Albertina Wien

„Gothic Modern“ oder die Heimkehr ins Mittelalter

Kultur
24.09.2025 05:30

Albertina-Chef Ralph Gleis zeigt „Gothic Modern“, eine spannende Schau über die Künstler um 1900, die in der Gotik Ansatzpunkte für eine neue Kunst suchten – und diese auch fanden.

Große Überraschung, Staunen, Verunsicherung und Spekulieren, was hier „Moderne“ sein soll, sind angesagt, wenn man die große Albertina-Ausstellung „Gothic Modern“ besucht. Ralph Gleis, seit 1. Jänner Albertina -Chef und davor ab 2017 Leiter der Alten Nationalgalerie in Berlin, hat die Ergebnisse eines seit 2018 in Berlin, Helsinki und Oslo durchgeführten Forschungsprojekts als Einstandsgeschenk nach Wien mitgebracht: Mit Julia Zaunbauer kuratierte er die eindrucksvolle Schau „Gothic Modern. Munch – Beckmann – Kollwitz“. 

Wobei bei diesem Treffen von Moderne auf Gotik diese drei Namen nur quasi „Eckpfeiler“ sind, zwischen denen 39 andere, zum Teil sehr prominente internationale Künstler, zum Teil Wieder- oder Neuentdeckte präsentiert werden. Zu sehen ist die Schau bis zum 11. Jänner.

Vincent van Gogh: Kopf eines Skeletts mit brennender Zigarette aus dem Jahr 1886
Vincent van Gogh: Kopf eines Skeletts mit brennender Zigarette aus dem Jahr 1886(Bild: Van Gogh Museum, Amsterdam (Vincent van Gogh Foundation))
Egon Schiele Männlicher Akt, 1912
Egon Schiele Männlicher Akt, 1912(Bild: Peter Kainz)
Martin Schongauer: Der heilige Sebastian, letztes Drittel 15. Jahrhundert
Martin Schongauer: Der heilige Sebastian, letztes Drittel 15. Jahrhundert(Bild: ALBERTINA, Wien)

Mysterium von Leben, Tod und Auferstehung
Gleis inszeniert ein Stationentheater, das die Mysterien von Leben und Tod, Liebe, Schmerz und Leid, Devotion und Hingabe, Auferstehung und Licht zur Schau stellt. Wie in den „Tableaux vivants“, den „lebenden Bildern“ des 19. Jahrhunderts. Da blicken einander Totenköpfe von Arnold Böcklin, Gustav Klimt, Otto Dix, Max Klinger, Vincent van Gogh an; da erlebt man Christus bei seinem Todesschrei „Mein Gott! Warum hast du mich verlassen“ bei Edvard Munch, Lovis Corinth oder Georg Minne; oder lösen düster-mystische Landschaften wie Max Klingers „Toteninsel“, Rudolf Otto Schatz’ „Wettertannen“ oder Schongauers „Heiliger Antonius“ Bedrücktheit aus.

Informative Texte an den Wänden weisen auf die „gefühlte Parallelität“ zwischen dieser Moderne und der Gotik (Gleis) hin, auf expressive Verwandtschaft – eindrucksvoll zu sehen etwa bei den Nacktdarstellungen wie Schongauers „Sebastian“ und Schieles „Akt“(1912).

Man entdeckt faszinierende Skulpturen von Georg Minne, Käthe Kollwitz, Ernst Barlach, den prachtvollen Wandteppich „Anbetung der Könige“ (1888) des Präraffaeliten Edward Burne-Jones, Bilder aus dem skandinavischen Raum wie die mystischen Gemälde des Finnen Akseli Gallen-Kallela, den Norweger Emanuel Vigeland mit seinen Glasmalereien usw.

Eines verbindet alle diese Künstler zwischen 1875 und 1925: Ihre Ablehnung der akademischen Tradition und der Romantik und die Konfrontation mit Ikonen der Gotik und ihrer Ästhetik: Das war für die „andere Moderne“ Ausgangspunkt und Herausforderung.

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