Eingebauter Defekt

Gutachten bestätigt “geplanten Produktverschleiß”

Elektronik
20.03.2013 11:55
Gibt es Geräte mit einem eingebauten Ablaufdatum? Ende Jänner hatte der VKI angekündigt, dieser Frage auf den Grund zu gehen, und zu diesem Zweck eine Online-Umfrage gestartet. Während die Ergebnisse aus Österreich noch auf sich warten lassen, kommt eine Studie der Grünen-Bundestagsfraktion in Deutschland bereits zu einem eindeutigen Ergebnis: Die sogenannte geplante Obsoleszenz gibt es demnach tatsächlich. Immer häufiger bauen die Hersteller bewusst Schwachstellen und Material minderer Qualität ein, damit ihre Produkte schneller verschleißen oder kaputt gehen, so das Ergebnis der Studie.

Laut Verbraucher-Experte Stefan Schridde, Gründer der Plattform "Murks? Nein danke!", und dem promovierten Volkswirt Christian Kreiß, die für die Grünen das Gutachten erstellten, steckt dahinter System. Hersteller von elektronischen Geräten wie Druckern, Kopfhörern, Waschmaschinen oder Elektrozahnbürsten sorgten immer häufiger für Schwachstellen in ihren Geräten und verkürzten dadurch die Lebenszyklen der Produkte.

So würden Hersteller etwa Bauteile verwenden, die einen frühzeitigen Defekt auslösten oder technische Tricks anwenden, um die Nutzungsdauer eines Gerätes zu verkürzen. Die Studie führt zur Untermauerung der Vorwürfe zahlreiche Produkte auf, bei denen die Industrie täuschen oder tricksen soll.

Verklebte und nicht austauschbare Komponenten
Bei Druckern beispielsweise würden Zähler eingebaut, die nach einer bestimmten Anzahl von gedruckten Seiten das Gerät lahmlegen. Stelle man den Zähler zurück, funktioniere das Gerät wieder einwandfrei. Elektrozahnbürsten enthielten hingegen oftmals Akkus, die nicht ausgewechselt werden könnten und deren Ladefunktion rasch erschöpft sei. Reparaturen werden der Studie nach auch bei Laptops dadurch erschwert und verteuert, dass Gehäuse und eingebaute Komponenten oft miteinander verklebt sind.

Bei Kopfhören wiederum seien Kabelbrüche wegen minderwertiger Verarbeitung an den Verbindungsstellen selbst bei normaler Nutzung inzwischen der Normalfall, zitiert die "Saarbücker Zeitung" aus dem Gutachten. Und bei Waschmaschinen zählten kaputte Heizstäbe wegen Materialermüdung mittlerweile zu den häufigsten Reparaturfallen. Von der geplanten Obsoleszenz betroffen sind demnach aber nicht nur Elektronikprodukte, sondern zum Beispiel auch Reißverschlüsse, Schuhsohlen, Textilien, Bürostühle oder Türgriffe, was zur Folge habe, das oftmals gleich die ganze Tür ausgetauscht werden müsse.

"Leidtragende sind die Konsumenten"
Die Leidtragenden sind dem Gutachten zufolge die Kunden, die in immer kürzeren Abständen neue Produkte kaufen müssten. Der künstliche Verschleiß koste sie mehrere Milliarden Euro im Jahr. Für die Grünen-Politikerin Dorothea Steiner eine "Schweinerei", zumal der frühzeitige Verschleiß "auch immense Müllberge" verursache. Die verbraucherpolitische Sprecherin der Fraktion, Nicole Maisch, fordert daher eine zügige Überarbeitung des Gewährleistungs- und Garantierechts. Es brauche zudem klare Vorgaben für die Reparierbarkeit und Austauschbarkeit von Einzelteilen.

Anfänge des "geplanten Murks" in den 1920er-Jahren
Das Wort Obsoleszenz kommt übrigens aus dem Lateinischen (von obsolescere‚ sich abnutzen, alt werden, aus der Mode kommen). Als einer, der die geplante Obsoleszenz praktisch erfunden hat, gilt Alfred P. Sloan. Der General-Motors-Präsident ließ in den 1920er-Jahren an den Automobilen seiner Firma jährlich Stiländerungen vornehmen. Das Baujahr war am Design abzulesen, das Vorjahresmodell wirkte aus der Mode gekommen, obsolet, die Kunden wurden zu einem vorzeitigen Neukauf angeregt, GM wurde Marktführer.

Bessere Haltbarkeit nur unwesentlich teurer
Der Grund für "geplanten Murks" ist naheliegend: Unternehmen wollen neue Waren absetzen. Der Einwand der Hersteller, dass die Verwendung minderwertiger Werkstoffe ihren Ursprung in der Geiz-Mentalität vieler Kunden habe, ist jedoch oftmals fadenscheinig: "Hochwertige Komponenten kosten nur wenige Cent mehr, damit würde sich fast jedes elektronische Produkt höchstens um einen Euro verteuern, aber fünf bis zehn Jahre länger halten", hielt das Magazin "Öko-Test" bereits vergangenen Herbst fest.

Es sind aber nicht immer billige Kleinteile, die für geplante Obsoleszenz sorgen. "Öko-Test" nennt als weiteres Beispiel das Kultobjekt iPhone: An diesem Handy suche man vergebens die Klappe, hinter der sich der Akku verbirgt. "Er ist fest eingebaut. Damit bestimmt die Lebensdauer des Akkus die Lebensdauer des gesamten Geräts. In der Regel überstehe ein Akku 500 Ladezyklen; er hält bei einem Smartphone, das alle ein bis zwei Tage ans Netz muss, also rund zwei Jahre – so lange wie der Vertrag zum Handy." Ist man technisch nicht versiert genug, ist dann der Gang zum Fachmann angesagt, der zwischen 30 und 40 Euro für den Umtausch verlangt.

Verbraucherschützer fordern "Pflicht zur Reparatur"
Viele elektrische Geräte seien inzwischen so klein und kompakt geworden, dass der Tausch ganzer Komponenten nicht vorgesehen sei. Außerdem kämen immer häufiger für einzelne Hersteller typische Bauteile zum Einsatz, die im Handel nicht erhältlich sind. Alles mutiere dadurch zu Wegwerfartikeln, in Fernost billig hergestellt, zu Niedrigstpreisen auf den Markt geworfen, nach dem absehbaren Defekt nicht mehr reparierbar. "Dabei werden bewusst Rohstoffe und Ressourcen verschwendet", so die Konsumentenschützer.

Die Politik könnte Abgaben auf den Verbrauch von Ressourcen einführen und Öko-Zölle, die nicht nachhaltig produzierte Waren verteuern würden. Anderer Ansätze wären eine Verlängerung der Gewährleistungsfrist oder eine "Pflicht zur Reparatur". Ob diese rechtlich durchzusetzen wäre, sei allerdings unklar.

Hundstorfer warnt vor "geplantem Produktverschleiß"
Auch Konsumentenschutzminister Rudolf Hundstorfer hatte erst Anfang März vor einem "geplanten Produktverschleiß" gewarnt. Der Verdacht, dass Produkte vorsätzlich so gestaltet würden, dass Reparaturen unmöglich bzw. unwirtschaftlich seien, scheine sich zu erhärten, sagte der Minister und berief sich dabei auf Verbraucherorganisationen, die zunehmend mit Beschwerden von Konsumenten konfrontiert seien.

Handel weist Vorwurf zurück
Wolfgang Krejcik, Obmann des Bundesgremiums Elektro- und Einrichtungsfachhhandel der Wirtschaftskammer Österreich, wies die Anschuldigungen, wonach die Elektrobranche Produkte mit bewusst eingebauten Schwachstellen verkaufe und damit die Konsumenten vorsätzlich täusche, zurück. Beim Kauf eines Markenprodukts könne der Kunde sicher sein, "bewährte Qualität mit hoher, ja höchster Lebensdauererwartung zu erwerben", so Krejcik.

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