Reportage am Bauernhof

„Gesunde Schweine sind wohl unser größtes Glück“

Niederösterreich
23.11.2025 10:00

Nach Skandal in NÖ-Schweinebetrieb herrscht Schockstarre in der Landwirtschaft. Viele Fragen sind noch offen, Probleme gibt es an allen Ecken und Enden – „Krone“-Reportage vom Bauernhof.

Auf Gut Hardegg begannen die Bilder, die der VGT in ganz Österreich verbreitete, wie ein Lauffeuer zu brennen. Ausgerechnet ein AMA-Gütesiegel-Betrieb in Niederösterreich, wo so viele Familien seit Generationen Schweine halten, steht plötzlich unter Generalverdacht.

Einen „Schweineskandal“ nennt es der Tierschutz – für viele in der Branche ist es vor allem ein Schlag ins Gesicht. Denn was in den Videos gezeigt wird, trifft nicht nur einzelne Betriebe, sondern haftet als Makel an einem ganzen Berufsstand.

Franz Rauscher, Schweinebauer aus dem Tullnerfeld und Obmann der „Schweinehaltung Österreich“, sagt es mit einer Mischung aus Frust und Verständnislosigkeit: „Wir haben die letzten 20 Jahre leider nicht gezeigt, wie die Landwirtschaft wirklich produziert. Bei Tag und Licht schaut vieles anders aus als die Bilder, die jetzt kursieren.“

Geht es den Schweinen gut, schmeckt das Schnitzel gleich viel besser.
Geht es den Schweinen gut, schmeckt das Schnitzel gleich viel besser.(Bild: Mario Urbantschitsch)

Und doch: Die Debatte ist da – und sie trifft die Branche in einer der schwierigsten Phasen. Denn zwei Jahre lang schien die Welt in Ordnung. Die Preise waren gut, die Arbeit wurde endlich bezahlt. Jetzt ist davon wenig übrig.

Drei Generationen der Familie Rauscher stehen in NÖ jeden Tag im Stall und kümmern sich um ihre ...
Drei Generationen der Familie Rauscher stehen in NÖ jeden Tag im Stall und kümmern sich um ihre Schweine.(Bild: Mario Urbantschitsch)
Franz Rauscher (re.) und sein Schwiegersohn Leopold arbeiten Hand in Hand für mehr Tierwohl.
Franz Rauscher (re.) und sein Schwiegersohn Leopold arbeiten Hand in Hand für mehr Tierwohl.(Bild: Mario Urbantschitsch)

Fehlende Wertschöpfung und keine Anerkennung
Die Wertschöpfung fehlt, die Preise sind massiv gefallen – und der Markt wird überschwemmt von Billigfleisch aus Spanien und Co. Karree um 3,60 Euro das Kilo? „Das können wir hier nicht produzieren“, so Rauscher. Aber der Preis zählt – immer!

Verarbeitungsbetriebe suchen die billigste Ware, Konsumenten greifen zu Aktionen. Wenn aber keiner bereit ist, mehr zu zahlen, kann sich der Bauer keinen Tierwohlstall leisten, so simpel ist die Rechnung.

Auf dem Hof von Rauscher stehen rund 2000 Mastschweine. Ein Familienbetrieb, wie so viele im Land. Um sieben Uhr Früh beginnt der Tag: Kontrollgänge, Fütterung, Einstreu, Technik, kranke Tiere versorgen. „Gesunde Schweine sind unser größtes Glück und die Grundlage unseres Einkommens“, sagt er. Die Zuversicht ist aber brüchig: Seit sechs Monaten ist die Vollkostenrechnung negativ. Alles ist teurer geworden, außer dem Schwein.

Dabei käme viel Arbeit auf die Branche zu: Ab 2029 tritt das neue Tierschutzgesetz in Kraft. „Gut und richtig“, sagt Rauscher. Aber schwer umzusetzen. Denn jeder Umbau kostet viel Geld. Die Fragen, die über vielen Ställen hängen, lauten: Kann ich überhaupt noch investieren? Und was bedeutet das für die Hofnachfolge?

Denn negative Bilder brennen sich ein – und sie überdecken den Alltag von Familien, die 365 Tage im Stall stehen. „Wir entwickeln uns stetig weiter, können aber nicht alle Wünsche erfüllen, weil wir uns damit vom Markt drängen“, sagt Rauscher. Und vor allem eines wird klar: Ein fairer Preis ist wichtiger als jede EU-Ausgleichszahlung.

Schnitzel-Preise immer saftiger
Für heimische Qualität greifen Herr und Frau Österreicher gern ein wenig tiefer ins Börsel. Doch in Zeiten der Teuerung ist der wöchentliche Einkauf oder gar Wirtshausbesuch wirklich kein Zuckerschlecken mehr. Fleisch wird immer mehr zum Luxus, aber die Bauern sehen davon nur wenig.

(Bild: Krone KREATIV/stock.adobe.com)

Wie aktuelle Zahlen von AMA, Landwirtschaftskammer und Co. belegen. Bei einem im Restaurant verzehrten Schweinsschnitzel mit einem durchschnittlichen Verbraucherpreis von 18,50 Euro beträgt der rechnerische Bauernanteil magere 52 Cent (netto!) oder 2,8 Prozent. Dieser sinkt übrigens kontinuierlich.

Im Jahr 2010 lag er bei 3,8 Prozent, schon 2024 nur noch bei 3,3 Prozent. Während in der Landwirtschaft – als einzigem Sektor – volle Preistransparenz vorherrscht, weiß man über die Preisbildung in den anderen Sektoren der Wertschöpfungskette nur wenig.

Die Bilder vom Gut Hardegg, wo die unter Verdacht stehenden Mitarbeiter – sie sollen unter anderem Schweine angepinkelt, Tiere mit Stromstößen malträtiert und sie geschlagen haben – bereits fristlos entlassen worden sind, lassen die Konsumenten aber schockiert zurück.

Genaue Kontrollen der Behörden sollen künftig solche Szenen verhindern und die Lust auf Schweinefleisch wiederherstellen. Vielfach herrscht aber auch die Meinung, „in einem überschaubaren Familienbetrieb wäre das nicht passiert!“

Kommentar
Familienbetriebe oder Tierfabriken

Wollen Sie wissen, warum der Fall Gut Hardegg so hohe Wellen schlägt? Weil die Videos aus dem Schweinestall zeigen, wie weit sich industrielle Tierhaltung von echter bäuerlicher Tradition mittlerweile entfernt hat. Während im Familienbetrieb jeder Handgriff sitzen muss und Mensch und Tier einander kennen, herrscht in Großanlagen oft Anonymität – und eben kein Mitgefühl. Genau dort entstehen die Bilder, die jetzt für Empörung sorgen.

Ein leichtes Spiel ist es nicht, sich mit dem Gedanken auseinanderzusetzen, dass so etwas in Österreich passieren kann – vor allem, wenn man es erst durch heimlich gefilmte Aufnahmen erfährt. Und ja: VGT-Aktivisten mögen keine Terroristen sein, aber wer sich nachts in einen Stall schleicht, überschreitet schlussendlich Grenzen.

Wesentlich einfacher und ehrlicher wäre es, gar nicht erst Strukturen zu schaffen, in denen Tiere zu Nummern werden. Kleine, überschaubare Betriebe könnten Missstände erst gar nicht verstecken. In der Massentierhaltung dagegen verschwindet Verantwortung oft im System.

Nur ein kleiner Teil der Konsumenten will wirklich wissen, woher sein Schnitzel stammt. Aus Angst, etwas Unangenehmes zu sehen. Aber wollen wir dafür wirklich riskieren, dass solche Zustände weiter bestehen? Nein.

Also: Setzen wir in Österreich auf echte Bauern, echte Verantwortung und echte Transparenz. Am Ende gilt aber auch: Einbruch bleibt Einbruch ...

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