Islam-Verbote

Schweiz: Nach dem Minarett kommt jetzt die Burka dran

Ausland
30.11.2009 21:51
Nach der überraschenden Entscheidung der Eidgenossen für ein Minarett-Verbot wollen die konservativen Schweizer Parteien das Klima in der Bevölkerung offenbar für weitere Feldzüge gegen islamische Symbole ausnützen. Die Christliche Volkspartei (kurz: CVP) will jetzt schnell die Burka, die Ganzkörperverhüllung für Frauen, in der Schweiz verbieten lassen. Und das, obwohl die Partei gegen das Minarett-Verbot Stimmung gemacht hatte.

Die Schweizer haben am Sonntag mit 57,5 Prozent für einen Verfassungszusatz zur Untersagung von Minarett-Bauten gestimmt. Hinter der Initiative stand die mit einem Sitz in der Schweizer Regierung ("Bundesrat") vertretene rechtsbürgerliche Schweizer Volkspartei, die SVP. Von den 7,5 Millionen Einwohnern der Schweiz sind 400.000 Muslime. Derzeit stehen vier Minarette in der Eidgenossenschaft, die auch nach dem Referendum bleiben dürfen.

Für Minarette, gegen die Burka
Die Burka sei "gleichbedeutend mit islamischem Fundamentalismus", sagte CVP-Parteichef Christophe Darbellay der "Basler Zeitung". Zwar gibt er zu, dass es nur wenige Burka-Trägerinnen in der Schweiz gibt. "Aber man verbietet etwas lieber zu früh als zu spät", so der Christdemokrat, der auch Kopftücher bei Frauen in offiziellen Funktionen verbieten will. Auch die SVP hatte im Vorfeld der Minarett-Abstimmung ein Burka-Verbot artikuliert.

Interessant ist, dass die CVP vor dem Referendum am Sonntag Stimmung gegen ein Minarett-Verbot machte. "Ein Bauverbot von Minaretten hat in der Verfassung nichts zu suchen. Mit Ihrer Ablehnung der Anti-Minarett-Initiative setzen Sie ein klares Zeichen gegen die Diskriminierung von Minderheiten", hatte Darbellay auf der Website der CVP verkünden lassen. Die Christdemokraten fordern aber, dass Moscheen für alle Schweizer frei zugänglich sein müssen und Imame in der Landessprache predigen sollen. 

Am Montag hieß es, man könne sich nicht vorstellen, dass "die Annahme der Anti-Minarett-Initiative tatsächlich gegen den Bau von Minaretten gerichtet ist". Vielmehr bestünden Ängste in der Bevölkerung dem religiösen Fundamentalismus gegenüber.

Ausländische Regierungen kritisieren Verbot
Die Schweizer Politik musste am Montag massive Kritik vonseiten ausländischer Regierungen einstecken. Lob gab es meist nur von den rechten Oppositionsparteien. Frankreich verurteilte das Referendum als einen "Ausdruck von Intoleranz". Die Türkei sprach von einem "Sieg der Islamophobie". Während die EU-Kommission jeglichen Kommentar zur Entscheidung des "souveränen Drittstaates" Schweizer verweigerte, nahmen sich EU-Minister kein Blatt vor den Mund. "Ich finde es ein bisschen seltsam, so etwas per Referendum zu entscheiden. Wie hoch ein Gebäude sein soll und ob es errichtet werden darf, ist eine Frage für Stadtplaner", sagte der schwedische Integrationsminister Tobias Billström. 

Österreichs Innenministerin Maria Fekter sagte, man werde sich das Referendum "ansehen", verwies aber darauf, dass in Österreich "grundsätzlich Religionsfreiheit" herrsche. Auf der anderen Seite "obliegt die Entscheidung, inwieweit Minarette ins Landschaftsbild passen, der Raumplanung" und damit den Bundesländern. 

UNO prüft Rechtskonformität
Die Vereinten Nationen untersuchen jetzt, ob das vom Schweizer Stimmvolk verabschiedete Minarett-Verbot mit internationalem Recht vereinbar ist. Experten seien daran, den Fall zu prüfen, sagte ein Sprecher des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte.

Die UNO werde zum Entscheid des Schweizer Souveräns Stellung nehmen, sagte der Sprecher gegenüber der Nachrichtenagentur SDA, ohne den genauen Zeitpunkt zu nennen. Schon während der Abstimmungskampagne hatten UNO-Experten die Schweizer Bundesbehörden mehrfach über den diskriminierenden Charakter eines Minarett-Verbots gewarnt.

Befürwortung in migrationsarmen Gegenden am höchsten
Die Schweizer Medien analysierten das Referendum indes bis ins kleinste Detail. Auffällig sei, dass nur in den französisch-sprachigen Kantonen Waadt, Neuenburg und Genf sowie in der Stadt Basel gegen das Verbot gestimmt wurde. Kommentatoren stellten verwundert fest, dass gerade dort, wo prozentual die meisten Muslime wohnen, der Anteil der Verbot-Gegner am größten war. Dies gelte auch für die Minarett-Stadt Zürich. Die Zeitung "Blick" schreibt bissig, der Kanton Appenzell-Innerrhoden in der Deutschschweiz, wo "gerade mal" 500 Muslime lebten, habe das Bauverbot jedoch angenommen - mit fast 64 Prozent.

Es sei eben nicht in erster Linie darum gegangen, ob nun "eine Moschee ein Türmchen" haben dürfe oder nicht. Den Initiatoren der Vorlage - und damit auch der nun wieder siegreichen national-konservativen Schweizerischen Volkspartei - sei es gelungen, die Diskussion über das Baurechtliche hinaus auszuweiten, "nämlich auf die Scharia, die Unterdrückung der Frau, die Genitalverstümmelungen und auf Zwangsehen". 

Ergebnis mangelnden Selbstwertgefühls?
Die der Regierung unerwartet an den Kopf geknallte Volksmeinung könnte nach Ansicht vieler Beobachter aber auch eine Folge eines mangelnden Selbstwertgefühls der Schweizer sein. Sie seien jedenfalls in den vergangenen Jahren über die Maßen ihrer Nationalwerte beraubt worden, wie etwa der Swissair, des Stolzes der Großbank UBS oder zuletzt des Bankgeheimnisses. Und stets hätten die Regierungen eine wenig glückliche Hand dabei gehabt.

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