Lange schien die Hoffnung auf den Beginn eines Friedensprozesses im Nahen Osten außer Reichweite. Was hat also Israel und die Hamas dazu bewogen, doch noch aufeinander zuzugehen? Drei Punkte stechen besonders hervor.
20 lebende Geiseln haben am Montag die Gaza-Hölle der islamistischen Hamas verlassen dürfen. Seither gehen rührende Bilder von Familienzusammenführungen um die Welt. Es sind Szenen, die im Nahen Osten etwas hervorrufen, das tief unter all dem Leid und dem Blutvergießen begraben schien: Hoffnung.
Besonders US-Präsident Donald Trump lässt sich dafür wie ein Heiland feiern. Der Republikaner hat in Zusammenarbeit mit anderen Vermittlern erreicht, dass die Waffen vorerst schweigen. In typischer Trump-Manier preschte der 79-Jährige vor und erklärte den Krieg bereits für „beendet“, während er in Ägypten feierlich eine Friedenserklärung unterzeichnete.
Die USA, Ägypten, Katar und die Türkei erklärten sich darin zu Garantiemächten der Vereinbarung, mit der der Gazakrieg beendet werden soll. Der genaue Inhalt ist zwar noch unklar, vor wenigen Monaten war aber selbst dieser symbolische Schritt undenkbar. Was hat sich also in den vergangenen Wochen geändert? Drei Punkte stechen besonders hervor.
Die vergangenen zwei Jahre haben vor allem eines bewiesen: Terroristen reagieren nicht auf menschliches Leid. Die Hamas-Islamisten verschanzten sich ihren Tunneln, während über weite Teile der Palästinenser die Hölle hereinbrach. Vor allem die Türkei und Katar, in beiden Staaten halten sich hochrangige Hamas-Vertreter auf, änderten daher ihre Herangehensweise.
Sie drohten vor allem der Chefetage mit einem Statusverlust. Nach Informationen des „Wall Street Journal“ wurde eine Ausweisung aus den Ländern erfolgreich als Druckmittel eingesetzt. Ein solcher Schritt hätte den Einfluss der Organisation, die politisch und militärisch ums Überleben kämpft, weiter geschwächt. Ägypten ließ zudem erkennen, sich nicht länger für ein politisches Mitspracherecht der Hamas bei der Gestaltung der Zukunft des Gazastreifens einsetzen zu wollen.
Die Hamas-Führung ließ sich von der geballten Offensive offenbar beeindrucken. Dem Vernehmen nach sei dies einer der Hauptgründe für die Freilassung der 20 verbliebenen Geiseln gewesen.
Für die heikle Mission setzte Präsident Trump auf ein unkonventionelles Team und umging damit traditionelle diplomatische Wege. Er beauftragte seinen Immobilien-Freund Steve Witkoff als US-Sondergesandten. An seiner Seite verhandelte Trumps Schwiegersohn Jared Kushner, der ebenfalls in der Immobilienbranche tätig ist und bereits in Trumps erster Amtszeit als Nahost-Berater fungierte.
Die beiden „Friedensbroker“ stattete er mit Garantien aus. Ein entscheidender Schritt war laut Berichten des US-Mediums „Axios“ ein geheimes Treffen von Witkoff und Kushner mit führenden Vertretern der Hamas im ägyptischen Scharm El-Scheich. Dort soll Witkoff der Hamas-Führung erklärt haben, dass die festgehaltenen Geiseln „eher eine Belastung als ein Vorteil“ seien.
Trumps Golf-Kumpel betonte, es sei an der Zeit, „die Menschen auf beiden Seiten der Grenze nach Hause zu bringen“. Im Namen von Präsident Trump gab der Sondergesandte zudem eine wichtige Zusicherung ab: Die USA würden garantieren, dass Israel den Krieg nicht wieder aufnimmt, solange die Hamas ihren Teil der Abmachung einhält. Diese Garantie sei ein zentraler Punkt gewesen, um das Misstrauen der Hamas abzubauen und sie zu einem Einlenken zu bewegen.
Gleichzeitig erhöhte die Trump-Administration den Druck auf die israelische Regierung in den vergangenen Wochen massiv. Das enge Verhältnis zwischen den USA und Israel, das jahrzehntelang als unerschütterlich galt, hatte sich durch die Angriffe im Gazastreifen und die israelische Siedlungspolitik verändert.
Ein israelischer Luftangriff auf Katar brachte das Fass wohl zum Überlaufen. Anfang September attackierte die israelische Armee ein Gebäude in der Hauptstadt Doha. Ziel waren hochrangige Hamas-Mitglieder. „Der verpfuschte Angriff der Israelis auf Katar war der Wendepunkt“, sagte eine Person aus dem Umfeld des Weißen Hauses dem US-Magazin „Politico“.
Die Verärgerung des US-Präsidenten über den israelischen Schlag in dem verbündeten Emirat war offenbar so groß, dass er den israelischen Premier Benjamin Netanyahu im Weißen Haus zwang, sich telefonisch bei Katar zu entschuldigen. Bilder davon ließ er öffentlichkeitswirksam verbreiten. Der US-Präsident habe die Attacke als Druckmittel nutzen können – nicht nur, um Netanyahu „dazu zu bringen, sich beim Premierminister von Katar zu entschuldigen, sondern auch, um Druck auf ihn auszuüben, den Krieg zu beenden“, heißt es.
Dass das Abkommen zustande kam, hat auch mit dem persönlichen Einfluss von Präsident Trump im Nahen Osten zu tun. Seine Politik hat ihm dort ein gewisses Ansehen verschafft. Katar gilt als enger Verbündeter der USA. Neben wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen den Ländern verfolgt Trumps Familie auch persönliche Geschäftsinteressen in der Golfregion. Zur Erinnerung: Katar schenkte Trump jüngst ein Flugzeug im Wert von Hunderten Millionen Euro. Passend dazu gab das Pentagon am Freitag bekannt, dass die katarischen Streitkräfte eine Anlage auf einem US-Stützpunkt in Idaho errichten dürfen.
Trump zufolge stehe dem Nahen Osten nun „ewiger Frieden“ bevor. Das ist natürlich etwas voreilig. Zu viele Punkte sind noch gar nicht geklärt. Denn wie in vorigen Verhandlungen gibt es weiterhin keine Einigung über eine mögliche Entwaffnung der Hamas, über den vollständigen Truppenabzug Israels aus dem Gazastreifen und auch zur Frage, ob palästinensische Sicherheitskräfte oder Soldaten anderer Länder das Gebiet künftig sichern werden.
Und schon jetzt beklagt Israel, dass die Hamas sich nicht an die Abmachung hält. Am Montag hätten auch die Leichen von 28 getöteten Geiseln übergeben werden sollen. Lediglich vier Särge schafften es tatsächlich auf die andere Seite. Die Überreste der restlichen Personen seien nicht auffindbar, erklärte die Terrororganisation. Hinterbliebene in Israel beanspruchen nun, dass die Hamas dafür einen „Preis“ zahlen müsse. Die rechtsextreme israelische Regierung ist für Forderungen dieser Art bekanntlich besonders empfänglich.
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