Bereit abzuheben?

Hinter den Kulissen des Flughafen Schwechat

Reisen & Urlaub
21.07.2018 09:00

Wie kommt der Koffer in die Maschine? Wer sind die Menschen in den Uniformen? Ein Blick hinter die Flughafenkulissen vor der Hauptreisezeit.

Auf und davon! Freiheit statt Fernweh. Die Faszination Fliegen übt seit jeher eine spezielle Anziehungskraft auf uns aus. Wovon Dädalus und Ikarus noch träumten, ist längst Realität. Doch das Funkeln in den Kinderaugen beim ersten Blick in ein Cockpit ist geblieben. Aber was ist übrig von der vielbesungenen Freiheit über den Wolken in Zeiten von Billig-Airlines und schikanösen Gepäcksbestimmungen wegen Terrorfurcht? Wie heben wir heute ab?

Ein Hochsommernachmittag in Wien-Schwechat.
Es ist schwül, die Luft zum Schneiden; doch sobald sich die Glastüre öffnet, sorgt die Klimaanlage für angenehme 21 Grad. Jennifer Hribar (23) aus dem Burgenland freut sich auf drei Tage in London und stellt sich mit ihrem Rollkoffer vorm Schalter an - endlich Urlaub! Beim Check-In wird sie von AUA-Mitarbeiterin Prisca Kohut begrüßt, die üblichen Fragen, dann saugt das Abzugsband den Koffer durch den Gummivorhang in den für Passagiere uneinsehbaren Flughafenschlund - und unsere Reise hinter die Kulissen beginnt.

„Jedes Objekt wird in einem vierstufigen Verfahren kontrolliert“
Bevor das Gepäckstück die Fahrt durch die labyrinthartige Sortieranlage im Terminal 3 aufnimmt, wird der zuvor aufgeklebte Barcode mit einem Scanner registriert. Es rattert und knattert, aber wenn der Koffer auf einer der 1602 Kippschalen des Fließbandes liegt, läuft alles wie am Schnürchen. „Jedes Objekt wird in einem vierstufigen Verfahren kontrolliert“, erklärt Kathrin Hanzl vom Airport. Mit Röntgenstrahlen wird alles durchleuchtet, ein Detektor erkennt Sprengstoffspuren. Bei Verdachtslagen kommt es zur Nachkontrolle der Bildschirmfotos. Bei der Stufe 3 wird der Koffer durch einen Roboter elektronisch gewendet. Wenn es dann immer noch keine Entwarnung gibt, kommt es zur „Zusammenführung von Passagier und Gepäck“. Sprich, der Besitzer muss es im Beisein der Polizei öffnen. Dass aufgegebene Taschen von Securitys ohne Wissen des Eigentümers geknackt werden, ist also ein Ammenmärchen. Geht alles nach Plan, wandert der Koffer von der oberen Etage bis hinunter zum Rollfeld, wo er dann von der Ladergruppe in die gelben Wagerln gehievt wird.

Die Sicherheitskontrolle
Inzwischen ist unsere junge Burgenländerin bei der Kontrolle angelangt, geht durch die Schleuse. Visitiererin Sabrina Nemeth nimmt sie unter die Lupe - alles okay! „Aber wir hatten auch schon Passagiere, die einen Akkuschrauber in der Handtasche mitnehmen wollten“, schmunzelt die Niederösterreicherin. Ihr Chef bringt sich ein und ergänzt: „Auch eine Motorsäge war dabei - und einmal wollte ein Bursche eine Vogelspinne durchschmuggeln.“ Auch Urnen werden immer wieder entdeckt - das Mitnehmen der Asche von Verstorbenen ist übrigens nicht verboten, wenn es eine Genehmigung gibt. Prinzipiell gilt: Alles, was eine Klingenlänge von sechs Zentimetern überschreitet, muss dableiben. Die gute Nachricht: Für Utensilien mit besonderem ideellem Wert (also z. B. der in dritter Generation vererbte und im Rucksack vergessene Hirschfänger) wurde eine Service-Stelle eingerichtet. Solche Dinge können dann gegen Gebühr nachgeschickt oder deponiert werden.

Im Gegensatz zu vielen Airports kann man fast immer die Schuhe anlassen. Wenn der Detektor anschlägt oder die Absätze besonders hoch sind, kommt ein neuer Schuh-Scanner zum Einsatz - oder man entledigt sich eben doch kurzfristig der Treter. Grund für Fußpilz-Alarm besteht nicht, für diesen Fall liegen hygienische Einwegsackerln parat.

In der Sicherheitszentrale laufen alle Fäden zusammen
Im Leitstand sind 80 Mitarbeiter rund um die Uhr beschäftigt. 108 Monitore zeigen Live-Bilder, 2500 Kameras werden von hier gesteuert. Alle Zugänge sind elektronisch bedienbar. Doch was ist, wenn der Strom ausfällt? Ist ein Mega-Chaos wie jüngst in Hamburg auch bei uns möglich? Die verantwortliche Mannschaft schüttelt die Köpfe. Es wird auf Diesel-Notaggregate verwiesen und die Tatsache, dass „VIE“ an den Netzen von zwei Bundesländern hängt: Wien und Niederösterreich. Ganz nach dem Motto: Doppelt hält besser.

Schauplatzwechsel zum Gate
Das gebannte Warten aufs Boarding hat begonnen. Darf man direkt über die Andockstation in die Maschine, oder ist vorher eine unfreiwillige Bustour angesagt? Wovon hängt das eigentlich ab? Austrian-Expertin Sandra Bijelic verweist darauf, dass es einfach nicht genügend Stationen für alle gibt. „Und bei Propellermaschinen geht es schon alleine wegen der Höhe nicht.“ Bei AUA-Langstreckenverbindungen geht es aber immer direkt „durch den Schlauch“ an und von Bord.

Auf der Piste herrscht hektische Betriebsamkeit
Ramp Agent Stefanie Veith ist hier die Chefin und hat alles und alle im Griff: die Betankung, das Auffüllen der Wassercontainer, die Catering-Anlieferung, Luftpost. Vielleicht muss auch noch ein Hundekäfig im speziell klimatisierten Teil des Rumpfes versorgt werden. Während der Putztrupp eifrig schrubbt und neue Nackentücher auf den Sitzen anbringt (sie werden immer getauscht!), kontrolliert die 28-Jährige die auf den Flügeln angebrachten Blitzableiter, die aussehen wie Mini-Antennen. Dann folgt der obligatorische Rundgang um die Boeing 747 800 „Südtirol“. Über Kopfhörer ist Veith mit dem Kapitän verbunden. Daumen hoch! Dann schiebt der Push-Back-Traktor den Riesenjet, der über keinen Retourgang verfügt, zur Startbahn. Wenn die Maschine auf dem Rollfeld eine - tatsächlich markierte - rote Linie überschreitet, geht die Verantwortung vom Airport auf die AustroControl über.

Frau Hribar hat einen Fensterplatz ergattert. Einmal noch der Blick aus dem Fenster, die Sonne steht schon tief. Sie schließt die Augen und denkt an London. Der Traum vom Fliegen. Wir wünschen eine gute Reise!

Gregor Brandl, Kronen Zeitung

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