Nicht rechtskräftig

Fall Anna (12): Freisprüche für alle Angeklagten

Gericht
26.09.2025 14:36

Der größte Komplex der verstörenden Causa um den mutmaßlichen Gruppenmissbrauch an der damals erst zwölfjährigen Anna in Wien-Favoriten geht am heutigen Freitag ins Finale. Nach zweitägigem Prozess werden alle zehn Burschen nicht rechtskräftig freigesprochen.

Der zweite Verhandlungstag startet mit der Einvernahme eines unmündigen Zeugen, der bei einem der Übergriffe dabeigewesen sein soll. Er selbst kann aufgrund seiner Jugend nicht belangt werden. „Schönen Abend noch“, sagt der Bursche zu den Medienvertretern um 10 Uhr vormittags, nachdem er seine kurze Befragung hinter sich gebracht hat.

Gruppenübergriff in Hotelzimmer
Zehn Jugendliche beziehungsweise junge Männer sitzen im Landl in Saal 303 auf der Anklagebank. Der jüngste Beschuldigte ist 16 Jahre alt, der älteste 21. Es handelt sich um österreichische, türkische, nordmazedonische, bulgarische und syrische Staatsbürger. In unterschiedlichen Konstellationen sollen sie sich an der damals zwölfjährigen Wienerin vergangen haben – unter anderem Ende April 2023 in einem Hotelzimmer, wo sich mehr als zehn Burschen hintereinander die Klinke in die Hand gaben.

Einer nach dem anderen hatte Geschlechtsverkehr mit dem Kind, das ihrer Ansicht nach freiwillig mitgemacht habe. Dass Anna (Name geändert) unter 14 war, hätten sie nicht gewusst. Das Mädchen selbst gibt an, „Nein“ gesagt zu haben. Da sie sich aber den Burschen unterlegen fühlte, machte sie mit. Sie sei bei den Übergriffen weder bedroht noch geschlagen worden.

Alle zehn: „Nicht schuldig“
Unrechtsempfinden gibt es bei den Burschen nicht. Bei einem Polizei-Großeinsatz mit 75 Beamten wurden sie am 29. Februar 2024 um 4 Uhr früh aus ihren Kinderzimmern geholt und einvernommen. Kurze Untersuchungshaft wurde nur über einen verhängt, der Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet hatte. Alle zehn Angeklagten bekennen sich am ersten Verhandlungstag „nicht schuldig“.

Anwalt Sascha Flatz vertritt das Opfer Anna.
Anwalt Sascha Flatz vertritt das Opfer Anna.(Bild: Eva Manhart)

Nach dem Unmündigen und einer weiteren Zeugin sagt am Freitag Annas Ex-Freund aus. Weil er mehr als 36 Monate älter war als die damals 13-Jährige, wurde der Afghane im März wegen schweren sexuellen Missbrauchs Unmündiger zu einer bedingten Haftstrafe verurteilt. Er hatte damals mit einer Anzeige bei der Polizei den Fall ins Rollen gebracht. Als Zeuge sagt er nahezu durchgehend: „Ich weiß es nicht mehr“ und „Ich kann mich nicht erinnern.“

Nach den Verlesungen der Jugenderhebungen, in denen durchgängig Therapien für die Angeklagten empfohlen werden, ist die Staatsanwältin wieder am Wort: „Bei dem Delikt geht es nicht um Gewaltanwendung. Sie haben die sexuelle Integrität des Opfers verletzt. Sie haben ihren Willen missachtet. Sie haben sie bei diesen Taten auf gewisse Weise instrumentalisiert.“ Die Burschen hätten keinerlei Schuldeinsicht, keine Reflexion gezeigt. Sie appelliert an den Schöffensenat: „Es geht nicht um ein abschreckendes Urteil oder darum, ein Exempel zu statuieren. Es geht primär darum, den Angeklagten das Unrecht ihrer Taten vor Augen zu führen.“

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Es geht nicht um ein abschreckendes Urteil oder darum, ein Exempel zu statuieren. Es geht primär darum, den Angeklagten das Unrecht ihrer Taten vor Augen zu führen.

Staatsanwältin in ihren Schlussworten

Anwalt Mirsad Musliu, Verteidiger des Drittangeklagten, findet klare Widerworte: „Mir ist klar, hier sitzen nicht die Sympathieträger der Nation. Und das Kind ist Opfer, wenn auch nicht im strafrechtlichen Sinn. Ich weiß schon, es ist moralisch verwerflich. Haben sie das Mädchen ausgenutzt? Ja. Aber die Herrschaften haben nichts gemacht, bis sie Ja gesagt hat.“ Genau, wie seine Kollegen, fordert er für seinen Mandanten einen Freispruch. Der Verteidiger Manfred Arbacher-Stöger sagt über den Fünftangeklagten: „Ich war noch nie so überzeugt bei einem Akt, dass jemand unschuldig ist, so wie hier.“

Widersprüche führen zu Freisprüchen
Eine Stunde dauert die Beratung des Schöffensenats. Mit dem Resultat: Alle zehn Burschen werden von den Vorwürfen freigesprochen. Nicht rechtskräftig. Der Richter spricht in seiner Begründung von vielen Widersprüchlichkeiten in der Aussage des Opfers. So hätte eine Zeugin, die beste Freundin des Mädchens, ein ganz anderes Bild gezeichnet. Auch gäbe es Chats, in denen sich Anna bei ihrem damaligen Freund für ihre Vergangenheit entschuldigte „Sie war in einer Situation, in der man sich grundsätzlich nicht wieder finden sollte. Besonders nicht als zwölfjähriges Mädchen.“ 

Eine mutwillige Falschbeschuldigung ortet der vorsitzende Richter aber nicht: „Das war keine bösartige Geschichte, dass sie da jetzt irgendjemandem etwas Böses wollte.“ Am Ende sagt er noch: „Es war für den Schöffensenat nicht möglich, hier in irgendeiner Form zu Schuldsprüchen zu kommen.“ Damit ist nun auch das letzte Verfahren in der Causa mit nicht rechtskräftigen Freisprüchen ausgegangen ...

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