Peter Hochegger, der frühere schillernde Lobbyist und einer der Hauptdarsteller diverser Korruptionsaffären, hat in seinem Buch detailreich teils abenteuerliche Fälle und zeitlose Mechanismen und Dynamiken über Täuschung, Macht und Inszenierung dargelegt.
Peter Hochegger ist zurück in Wien. Er war neulich wieder in seiner zweiten Heimat, in Brasilien. Sein „Paradies“, wie er es nennt. Nun wird er eine Weile ohne Zweitheimat auskommen müssen. Die knallharte Realität in Österreich hat ihn endgültig eingeholt. Er ist realistisch genug, um damit umgehen zu können. Er fasste im Buwog-Prozess eine Haftstrafe aus, obwohl er sich geständig gezeigt hatte. Ein Antrag des 76-Jährigen wegen medizinischen Gründen (attestiertes Hüftleiden) auf Haftuntauglichkeit wurde jüngst vom Gericht abgelehnt. Er hat daher eine Fußfessel beantragt.
Hochegger hat viel zu erzählen, auch abseits von Gerichtsverfahren und Karl-Heinz Grasser oder Novomatic. Am Samstag erschien beim Verlag edition a sein bemerkenswertes Buch über die „Schattenrepublik“.
Wodka und Kaviar
Der frühere Lobbyist schildert darin die Mechanismen der Korruption, die bis heute wirken. Der 76-Jährige war selbst zentraler Teil in diesem Bereich in den letzten Jahrzehnten. Sein Buch liest sich wie das Skript zu einem Roadmovie. Passend dazu Details wie Luxussportwagen, um potenzielle Auftraggeber zu beeindrucken. Eine von Hocheggers zentralen Thesen: „Die Kunst des Schmeichelns und Täuschens.“ So lautet auch ein Kapitel seines Buches. „Die PS-Zahl des Autos war kein technisches Detail, es war ein Symbol. Manche Deals waren bereits in dem Moment entschieden, in dem mich mein potenzieller Kunde aus diesem Auto steigen sah. Andere Male kam ich mit dem Taxi.“
Bei manchen löste sein Maserati Ehrfurcht aus, bei anderen Neid. In Österreich war er umtriebig. Lobbyierte für Konzerne und Politiker wie Grasser. Es gab auch Aufträge im Ausland. Etwa in Bulgarien: „Als Willkommensgeschenk gab es Wodka und Kaviar. Fünf Kellner warteten in Lauerstellung um den Tisch.“ Alles eine Frage der Inszenierung. In dieser Disziplin trieb es Hochegger nahezu bis zur Perfektion.
Zufällige Begegnung mit Kreisky
Er erinnert sich an Treffen mit Granden aus der Politik. 1970 traf er zufällig in einem Café mit seinem Bruder Paul auf Bruno Kreisky – damals Oppositionsführer. Niemand ahnte, welche Rolle der Rote einmal einnehmen würde. Hochegger konnte er sofort für sich einnehmen. „Genosse“, so begrüßte Kreisky ihn.
„An diesem Tag hatte ich zum ersten Mal die Macht der Rhetorik am eigenen Leib erfahren. Wer Wörter beherrschte, beherrschte die Situation, beherrschte seine Gegenüber, ihre Gedanken und Wünsche“, weiß der frühere PR-Berater. Viele Jahre später sei ihm klar geworden, dass dies der Kern des Lobbyismus sei. Mit wenigen Worten die Komplizenschaft zwischen Menschen herzustellen, sie in ein gemeinsames Geheimnis einzuweihen, dessen größte Anziehungskraft nicht aus Geld oder Macht bestand, sondern in der verschwörerischen Vertrautheit der Eingeweihten.
„Viel aus Amerika gelernt“
„Wir haben viel aus Amerika gelernt. Aus der Literatur. Inszenieren, Wellen lostreten, auf denen dann die anderen reiten würden. Vor allem die Medien. Letztlich auch die Politik“, erinnert sich der Neo-Autor und bringt Beispiele: Etwa als die Gefahr des Zuckers in Nahrungsmitteln die Öffentlichkeit erfasste. Hochegger und Co. platzierten Ovomaltine als gesunde Alternative zum traditionellen zuckerhältigen Frühstück. Man ließ dazu stets Experten zu Wort kommen. Es funktionierte. „Wir bekamen Riesenartikel in den wichtigsten Medien.“ Das Geld floss. Für alle Beteiligten.
„Die Meinung eines ganzen Landes lenken“
Das Ergebnis sei so sensationell gewesen, dass Ovomaltine-Manager aus Deutschland und der Schweiz nach Österreich kamen, um zu lernen, wie die österreichische Zweigstelle das geschafft hatte. Die Firma Hochegger hatte damit ihren ersten großen Deal erfolgreich zum Abschluss gebracht und ein Drehbuch entwickelt, das in den nächsten Jahren mit „die Meinung eines ganzen Landes lenken sollte“.
ÖBB und Tschernobyl
Ein anderes Beispiel betrifft die ÖBB. Hochegger sollte 2004 unter Schwarz-Blau auf Wunsch von Infrastrukturminister Hubert Gorbach (FPÖ) einen fähigen Manager aus der Privatwirtschaft implementieren. Gesagt, geplant. Doch der Plan ging schief, da der Lobbyist den heute so bekannten Namen Railjet für sich reklamiert hatte. Es sei Geld geflossen – an Hochegger (siehe auch Infobox unten). Und der Manager habe von den ÖBB ein Uni-Studium in den USA finanziert bekommen, heißt es im Buch. „Ein Paradebeispiel für ,österreichisches Management‘“.
Im Herbst 2004 moderierte eine Hochegger-Firma auf Einladung der ÖBB einen Workshop, um Namen für die neue Hochleistungsbahn zu finden. Dort fiel der Name noch nicht – Railjet tauchte erstmals bei einer internen Präsentation der ÖBB am 18. November 2004 auf.
Hochegger ließ nichts anbrennen. Am 29. November 2004 meldete er Railjet zur Eintragung beim Markenregister an. Als die ÖBB einige Monate später die Marke Railjet selbst eintragen lassen wollten, erhob der PR-Manager Widerspruch.
Am 12. April 2007 einigte man sich nach längeren Streitereien: Es wurde die Zahlung von 180.000 Euro (inklusive Umsatzsteuer) an Hochegger vereinbart.
Im Buch finden sich zahlreiche weitere Beispiele. Etwa wie Hochegger und Co. aus Tschernobyl profitierten, wie er mit einem „käuflichen Wissenschaftler Studien bestellte“, um in ORF-Sendungen unterzukommen. Der Investigativjournalist Michael Nikbakhsh dokumentiert Details zudem in seinem Podcast „Dunkelkammer“.
Die „Krone“ ist mit Peter Hochegger seit Monaten in engem Kontakt. Er zeigt sich geläutert und offenbart schonungslos die Mechanismen der Korruption in der Zweiten Republik. Der „Schattenrepublik“.
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