Web-Überwachung

Internes Protokoll: Vorratsdaten ein “Stasi-Gesetz”

Web
18.02.2011 12:57
Ein "Stasi-Gesetz" ortet Grünen-Sicherheitsprecher Peter Pilz in den Plänen der Regierung, vor allem der ÖVP, zur Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung. Gestützt auf ein "internes Protokoll", das er allerdings nicht aus der Hand gab, berichtete Pilz am Freitag über koalitionäre Gesetzesbegehren, die das freie Internet praktisch abschaffen würden - vom "Spitzelmonopol" für die Polizei bis zur Auslieferung heimischer Internetuser an die internationale Copyright-Lobby.

Pilz begründete seine Kritik sowohl auf den Entwurf des Infrastrukturministeriums von Doris Bures als auch auf das interne "Protokoll" der Verhandlungen zwischen den drei Ressorts Inneres, Justiz und Infrastruktur. Aus dem "Protokoll" habe er jedenfalls umfassende Wünsche der ÖVP-Ministerien Inneres und Justiz entnommen: Das Innenministerium wolle bereits Datenauskünfte an die Polizei, wenn bloß die "Gefahr" einer Straftat bestehe, und fordere den "uneingeschränkten Zugang" der Polizei zu IP-Adressen ohne Richterkonsultation und damit ohne jeglichen Rechtsschutz für die Betroffenen.

Das Justizministerium wiederum wolle die Formulierung "schwere Straftat" als Voraussetzung für den Zugriff zu Handy- und Internetdaten aus dem Gesetz haben und außerdem weiterhin urheber- und zivilrechtliche Delikte im Gesetz verankern, sagte Pilz weiters. Letzteres hatte Justizministerin Claudia Bandion-Ortner nach außen hin allerdings schon als "vom Tisch" bezeichnet.

"Ausschalten der richterlichen Kontrolle"
Doch abgesehen von den angeblichen ÖVP-Plänen übte Pilz auch im Entwurf des Infrastrukturministeriums Kritik an zahlreichen Punkten. Der Strafrahmen ab einem Jahr für Delikte würde vor dem Europäischen Gerichtshof nicht halten, ist er sich sicher. Dass die Anordnung der Staatsanwaltschaft für den Datenzugriff durch die Behörden ausreicht, ist nach Ansicht der Grünen "Ausschalten der richterlichen Kontrolle". Dateneinsicht für "präventive Zwecke" käme einem "polizeilichen Geheimzugriff" gleich. Der Rechtsschutz werde ausgehöhlt, weil die vom Zugriff Betroffenen nicht verständigt werden müssten und es bei Stammdatenabfragen keine Begründungspflicht gebe. Bei Gefahr im Verzug wären solche Abfragen sogar mündlich möglich, monierte Pilz.

Alles in allem sei das Gesetzesvorhaben jedenfalls "menschenrechtswidrig", befand Pilz, ein solches Gesetz könne es in der EU sonst nirgends geben. Pilz verwies abschließend noch auf Gefahren für das Redaktionsgeheimnis. Denn "auch die Internetdaten von Journalisten unterliegen diesen Überwachungsvorstellungen".

Koalition kann sich nicht einigen
Die Vorratsdatenspeicherung hätte eigentlich bereits diese Woche vom Ministerrat abgesegnet werden sollen, doch SPÖ und ÖVP hatten sich nicht auf eine gemeinsame Vorlage geeinigt. Während die Volkspartei offenbar eine "Aktion scharf" aus dem Gesetz machen will, verfolgt Verkehrsministerin Doris Bures offiziell eine "Minimalumsetzung" der EU-Richtline.

Die Regierung befindet sich bei dem Gesetz, dass eigentlich schon 2009 umgesetzt werden hätte sollen, in einer Zwickmühle. Wird das Gesetz nicht bald verabschiedet, drohen Österreich Strafzahlungen in Millionenhöhe. Allerdings haben sich mittlerweile mehrere EU-Länder für eine Änderung der Richtline ausgesprochen, allen voran Nachbarland Deutschland. Dass die EU-weite Vorratsdatenspeicherung am Ende zurückgenommen werden könnte, ändert aber nichts an der Gültigkeit der Richtline.

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