landen wir in Addis Abeba. Die Hauptstadt Äthiopiens ist näher, als man denkt - und dennoch blicken wir auf eine völlig andere Welt: Es riecht nach Weihrauch und frisch geröstetem Kaffee. Frauen in bunten Kleidern ziehen an uns vorbei. Sie tragen schwere Holzbündel auf ihren Rücken. Viele Kilometer weit und über beschwerliche Wege.

Abebe Abiye begrüßt uns bei der Ankunft in perfektem Deutsch. Unser Guide ist der Sohn einer großen Bauernfamilie und eines von neun Kindern - und ein Beispiel dafür, dass sich das Land in einem Wandel befindet und die Chance auf Bildung kein unerreichter Traum mehr bleiben muss.

Addis Abeba mit seinem Flughafen Bole ist zum größten Drehkreuz Ostafrikas für den Luftverkehr - vor allem für die heimische Fluglinie Ethiopian Airlines - geworden. In der Hauptstadt zeigen sich extreme Gegensätze: Armut und Reichtum liegen nah beieinander. Moderne Hotels und Hochhäuser ragen neben alten kargen Wellblechhütten gen Himmel. Es gibt nur wenige ausgebaute Straßen. Wer von ihnen abkommt, landet auf erdigen Pisten. Die Stadt platzt aus allen Nähten und verzeichnet bereits vier Millionen Einwohner. Das Wirtschaftswachstum der Stadt wird hauptsächlich von Investoren aus China und Indien unterstützt.

Auf dem Mercato, dem größten Markt in Afrika, tummeln sich Tausende Menschen. Hier gibt es die absurdesten Produkte. Matratzen, Altmetall, Kleidung, Billigwaren und blaue Plastiktonnen stapeln sich meterweit übereinander. Der Weg ist beschwerlich: Es geht durch staubige, schmale Gassen knapp vorbei an Bussen, Autos, Lkw, Eseln und Ziegen.

Im ländlichen Raum sind die meisten Einheimischen Bauern. Sie leben von Ackerbau und Viehzucht - geprägt von uralten Traditionen. Die Armut hier ist noch immer groß. Menschen wohnen in Lehmhäusern, in sehr einfachen Verhältnissen. „Den Einheimischen geht es hier nicht schlecht, sie haben Zugang zu Wasser und allem, was sie zum Leben brauchen“, erklärt uns Abebe. Es wird allerdings empfohlen, Kindern kein Geld zu geben, weil diese, statt die Schule zu besuchen, ihren Lebensunterhalt mit Betteln verdienen würden.

Äthiopiens Einwohner setzen sich aus unterschiedlichen Völkern zusammen, und das Land bietet eine Vielfalt an Kulturen. Bis heute gehören etwa 40 Prozent der Äthiopier der orthodoxen Kirche an, ebenfalls so viele bekennen sich zum Islam. Schon unsere Vorfahren sollen von hier stammen: Dank Lucy, die vor über drei Millionen Jahren hier gelebt haben soll, gilt das Land als Wiege der Menschheit. Ihre 47 Knochen liegen im Nationalmuseum in Addis Abeba. In der Landessprache Amharisch heißt sie Dinknesh, übersetzt: Du Wunderbare.

Finanziell ist Äthiopien noch immer eines der ärmsten Länder der Welt, an Kulturschätzen und Gastfreundschaft jedoch reich. Das Land ist fest davon überzeugt, im Besitz einer legendenumwobenen Reliquie zu sein: der Heiligen Bundeslade mit den Zehn Geboten. Sie soll in einer Kapelle in Auxum liegen - sehen darf sie jedoch niemand. Die Äthiopier sind ein tiefgläubiges Volk.

Die eindrucksvollen Felsenkirchen in Lalibela wurden aus der umgebenden Basaltlava herausgearbeitet und sollen das zweite Jerusalem darstellen. 1250 ließ König Lalibela die elf Gotteshäuser erbauen. Engeln sollen ihm der Legende nach dabei geholfen haben. Sie wurden von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt und gehören zu den größten von Menschen aus Stein gehauenen Strukturen. Die bis zu zehn Meter hohen Kirchen sind durch enge unterirdische Tunnel und Höhlen miteinander verbunden. Vor dem Betreten der Kirche ziehen wir die Schuhe aus. Man spürt die Macht der Religion. In den Kirchen zeigen bunte Wandmalereien biblische Geschichten. Die bildhafte Darstellung ist ausgerichtet für Menschen, die nicht lesen und schreiben konnten. Die noch am besten erhaltene Felsenkirche ist Bet Giyorgis. Sie erhebt sich mit ihrem kreuzförmigen Grundriss aus einer tiefen Schlucht und soll die Arche Noah symbolisieren.

Wer in Lalibela einen Gottesdienst miterlebt, wird von einem besonderen Zauber ergriffen. Schon in den frühen Morgenstunden sind Tausende Menschen unterwegs. Es wird gesungen, Priester in weißen und Mönche in leuchtend gelben Gewändern wandern durch die belebten Gänge. Der Ort strahlt eine starke Spiritualität aus. Mehrere Stunden dauert der Gottesdienst, immer wieder begleitet durch rhythmische Trommelschläge.

Stolz ist Äthiopien besonders auf seinen Kaffee. Die besten Bohnen der Welt sollen von hier kommen. Die Zubereitung wird zelebriert und die Kaffeekultur hochgehalten: Auf einem Metallteller erhitzt eine Frau noch grüne Bohnen, stampft sie, gießt kochendes Wasser darüber und serviert ihren Gästen in kleinen bunten Porzellantassen den fertigen Kaffee. Übrigens: Honig genießt hier ebenfalls hohe kulturelle Bedeutung. Der Geschmack vieler Sorten ist überaus wohlschmeckend.

Die Äthiopische Küche ist ziemlich scharf. Ihre Spezialität heißt Injera. Das ist ein gesäuertes Fladenbrot, das in Gemüse-Dals getunkt gegessen wird. Obwohl Alkohol teilweise verpönt ist, gibt es gutes Bier und guten Wein. Das Wasser aus der Leitung sollte allerdings nicht getrunken werden!

Unsere Reise führt uns nicht nur in ein anders Land, sondern auch in eine andere Zeitrechnung. Der Tag beginnt und endet mit der Sonne. Hier hat ein Jahr 13 Monate. In Äthiopien gilt der Julianische Kalender: Dieser hat zwölf Monate zu je 30 Tagen und einen Monat mit fünf bzw. sechs Tagen und liegt gegenüber unserem Gregorianischen Kalender um knapp acht Jahre zurück! Als der Abend dämmert, endet auch unser Tag mit vielen wundervollen Eindrücken.

Weitere Reiseberichte über Äthiopien finden Sie HIER und HIER.

Sonja Jakubowics, Kronen Zeitung

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