Herausforderung 2017

Für die Parteien kein Jahr zum Verschnaufen

Österreich
31.12.2016 21:45

Läuft alles nach Plan, so wird 2017 kein entscheidendes Wahljahr sein. Vorgesehen sind nur die Gemeinderatswahlen in Graz im Februar, die Kür der Gemeinderäte im Burgenland im Herbst sowie lokale Wahlgänge in Waidhofen an der Ybbs und Krems an der Donau (beide NÖ). Wird es damit ein Jahr zum Verschnaufen für die Parteien? Nein, auf keinen Fall!

1. Bundeskanzler Christian Kern ist ein Tierfreund. Er nennt es Hunderennen, wenn Medien zu sehr über Neuwahlen spekulieren. Zoologisch hat der Kanzler unrecht, denn in den USA wird die politische Berichterstattung mit der sich überschlagenden Stimme eines Sportreporters als Pferderennen-Journalismus bezeichnet. Trotzdem ist der Vorwurf manchmal berechtigt und die Lösung einfach: Die Bundesregierung muss liefern. Bringt sie statt Stückwerk taugliche Gesetzesvorhaben auf den Weg, wird 2017 häufiger über Inhalte der Politik geschrieben.

2. Das wahre Problem von Kerns SPÖ sind ihre Landesparteien. Da ist man im kleinen Burgenland groß. In Wien theoretisch auch, allerdings dürften die Flügelkämpfe rund um die Nachfolge Michael Häupls weiter zunehmen. Der Rest ist Schweigen. In Salzburg, Tirol und Vorarlberg bewegen sich die Sozialdemokraten sowohl organisatorisch als auch beim Wählerzuspruch zwischen Klein- und Zwergpartei. Die einst stolzen Roten in Nieder- und Oberösterreich sind ein Torso. Das ist ein Rumpf ohne Kopf, und mangels starker Arme könnten Strategien ohnehin nicht umgesetzt werden. In der Steiermark wird als Beiwagen der ÖVP gewerkt. In Kärnten herrscht ein Irrglaube: Die SPÖ redet sich ein, die Hypo-Schwäche der FPÖ habe etwas mit ihrer Leistungsfähigkeit zu tun.

3. Kern selbst sagte: "Mit dem Funktionärswahlkampf werden wir die nächsten Wahlen nicht gewinnen!" Ein schwacher Trost ist, dass die ÖVP noch mehr schwächelt. Des Vizekanzlers Reinhold Mitterlehner Bundespartei grundelt unter 20%. Mitterlehner bekäme in einer fiktiven Kanzlerwahl weniger als 10%. Das ist unterirdisch. Sogar sein Vorgänger Michael Spindelegger war besser. Zum Glück gibt es keine Kanzlerdirektwahl, also gleichen solche Zahlenspiele der Frage, ob die Katholiken Mitterlehner - er ist ja Chef einer christdemokratischen Partei - zum Papst wählen würden.

4. Im Unterschied zu Franziskus sind freilich Mitterlehners Daten im Vertrauensindex ebenso bescheiden. Kern liegt doppelt so gut, Parteikollege und Außenminister Sebastian Kurz viermal besser. Also hängt Mitterlehners Zukunft am seidenen Faden. Er kann vielleicht Parteichef bleiben, doch beim Spitzenkandidaten geht's darum, wann Kurz übernimmt. Sonst laufen bürgerliche Wähler davon: Im ländlichen Raum zur FPÖ und in kleineren und größeren Städten auch zu den Grünen oder NEOS.

5. Ist im Umkehrschluss für Heinz-Christian Straches FPÖ alles himmelblau, für Eva Glawischnig & Co. die Welt immergrün und das Leben von Matthias Strolz zuckerlrosa? Nein. Strache ist es gelungen, jede Debatte mit dem "Ausländerthema" zu überlagern. Von der Bildung bis zur Gesundheit etwa würde alles gut, wenn es weniger Zuwanderung gibt. Was er vergessen hat, sind glaubwürdige Konzepte: Glaubt die Mehrheit, dass Kinder durch Straches Schulpolitik besser unterrichtet werden? Oder dass Kranke unter Strache bessere Pflege zu erwarten hätten? Das kommende Jahr müsste für den Möchtegern-Kanzler also der inhaltlichen Weiterentwicklung dienen.

6. Die Grünen sollten mit ihrer Weltmeisterschaft des Schießens ins eigene Knie aufhören. Kaum wurde Alexander Van der Bellen als ehemaliger Parteichef Bundespräsident, wird intern gestritten. Am Horizont naht für Glawischnig eine Obfraudiskussion. Wieso erklären Fundamentalisten und Realisten der Ökopartei ihren Anhängern nicht, auf welche Art sie in die nächste Regierung kommen? Neun von zehn Grünwählern wollen das, eine pragmatisierte Opposition interessiert keinen. Strolz und dessen NEOS drohen gleichermaßen in einem Dreikampf Kern, Kurz und Strache zerrieben zu werden. Für eine Regierungschance wäre das nochmalige Nachdenken über den Zusammenschluss mit der ÖVP unter Kurz also angesagt.

7. Zum Team Stronach ist nichts mehr zu sagen. Der Restbestand seiner Abgeordneten hat als einzige Aktie von Wert ihre Unterschrift. Zur Kandidatur bei einer Nationalratswahl braucht es 2600 notariell beglaubigte Unterstützungserklärungen - oder drei Nationalräte. Was sich für die "Stronachianer" noch ausgeht. Halten sie das eigene Antreten für aussichtslos, können sie sich - rein politisch gemeint - sozusagen an die Meistbietenden versteigern.

Womit sich der Kreis zur Neuwahlfrage schließt. Wahlen sind in einer Demokratie nie etwas Schlimmes. Nicht einmal, wenn sie früher als geplant stattfinden. Vorgezogene Wahlen im heurigen Jahr können ein bisschen Klarheit in das Wirrwarr der Parteien und ihrer unklaren Koalitionswünsche bringen.

Peter Filzmaier, Kronen Zeitung

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