Die Berufungsverhandlung von einem früheren Betreuer einer SOS-Kinderdorfeinrichtung in Wien ist kurz – das Urteil von zweieinhalb Jahren Haft wird bestätigt. Darüber hinaus bringt sie Spannendes zutage.
Der 51-jährige Angeklagte wurde im August im Landl unter anderem wegen sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nicht rechtskräftig zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. In den Jahren 2021 und 2022 verging er sich im Rahmen seiner Tätigkeit in 14 Angriffen an einem Burschen schwer.
Auch soll er geschlechtliche Handlungen an einem weiteren, damals 12-jährigen Bewohner der Einrichtung getätigt haben – zweimal, als der Bub wach war, und einmal, als dieser schlief. In der Wohngruppe war der Sozialpädagoge sogar der Bezugsbetreuer seines Opfers.
Aus generalpräventiven Gründen ist eine deutlich spürbare Strafe wirklich erforderlich.
Der vorsitzende Richter in der Berufungsverhandlung
Verwunderlich: Denn gleich zu Beginn der Verhandlung wird besprochen, ob der Sozialpädagoge aus Brasilien, der seit 25 Jahren in Österreich lebt, einen Dolmetscher brauche. In seinem Statement bringt der Mann tatsächlich kaum einen verständlichen deutschen Satz zustande. Einzig „Bitte um Milderung“ und „Ich bin kein Kinderschänder“, war zu verstehen.
Bei letzterem hakt der vorsitzende OLG-Richter ein: „Das ist schon rechtskräftig festgestellt.“ – es gehe ausschließlich um die Strafhöhe. Einmal mehr bemüht der Verteidiger das Argument, dass die Jugendlichen bei den sexuellen Handlungen freiwillig mitgemacht hätten, ja diese teilweise sogar von diesen ausgegangen wären. „Er hat seine Handlungen sofort beendet, als Opfer das wünschten“, sagt er. Zudem hätten die Burschen keine Langzeitschäden erlitten.
„Schwere psychische Störung“
Den Senat lässt dies unbeeindruckt: „Es geht hier um schutzbefohlene, teilweise unmündige Kinder. Da ist insbesondere von einem Erzieher zu erwarten, dass er richtig reagiert“, bleibt die Verurteilung zu zweieinhalb Jahren Haft bestehen. „Aus generalpräventiven Gründen ist eine deutlich spürbare Strafe wirklich erforderlich“, so Herr Rat.
Der zweite Umstand, den der Prozess zutage bringt: Der Mann leidet unter einer psychischen Beeinträchtigung, die – ebenso wie seine Unbescholtenheit – vom Erstgericht als mildernd gewertet wurde. Für Prozessbeobachter drängt sich folgende Frage auf, die im Justizpalast unbeantwortet bleibt: Wie konnte ein Mann, der offenbar sehr schlecht Deutsch kann und zudem laut Gericht eine „schwerwiegende psychische Störung“ hat, Betreuer in einer Einrichtung für schutzbedürftige Kinder und Jugendliche sein?
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