Warum gibt es hier keinen Chipstütenhalter und wer hat schon wieder die TV-Fernbedienung verlegt, frage ich mich, während ich bequem im Fahrer-Fauteuil lümmle. Immerhin ist außen links und rechts so etwas wie eine Tafel Schokolade angebracht. Der Cactus ist ein Auto für Leute, denen andere Dinge wichtiger sind als das Autofahren an sich. Da braucht es dann auch keinen Drehzahlmesser, eine Schaltanzeige muss reichen, auch wenn sie nur das Rauf-, aber nicht das Runterschalten ansagt.
Hier sind andere Dinge wesentlich, etwa das komfortable Fahrwerk, das sogar über Kopfsteinpflasterwüsten drüberschwebt. Dass auf der anderen Seite schnelle Kurven etwas schwammig genommen werden und das Geradeausfahren bei Autobahntempo wegen der um die Mittellage völlig gefühllosen Lenkung immer in sanften Wellen vonstattengeht, wird zur Randnotiz.
Währenddessen freut man sich am kreativen Innenraum, der ein wenig wie die Kreuzung aus dem des BMW i3 mit einem Reisekoffer wirkt. So wurden die Türgriffe einem Koffer entlehnt, das geräumige Handschuhfach öffnet sich wie ein solcher, der Deckel erinnert mit seinen Noppen an die Kofferablage eines Hotelzimmers.
Nur ein Haltegriff für den Beifahrer fehlt, d.h. eigentlich fehlt er nicht, denn in diesem Auto rast man nicht, man gleitet. Ein Beispiel für den Verzicht, der als Konzept hinter dem Cactus steht (daher der Name, weil die Pflanze so genügsam ist). Citroën will nur bieten, was es wirklich braucht, und dadurch Gewicht sparen. Nur 965 kg wiegt das leichteste Stachelpflänzchen, was angesichts der gebotenen Größe sensationell ist, 200 kg weniger als ein gewöhnlicher Citroën C4.
Citroën macht uns einen C3 für einen C4 vor
Diese Leichtgewichtigkeit kommt zum Großteil daher, dass der Cactus nicht auf der Plattform des Citroën C4, sondern auf der des C3 steht, aber es dürfte auch das eine oder andere Stück Dämmmaterial der Waage zum Opfer gefallen sein: Der Dieselmotor des Testwagens brummt vernehmlich, die Türen klingen etwas klapprig, die Heckklappe blechern – einen wirklich soliden Eindruck macht der Cactus bei genauer Betrachtung nicht. Dazu trägt auch das Vibrieren bei, das z.B. im Leerlauf aus dem Armaturenbrett dringt.
Motorisch ist hier aber alles erstklassig: Der 100-PS-Diesel sorgt im 1.165 kg schweren Citroën C4 Cactus BlueHDI 100 mit 254 Nm bei 1.750/min. nach einer Turbo-Gedenksekunde für kräftigen Vortrieb und glänzt mit Genügsamkeit: 5,1 bis 5,5 l/100 km zeigte der Bordcomputer im Testverlauf, wobei mein Arbeitsweg zur Kronen Zeitung in Wien 19 mit hohem A23- und A22-Anteil sogar 3,9 Liter brachte. Im Vergleich zum Normwert von 3,4 l/100 km ist das allerdings trotzdem zu viel.
Das Fünfganggetriebe ist okay zu schalten, ein sechster Gang wäre wünschenswert. Nicht zuletzt deshalb, weil sich dort, wo er dann wäre, hier der Rückwärtsgang befindet – und der hat keine Sperre! Wer also gedankenverloren in den nicht vorhandenen sechsten schaltet, sollte tunlichst vermeiden, die Kupplung kommen zu lassen…
Auch ansonsten muss man sich im Alltag mit einigen Dingen arrangieren, etwa mit den hinteren Ausstellfenstern, der nur im Ganzen und mit einer dicken Stufe umklappbaren Rückbanklehne (eine geteilte Version soll aber nun doch nachgereicht werden), der extrem hohen Ladekante (und dem damit recht schmalen Ladespalt zwischen Kante und Hutablage) oder mit der nach hinten schlechten Übersichtlichkeit. Beim Ausparken aus Schrägparklücken verschwinden hinter der C-Säule ganze Straßenzüge. Die Rückfahrkamera dürfte auch einen besseren Bildausschnitt anzeigen.
Bei der Bedienung wird nicht gespart, hier wendet sich ein alles von der Klima- bis zur Radiobedienung umfassender Touchscreen an die iPad-Generation und folgt der aktuellen Mode. Das Navi kennt allerdings keine Verkehrsmeldungen, hierfür müsste man erst umständlich eine App starten. Eine echte Sensation sind die Frontscheibenwischer mit ihrem integrierten Wasserspender.
Unterm Strich
Der Citroën C4 Cactus bietet – trotz aller Abstriche und Genügsamkeitsansprüche – viel Auto und vor allem viel Design und Anderssein fürs Geld. 13.990 Euro sind der Einstiegspreis; 18.390 Euro der für den 100-PS-Diesel. Der sehr gut und ungenügsam ausgestattete Testwagen kommt auf 22.300 Euro, wobei man dazu sinnigerweise noch ambitionierte 1.200 Euro für die Sitzheizung (inklusive Heizspiegeln) rechnen müsste.
Gute Freunde haben selten die Eigenschaft, perfekt zu sein, das würde sie eher unsympathisch machen. Im Alltag glänzt der Citroën C4 Cactus zwar nicht ganz so wie beim Erstkontakt, aber das Zeug zum Freund der Familie hat er allemal. Als sehr sympathischer Freund der Familie.
Warum?
Warum nicht?
Oder vielleicht …
… Nissan Juke und Mini Countryman irgendwie, aber auch alles aus der Kompaktklasse.
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