Buchtipps

Im literarischen Grand Hotel der Welt entfliehen

Literatur
03.10.2025 07:10

Krone.at traf die Schriftstellerin Vea Kaiser zum Interview: über falsch verstandene Mutterliebe, ihre Hommage an Wien und die Wichtigkeit des Humors in der Literatur.  Und natürlich über ihren neuen Roman „Fabula Rasa oder Die Königin des Grand Hotels“, der am 9. Oktober erscheint. 

kmm

Eigentlich ist Angelika Moser das, was man als Traum für jeden Arbeitgeber bezeichnen kann. Sie ist fleißig und penibel, arbeitet sich als Buchhalterin des noblen Grand Hotels bis zur Abteilungsleiterin hinauf und wird zur engen Vertrauten des Direktors. Dumm nur, dass sie das Hotel im Laufe der Jahre um Millionen erleichtert.

Angelika Moser ist die durchaus liebenswerte Protagonistin in Vea Kaisers neuem Roman „Fabula Rasa oder Die Königin des Grand Hotels“  – die Inspiration für sie entdeckte die sympathische Schriftstellerin in der „Krone“. „Ich bin tatsächlich bei euch auf den wahren Fall einer Buchhalterin gestoßen, die einem Wiener Nobelhotel um 4,1 Millionen gestohlen hat“, verrät sie im Interview. „Das an sich fand ich jetzt nicht besonders interessant für einen Roman. Betrügereien passieren. Man denke nur an andere Betrugsfälle – Karl-Heinz Grasser oder René Benko, was sind da schon 4 Millionen. Mich faszinierte ihre Rechtfertigung vor Gericht: Sie habe es aus falsch verstandener Mutterliebe getan“, erzählt sie. „Ich habe es gelesen, als ich hochschwanger war mit meinem ersten Kind, und konnte sofort nachvollziehen, ein Kind so zu lieben, dass man sogar eine Straftat begeht.“

Was tun wir aus Liebe zu unseren Kindern?

Vea Kaiser erzählt ihren Roman aus der Sicht einer Schriftstellerin („Wer mich kennt, wird durchaus Ähnlichkeiten mit mir finden.“), die Moser im Gefängnis besucht. In Rückblenden rollt sie deren Geschichte auf: Sie wächst im Gemeindebau als Tochter einer lieblosen Mutter aus, die ihr jede Perspektive raubt. Den Vater kennt sie nicht. Doch sie macht Karriere. Dann wird sie selbst alleinerziehende Mutter, die eben alles tut für ihren Sohn. Aber bald auch für sich, um in die noblen Wiener Kreise aufzusteigen, von denen sie nur träumen konnte. „Die Kernfrage des Romans ist: Was tun wir aus Liebe für unsere Kinder?  Und wann tun wir das auch für uns selber“, meint Vea. „Auch Geld ist ein ganz wichtiger Punkt in meinem Buch. Die Frage, wie gerecht Wohlstand in unserem Land verteilt ist. Angelika steht da als junge Frau, als Mutter, ohne irgendeine Unterstützung. Und ihr gegenüber ist da diese affektierte Familie Frohner, diese Hotelierfamilie, die den Wohlstand seit Generationen fest in der Familie zusammen hält.“   Was das tatsächliche Geld angeht, da zieht sich ihre Geschichte vom Schilling über den Euro bis zu Kryptowährungen.

Der neue Roman von Vea Kaiser erscheint am 9. Oktober im Kiepenheuer & Witsch Verlag erschienen ...
Der neue Roman von Vea Kaiser erscheint am 9. Oktober im Kiepenheuer & Witsch Verlag erschienen (576 Seiten).(Bild: Kiepenheuer & Witsch Verlag)

Eine liebevolle Hommage an Wien

Auch Wien spielt eine wichtige Rolle. „Es ist eine große Liebeserklärung an die Stadt, die Hotellerie, die Wiener Gastfreundschaft. Eine Hommage an all die Orte, die halt nur Wien kennt. Von der Kult-Disco U4, das Café Korb oder den aussterbenden Branntweinern bis hin zum Glanz der Ringstraßen-Hotels. Ob Sacher, Imperial oder Bristol – mein Grand Hotel ist eine Mischung aus all diesen Häusern.“

Vea Kaisers charmant-ironischer Humor, den der Kritiker Denis Scheck mal als „überschäumende Komik“ bezeichnete, verleiht den ernsten Themen ihres Buchs eine gekonnte Leichtigkeit. „Ich sehe mich schon als Unterhalterin. Ganz schlimm ist es, wenn man zwischen hochwertiger Literatur und Unterhaltung entscheiden muss. Literatur kann auch Spaß machen. In meinen Büchern soll man auch etwas zum Lachen haben. Das echte Leben ist ernst genug. Das Schöne an der Literatur ist ja, dass man der Welt auch einmal entfliehen kann“, betont sie. „Die Menschen, die heute noch Bücher lesen, haben sich bewusst gegen all die Streaming-Dienste, Fernsehen oder Social Media entschieden. Sie haben sich verdient, dass man eine bestmöglich lesbare Geschichte erzählt.  Es gibt ein schönes Sprichwort: Einer hat immer die Arbeit, entweder der Autor oder die Leser. Ich habe mich wirklich bemüht, als Autorin die Arbeit zu machen.“

Die Schriftstellerin und die Herausforderungen als Mutter

Sechs Jahre sind seit ihrem letzten Roman vergangen. Erst musste sie zwei Manuskripte verwerfen, dann übernahmen ihre beiden kleinen Kinder das Ruder eines Schriftstellerinnen-Lebens.„Das war schon eine entbehrungsreiche Phase.  Für mich selbst blieb kaum Zeit, in diesen drei Jahren war ich nicht einmal in Ruhe einkaufen, habe kaum Freunde getroffen, nicht einmal Sport gemacht. Nur hin und wieder war ich ein bisschen mit dem Hund spazieren“, gesteht sie. „All meine freie Zeit habe ich natürlich zu 100 % den Kindern gewidmet. Aber wenn sie eingeschlafen waren oder im Kindergarten, bei der Oma oder bei meinem Mann, habe ich geschrieben. Ausnahmslos.“

Hier noch weitere zwei Buchtipps des Monats 

„Die Republik der Irren“ von Dirk Stermann ist im Rowohlt Hundert Augen Verlag (304 Seiten) ...
„Die Republik der Irren“ von Dirk Stermann ist im Rowohlt Hundert Augen Verlag (304 Seiten) erschienen.(Bild: Rowohlt Hundert Augen Verlag)

Der verrückteste Staat der Welt

In seinem neuen Roman „Die Republik der Irren“ widmet sich Dirk Stermann erneut einer wenig bekannten wahren Episode der Geschichte: Der Dichter, Kriegsheld und glühende Nationalist Gabriele D’Annunzio ruft 1918 in Fiume eine Republik aus, in der er seine absolute Macht entfaltet. Der verrückteste Staat der Welt, in dem die Moral abgeschafft wird, freie Liebe gelebt wird  und Patienten aus Irrenhäuser wohnen, begegnen wir u. a. auch Benito Mussolini. Eine völlig irre Geschichte, die Stermann packend erzählt.

„Wenn du es heimlich machen willst, musst du die Schafe töten“ von Anna Maschik ist im ...
„Wenn du es heimlich machen willst, musst du die Schafe töten“ von Anna Maschik ist im Luchterhand Verlag erschienen (240 S.).(Bild: Luchterhand Verlag)

Anna Maschik tötet Schafe – eine ungewöhnliche Familiengeschichte

„Wenn du es heimlich machen willst, musst du die Schafe töten“ – ein außergewöhnlicher Titel, mit dem sich die Wienerin Anna Maschik als spannende neue Literaturstimme vorstellt. Und tatsächlich betreten wir die Geschichte recht plastisch „durch die Innereien eines Schafes und wie auch ich die Welt betreten habe durch einen Schnitt im Unterleib.“ Der Beginn einer ungewöhnlichen Familiengeschichte von der Urgroßmutter bis in die Gegenwart, die Maschik in einer ganz eigenen Erzählweise aufrollt. Mit ihrem Roman ist sie nominiert für den Österreichischen Debüt-Buchpreis.

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