Im größten Komplex der verstörenden Causa um den mutmaßlichen Gruppenmissbrauch an einem damals erst zwölfjährigen Mädchen in Wien-Favoriten startete heute mit halbstündiger Verspätung der letzte und größte Prozess. Nach und nach trudeln die zehn Beschuldigten im Landl ein, halten ihre Gesichter verdeckt, um nicht erkannt zu werden. Hohe Strafen müssen sie selbst im Fall von Schuldsprüchen nicht befürchten.
Im Hauptkomplex im verstörenden Fall um die damals zwölfjährige Anna (Name geändert), sind ab Donnerstag im Wiener Landl zehn weitere Burschen beziehungsweise junge Männer angeklagt. Der jüngste Beschuldigte ist 16 Jahre alt, der älteste 21. Es handelt sich um österreichische, türkische, nordmazedonische, bulgarische und syrische Staatsbürger. „Ich rate Ihnen, die Sache ernst zu nehmen und nicht ins Lächerliche zu ziehen. Sie sind es, die hier angeklagt sind“, mahnt der Richter zu Prozessbeginn. Die Burschen nicken.
Übergriffe in Hotel und im Stiegenhaus
Die Gruppe soll das Mädchen in Wien-Favoriten zwischen März und Juni 2023 in zig Angriffen zum Geschlechtsverkehr genötigt sowie ihre sexuelle Selbstbestimmung verletzt haben. Die Übergriffe sollen unter anderem in einem Hotel und einem Stiegenhaus stattgefunden haben. Anna soll dabei mehrmals „Nein“ gesagt haben, doch fühlte sie sich laut Anklage aufgrund der Gruppengröße und körperlichen Überlegenheit ihres Gegenübers zu eingeschüchtert, um den Handlungen etwas entgegenzusetzen. „Sie fühlte sich derart unter Druck gesetzt, dass sie keinen Ausweg sah“, sagt die Staatsanwältin im Prozess. „Komm schon, mach doch einfach“, soll einer der Angeklagten das Kind gedrängt haben. „Es wurden geschlechtliche Handlungen gegen den Willen des Opfers durchgeführt“, führt die Anklägerin aus. Auch zu Gruppen-Übergriffen, wo teilweise drei Jugendliche mit ihr im Zimmer waren, soll es gekommen sein.
Keine hohen Strafdrohungen
Drei Prozesse sind in der verstörenden Causa, über die die „Krone“ ausführlich berichtet hat, bereits abgeschlossen, zwei davon endeten mit Freisprüchen, einer mit einer bedingten Haftstrafe.
Die Urteile sollen am Freitag gefällt werden. Schwerwiegend werden sie für die jungen Männer, die teilweise Vorstrafen für schweren Raub, Diebstahl oder Widerstand aufweisen, selbst im Falle einer Verurteilung nicht ausfallen. Denn das Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen ist nicht angeklagt – auch wenn Anna zum Tatzeitpunkt erst zwölf Jahre jung war. Die Angeklagten sagten übereinstimmend aus, dass sie davon ausgegangen sind, dass das Mädchen bereits über 14 Jahre alt gewesen sei. Aufgrund des äußeren Erscheinungsbilds des Mädchens hätten sie laut StA Wien nicht davon ausgehen müssen, dass sie unmündig war. Für die vorbestraften Angeklagten steht ein Widerruf von bedingten Teilen der Strafen im Raum.
Anna muss nicht als Zeugin aussagen
Jenen Angeklagten, denen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung zur Last gelegt wird, droht eine Freiheitsstrafe nach dem Jugendgerichtsgesetz von bis zu einem Jahr. Zwei Angeklagten, 17 und 18, wird geschlechtliche Nötigung vorgeworfen. Die Strafdrohung beträgt in ihren Fällen unter Anwendung des JGG bis zu zweieinhalb Jahre Haft. „Dieses Thema gehört aufgearbeitet, aber nicht vor Gericht“, argumentieren die Verteidiger. Das Mädchen habe sich älter ausgegeben und freiwillig mitgemacht, wird behauptet. „Es sind unzählige Handlungen und unzählige Male ist sie mitgegangen“, kritisiert auch Anwalt Manfred Arbacher-Stöger, der einen der Angeklagten vertritt, die Anklage. „Mein Mandant wird sich nicht schuldig bekennen“, sagt ein Strafverteidiger nach dem anderen.

Aufgrund des Sexualdelikts wird vor einem Schöffensenat verhandelt. Am ersten Tag werden die Angeklagten befragt, am zweiten Tag sind Zeugen geladen. Anna muss nicht im Gericht erscheinen. Sie wurde im Ermittlungsverfahren einvernommen, das Video davon wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorgespielt werden. Zur Befragung der jungen Männer, die sich alle „nicht schuldig“ bekennen, wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen.
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