Mit Pianist Helmut Deutsch verbindet Tenor Jonas Kaufmann eine jahrzehntelange künstlerische Freundschaft. Zum 80. Geburtstag des legendären Liedbegleiters gastieren die beiden Künstler im Wiener Konzerthaus und musizieren am 12. Jänner Robert Schumanns Liedzyklus „Dichterliebe“.
Tenor Jonas Kaufmann, Pianist Helmut Deutsch und Schumanns „Dichterliebe“ – das ist eine lange und sehr fruchtbare Dreiecksbeziehung. Angefangen hat sie Mitte der 1990er Jahre. Der junge Tenor war Student in München, der Pianist sein Professor, erzählt Jonas Kaufmann im „Krone“-Interview. Helmut Deutsch lud im Sommer ein paar Studierende in die Toskana ein, zu einer Meisterklasse. „Wir haben da einen großen Hof gemietet“, erinnert sich Kaufmann, „mit vielen Wohneinheiten und Selbstversorgerküche – und haben sogar mehrere Flügel hintransportiert. Dort haben wir in aller Ruhe, gut zehn Tage lang, alle möglichen Sachen erarbeitet – aber auch sehr viel Spaß gehabt und über die Welt philosophiert.“
Heinrich Heine gegen den Jazz
Mit dabei hatte Jonas Kaufmann auf dieser Reise damals Robert Schumanns Heinrich Heine-Zyklus „Dichterliebe“ – und seinen damaligen Klavierpartner Jan Philip Schulze. Zurück an der Hochschule in Bayern, haben die beiden ihre sommerliche Arbeit dann präsentiert. Unter schwierigen Umständen, erzählt der Sänger: „Im Saal schräg darunter hat gleichzeitig eine Jazzband gespielt. Es war seltsam, sich da auf diese teils stillen Lieder zu konzentrieren, sich nicht vom Schlagzeug ablenken zu lassen!“
Je älter man wird, desto tiefgründiger wird man. Entsprechend hat man auch andere Narben, die man auf der Seele spürt, wenn man singt.
Jonas Kaufmann
Seit jenem Abend sind gut drei Jahrzehnte vergangen, Jonas Kaufmann und Helmut Deutsch haben sehr, sehr viel Musik miteinander gemacht – überall auf der Welt. Diese Weihnachten feierte Helmut Deutsch seinen 80. Geburtstag, das Wiener Konzerthaus ehrt den Musiker am 12. Jänner mit einem Konzert. Auf dem Programm: jener legendäre Schumann-Liederzyklus, der die beiden Musiker schon so lange begleitet.
Hausmusik aus dem Stillstand
Einer der intimsten Momente der „Dichterliebe“-Beziehung brachte Kaufmann und Deutsch einer der Covid-Lockdowns – mit einer CD-Aufnahme der Lieder im Haus des Tenors. „Das war eine skurrile Situation. Da waren nur wir beide in meinem Aufnahmeraum, selbst der Tontechniker saß einen Stock tiefer in unserem Gästezimmer.“ Diese intime Atmosphäre hört man den eingespielten Liedern an. Auch, dass die Zeit damals stillzustehen schien. „Da war kein Zeitdruck, kein teures Studio, keine gebuchten Flüge. Wir hatten alle nichts anderes vor. Es war wirklich Hausmusik.“
Als Bonustrack gibt es drei Lieder aus jener frühen Aufnahme von 1994 aus München. Wie es für den Sänger war, seinem jungen Ich akustisch zu begegnen? Weder sein Liedpartner noch seine Frau haben ihn beim Hören der Bänder erkannt: „Erst nach dem dritten Lied sagte sie: ,Das könntest fast du sein‘.“
Gold schimmernd bis trübe grau
Was ist heute anders beim Singen dieser Lieder? „Die verhältnismäßig oberflächliche, unbedarfte Herangehensweise an solche großen Gefühle ist halt der Jugend vorbehalten. Je älter man wird, desto nachdenklicher, tiefgründiger wird man. Entsprechend hat man auch andere Narben vielleicht, die man auf der Seele spürt, wenn man solche Texte liest oder hört oder singt. Dann kommt eben diese extra Farbe in die Stimme hinein, die mal hoffnungsvoll golden schimmert und eben dann auch mal sehr trübe Grau.“
Wie passen diese Miniaturen, diese tönenden Mikrodramen in unsere schnelle und laute Gegenwart? „Sehr gut! Man lernt auf diese Weise wenigstens für zwei, drei Minuten zu sich selbst zurückzufinden. Wir haben ja über die letzten Jahrzehnte eine solche rapide Verschnellerung unseres Lebens mitgemacht, dass man mitunter gar nicht mehr weiß, was das heißt, Zeit mit sich selbst zu verbringen oder einmal zu reflektieren. Wenn man sich dann auf sowas einlässt, das ist schon unglaublich, wie einen das plötzlich woanders hinführt. Damit kommen wir uns selbst wieder ein Stück weit näher.“
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