Britische Wissenschaftler haben erstmals die DNA Adolf Hitlers identifiziert und analysiert. Die Untersuchung eines blutbefleckten Stoffstücks aus dem Führerbunker offenbart ein seltenes genetisches Syndrom – und gibt einem britischen Spottlied aus dem Zweiten Weltkrieg nachträglich recht.
Achtzig Jahre nach Hitlers Selbstmord im Berliner Führerbunker glaubten Historiker, der Diktator habe seine intimsten Geheimnisse mit ins Grab genommen. Seine Leiche wurde verbrannt, auf seinen ausdrücklichen Befehl hin. Doch was Hitler nicht voraussehen konnte: die Entdeckung der DNA-Struktur acht Jahre nach seinem Tod – und die Beharrlichkeit einer britischen Genetikerin Jahrzehnte später.
Ergebnisse sorgen für Aufsehen
Professor Turi King von der Universität Bath, die bereits die Überreste von König Richard III. identifiziert hatte, hat für die zweiteilige Channel-4-Dokumentation „Hitler‘s DNA: Blueprint of a Dictator“ eine DNA-Analyse des Diktators vorgenommen, wie der britische „Telegraph“ berichtet. Die Ergebnisse werden am Samstag ausgestrahlt und sorgen bereits im Vorfeld für Aufsehen.
DNA-Proben erst kürzlich entnommen
Die Grundlage der Untersuchung bildet ein Stück Stoff, das US-Presseoffizier Roswell Rosengren im Mai 1945 aus dem Sofa im Führerbunker geschnitten hatte – jenem Sofa, auf dem Hitler sich Tage zuvor mit einem Pistolenschuss das Leben genommen hatte. Das blutbefleckte Stoffstück gelangte nach dem Krieg ins Gettysburg Museum of History in Pennsylvania. Im Jahr 2019 wurden DNA-Proben davon entnommen.
King ließ die Proben von drei unabhängigen Laboren in den USA untersuchen und mit sequenziertem Erbgut von entfernten Verwandten Hitlers aus Gendatenbanken abgleichen. Ein männlicher Verwandter wies ein Y-Chromosom von einem seltenen Typ auf – der entscheidende Beweis, dass es sich tatsächlich um Hitlers Blut handeln muss. Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass die DNA des Diktators zweifelsfrei identifiziert wurde.
Seltene genetische Störung
Das markanteste Ergebnis der Analyse: Hitler wies eine Deletion in seiner DNA auf, die das Protein PROK2 betrifft. Diese Mutation ist stark mit dem Kallmann-Syndrom assoziiert, einer seltenen genetischen Störung, die zu Entwicklungsstörungen der Geschlechtsorgane führen kann. Bei Betroffenen kann ein oder beide Hoden nicht normal absteigen.
Eine medizinische Besonderheit, die bei den Briten bereits damals für ein Propagandalied genutzt wurde: „Man kann nicht in Großbritannien leben, ohne das Lied zu kennen“, sagt King in Anspielung auf das Spottlied aus dem Zweiten Weltkrieg: „Hitler Has Only Got One Ball“. Ein medizinischer Bericht aus dem Jahr 1923, der erst 2015 auftauchte, hatte bereits von einem nicht abgestiegenen rechten Hoden berichtet. Die DNA-Analyse gibt dieser Diagnose nun wissenschaftliches Gewicht.
Bei „Hitler Has Only Got One Ball“ handelt es sich um eine satirische Parodie des „Colonel Bogey March“, die unter britischen und alliierten Truppen ab 1939 populär wurde. Der Text spottet über Gerüchte zu Hitlers angeblicher Anomalie des Geschlechtsorgans und greift weitere NS-Führer wie Göring, Himmler und Goebbels an.
Eine gängige Strophe lautet:
Hitler has only got one ball,
Göring has two but very small,
Himmler is rather sim‘lar,
But poor old Goebbels has no balls at all.
Die Melodie wurde oft gepfiffen, was die Verbreitung während des Krieges erleichterte.
Der Historiker Dr. Alex J. Kay, der seit 20 Jahren Nazi-Deutschland erforscht, zeigt sich verblüfft: „Wie konnten die Briten das wissen? Wir haben noch nicht herausfinden können, woher dieses Gerücht kam, aber es war tatsächlich wahr.“
Auch Wert für Psychopathie im oberen Bereich
Das Kallmann-Syndrom geht typischerweise mit einem niedrigen Testosteronspiegel, vermindertem sexuellem Verlangen und in manchen Fällen einem Mikropenis einher. Das würde erklären, warum Hitlers Leibarzt Theodor Morell dem Diktator ab 1944 regelmäßig Testosteron verabreichte.
Die Analyse ergab weitere bemerkenswerte Befunde: Hitlers polygenetischer Score für antisoziales Verhalten – ein Maß für Psychopathie – liegt in den obersten zehn Prozent der Bevölkerung. Sein Score für ADHD ist überdurchschnittlich, während sein Autismus-Score ihn unter das oberste Prozent der Bevölkerung einordnet. Auch für Schizophrenie liegt sein genetisches Risiko im obersten Prozent.
Hatte offenbar keine jüdischen Vorfahren
Ein weiteres Ergebnis der Analyse: Die DNA widerlegt eindeutig das seit den 1920er Jahren kursierende Gerücht, Hitler könnte jüdische Vorfahren gehabt haben. Für Kay ist dies „der bedeutendste Befund“ – er legt „dieses Gerücht endgültig zu den Akten“.
Die Ergebnisse sind wissenschaftlich umstritten. Anders als üblich wurden sie nicht in einem Peer-Review-Verfahren von anderen Wissenschaftlern vor der Veröffentlichung geprüft. Mehrere europäische Institutionen hatten es abgelehnt, etwas zu testen, das mit Hitler in Verbindung steht.
Auch King selbst mahnt zur Vorsicht: „Wir wollen niemanden stigmatisieren, der eine dieser Erkrankungen hat, denn es ist verschwindend gering, dass sie gewalttätige Handlungen begehen, geschweige denn Völkermord.“ Die DNA könne zudem nicht zeigen, welchen Denkprozess jemand haben werde.
Lässt sich Hitler so besser verstehen?
Kay betont die Bedeutung von Hitlers traumatischer Kindheit: „Er verlor vier seiner fünf Geschwister und beide Elternteile bis zum Alter von 18 Jahren. Ich denke, diese Ereignisse sind genauso bedeutsam für die Person, die Hitler wurde, wie seine DNA.“
Der Historiker Thomas Weber sieht dennoch einen Wert in der Forschung: „Forscher aus zahlreichen Disziplinen haben bislang versucht, Hitler zu deuten. Vieles davon war reine Spekulation. Wenn wir nun Hitlers Verhaltensweisen betrachten, die mit diesen Krankheitsbildern einhergehen, dann verstehen wir ihn wahrscheinlich ein bisschen besser.“
Forscher: „Er hätte sich wohl selbst in Gaskammer geschickt“
Die größte Ironie des Projekts fasst King zusammen: „Wenn Hitler sich als Nicht-Genetiker seine eigene DNA vorgelegt hätte, hätte er sich wahrscheinlich selbst in die Gaskammer geschickt.“ Der Diktator, der DNA-Technologie zweifellos für seine eugenischen Programme genutzt hätte, wäre nach seinen eigenen mörderischen Kriterien ein Opfer gewesen.
Die detaillierten Forschungsergebnisse sollen in Kürze in einer wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht werden.
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