Vor rund zwei Jahren hat Ubisoft mit "Watch Dogs" seine Interpretation eines Hacker-"GTA" veröffentlicht und dem Open-World-Genre damit einen frischen Impuls gegeben. An den Klassenprimus reichte das Abenteuer aber nicht heran. Mit "Watch Dogs 2" buhlt nun der zweite Teil um die Gunst der Spieler. Und der macht manches, was man dem ersten Teil ankreiden konnte, deutlich besser. Wie sich "Watch Dogs 2" spielt, hat krone.at getestet.
Das erste "Watch Dogs" war in puncto Inszenierung sicherlich kein schlechtes Spiel, der Schauplatz Chicago und der Protagonist Aiden Pearce waren aber nicht jedermanns Sache. Da trifft es sich gut, dass Ubisoft bei "Watch Dogs 2" einen Tapetenwechsel nach San Francisco vollzieht und den Helden des ersten Teils zugunsten des subversiven Hackers Marcus "Retro" Holloway in Pension schickt.
Story erinnert ein wenig an "Mr. Robot"
Statt eines Rache-Epos wie in Teil eins erzählt "Watch Dogs 2" überdies eine etwas reichhaltigere Handlung rund um das Hackerkollektiv DedSec, das sich Überwachung und machthungrigen Konzernen in den Weg stellt. Die Story erinnert dabei in vielen Details durchaus ein wenig an die Erfolgsserie "Mr. Robot". Bedenkt man, dass die Serie heuer mit je zwei Golden Globes und Emmys gewürdigt wurde, nicht die schlechteste Entscheidung.
Zumal die Handlung von "Watch Dogs 2" packend erzählt wird. Die Helden der DedSec-Hackergruppe bedienen zwar allesamt das eine oder andere Hacker-Klischee, wirken dabei aber durchaus glaubwürdig. Anspielungen auf reale Unternehmen und Personen verleihen der Erzählung mehr Brisanz, staatliche Überwachung und die Datengier großer Konzerne haben drei Jahre nach Edward Snowden aber ohnehin nichts von ihrer Aktualität verloren.
Wer sich für diese Themenkomplexe interessiert, findet in "Watch Dogs 2" eines der wenigen Games, die eine spannende Geschichte darüber erzählen. Da kann man dem Spiel nachsehen, dass manch eine Story-Wendung vorhersehbar ist.
Die mächtigste Waffe ist das Smartphone
Spielerisch hat auch der Vorgänger schon einiges geboten, bei "Watch Dogs 2" holen die Entwickler aber noch mehr heraus. Im Kern ist "Watch Dogs 2" ein Open-World-Spiel im Stil der "GTA"-Serie, das die bewährte Formel "Ballern, Fahren, Jobs machen" um eine Hacking-Komponente erweitert, die vielfältige Möglichkeiten bietet. Dreh- und Angelpunkt aller Hacks ist dabei Retros Smartphone, das im zweiten Teil sogar noch mächtiger ist als im ersten.
Mit seinem zentralen Werkzeug hackt sich Retro etwa in Überwachungskameras, um Gebiete auszukundschaften. Das Handy öffnet ihm Türen, macht Verteilerkästen zu Elektrofallen, beraubt Passanten und Gegner ihrer Online-Gelder, steuert im späteren Spielverlauf eine Hackerdrohne oder lässt Gasleitungen explodieren.
Schaltet Retro die entsprechende Fähigkeit - das Game hat ein Talentsystem, das den Helden nach und nach stärker macht - frei, kann er damit sogar Polizisten oder Gangs auf seine Widersacher hetzen. Bei Verfolgungsjagden sorgt das Handy bei Bedarf dankenswerterweise für Ampel-Chaos.
Gelöst werden die Hacking-Elemente meist recht intuitiv: Findet Retro ein hackbares Ding, erscheint auf Knopfdruck ein Menü mit unterschiedlichen Hacking-Möglichkeiten. Manch ein Hack ist auch in ein Minispiel verpackt - etwa die unter Zuhilfenahme einer speziellen "Hacker-Sicht" realisierte Suche und Umleitung bestimmter Netzwerkleitungen.
Hacker prügeln mit dem "Kampf-Jojo"
Ganz ohne Nah- und Fernkampf funktioniert "Watch Dogs 2" freilich nicht. Zwar hat sich im Test das Schleichen und Manipulieren als bevorzugte Taktik für die Infiltration schwerbewachter Rechenzentren und anderer Zielobjekte entpuppt, im Notfall gibt Retro aber auch einen tauglichen Schützen und - dank einer Art "Kampf-Jojo" aus einer Billardkugel und einem Seil - einen gefährlichen Nahkämpfer ab.
Die Steuerung ist dabei allerdings etwas gewöhnungsbedürftig, weil stark vereinfacht. Eine Sprung-Taste gibt es beispielsweise nicht, stattdessen hält man für Sprünge und Kletterpartien wie in "Assassin's Creed" die Schultertaste gedrückt. Auch der Nahkampf ist mit nur einer Aktionstaste auf das Nötigste reduziert.
Ungewohntes Fahrverhalten, lebendige Bürger
Diskutieren könnte man über das Fahrverhalten der im Spiel verteilten Vehikel. Dass man von ihnen kein realitätsnahes Fahrverhalten erwarten darf, versteht sich zwar von selbst. Teilweise fühlen sich die Fahrzeuge dann aber doch sehr nach Autodrom an, Motorräder treffen unseren Handling-Geschmack auch nicht ideal. Hinzu kommen physikalische Unregelmäßigkeiten - etwa, dass Boote unsinkbar sind.
Abseits dieser Mängel gibt es aber auch jede Menge liebenswerte Aspekte am digitalen San Francisco in "Watch Dogs 2". Dazu zählen neben Sehenswürdigkeiten aus der echten Welt - etwa die Gefängnisinsel Alcatraz - nette Mini-Spiele wie Drohnenrennen, Taxifahren oder Segelregatten ebenso wie die Bewohner der Stadt selbst.
Sie könnten zwar etwas zahlreicher sein, sind aber erfreulich lebendig geworden. Sie reagieren nachvollziehbar auf Belästigungen durch Retro, haben immer wieder einen coolen Spruch auf Lager und geben allerlei Geheimnisse preis, wenn man sich erst in ihre Mobiltelefone gehackt hat. Miteinander Verfeindete Fraktionen, Händler und andere NPCs sorgen ebenfalls für den Eindruck einer lebendigen Stadt. Für den Griff nach dem Genre-Thron reicht es insgesamt zwar nicht ganz, die Spielwelt ist dennoch sehr schön geworden.
Hübsche Optik, einprägsamer Soundtrack
Auch die Optik insgesamt weiß zu gefallen - wenngleich es in der getesteten PS4-Version vereinzelt zu Einbrüchen bei der Bildrate kam. "Watch Dogs 2" bietet einen angesichts der Weitläufigkeit der Spielwelt ordentlichen Detailgrad, erfreut das Auge mit hübschen Reflexions- und Lichteffekten und macht auch beim Design der Haupt- und Nebencharaktere mit hohem Wiedererkennungswert viel richtig. Die Animationen der Figuren wirken lebensecht, die Gesichter sind durchaus ausdrucksvoll.
Zur gelungenen Inszenierung trägt auch der einprägsame Soundtrack bei. Neben Radiosendern, die beim Autofahren alle möglichen Genres von Klassik bis Rock abdecken, gibt es während der Einsätze stimmungsvolle elektronische Klänge auf die Ohren. Die Synchronsprecher machen auch in der deutschen Version einen guten Job, die Soundeffekte können sich hören lassen.
Mehrspielermodus macht Probleme
Ein nettes Extra in "Watch Dogs 2" wäre sein nahtloser Mehrspielermodus. "Wäre", weil er in der ersten Woche nach Release schlicht nicht funktioniert hat. Eigentlich war geplant, dass das Game auf Wunsch andere Mitspieler ins virtuelle "Frisco" holt und diese dort mit ihren Hacker-Fähigkeiten gegeneinander antreten lässt, zum Zeitpunkt des Tests war dies aber nicht möglich. Laut Ubisoft soll das Problem seit Mittwoch behoben sein.
Bedenkt man, dass Ubisoft seit Release des 60 bis 70 Euro teuren Games schon einen 40 Euro teuren Season Pass mit allerlei künftigen Zusatzinhalten anpreist und auch der Ingame-Shop schon aktiv ist, ist das ein doppelt herber Schnitzer.
Fazit: Ubisoft hat bei "Watch Dogs 2" gegenüber dem Vorgänger an den richtigen Stellen verbessert. Der Ortswechsel und der neue Held "Retro" mit seinen DedSec-Mitstreitern haben dem Game gut getan, überdies ist die neue Spielwelt spürbar lebendiger als im Vorgänger. Schleich- und Hacking-Passagen lassen Spannung aufkommen, Retros Handy eröffnet viele taktische Möglichkoxe Fahrverhalten, physikalische Unregelmäßigkeiten, Multiplayer-Probleme und Bildraten-Einbrüche trüben den ansonsten gelungenen Open-World-Gesamteindruck.
Plattform: PC (29.11.), PS4 (getestet), Xbox One
Publisher: Ubisoft
krone.at-Wertung: 8/10
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