Seit über 20 Jahren macht Raphael Ragucci alias RAF Camora Musik, seit mehr als einer Dekade ist er damit an der Spitze. 2016 legte er mit „Palmen aus Plastik“ den Grundstein für einen neuen, einzigartigen Rap-Sound und wurde zum Musik-Genie. Nun meldet er sich mit neuem Album „Forever“ zurück. Doch ist er diesmal wirklich gekommen, um zu bleiben? Wir haben uns sein Werk genauer angehört ...
„War ne Odyssee, lang war der Weg, doch wollt ihn gehen“ - so lautet eine Zeile aus RAF Camoras neuem Album, genauer aus dem Song „Odyssee“. Sein Weg war tatsächlich lang, am Ende aber sehr erfolgreich. Raphael Ragucci hat Deutschrap im wahrsten Sinne neu erfunden. Mehrmals Gold und Platin, drei Mal Diamant, acht Nummer-eins-Alben, 45 Top-Ten-Singles ... die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Doch nicht nur musikalisch ist er an der Spitze angelangt. Er bewies sich auch als Autor, Podcaster und Geschäftsmann - mit seiner Corbo-Linie, einer Kosmetikmarke und mittlerweile drei Tattoo- und Barber-Shops.
Und obwohl er sich immer wieder musikalisch aus dem Rampenlicht zurückziehen wollte – mal gewollt, mal ungewollt durch den Hörsturz 2023 – schafft es der Halbitaliener nicht, die Füße stillzuhalten. Stattdessen versorgt er uns weiter mit Deutschrap, der mittlerweile sehr kommerziell klingt, aber genau deshalb so erfolgreich ist. Mit seinem neuen Werk „Forever“ - das laut einem Artikel des „Rolling Stone“ bereits sein 17. Studioalbum sein soll – öffnet er erneut die Türen zu diesem ganz speziellen RAF-Camora-Sound.
Der Rabe als Wegbegleiter
In seinem Buch „Der Pakt“ beschreibt er den ersten Kontakt mit Raben – Vögel, die ihn schon immer faszinierten und die er als Kind sogar fütterte. Der schwarze Rabe begleitet ihn also seit jeher, in guten wie in schlechten Zeiten. Dieses Mal wohl eher in guten, denn auf dem neuen Cover ziert ein pechschwarzer Rabe das knallige Türkis. In einem TikTok-„Recap“ erklärte er, dass die Idee zu „Forever“ während einer Erholungspause in Dubai nach der letzten Tour geboren wurde. 16 Tracks haben es auf die neue Platte geschafft, inklusive zwei Bonustracks.
Den Auftakt macht „Eden“: RAFs typisches „Ahhh“ eröffnet den Track – und gleich macht er klar: Sein Erfolg ist kein Zufall, sondern hart erarbeitet. Der Rabe, einst Symbol für Armut, sitzt heute mit ihm im Luxus-Paradies. Zeilen wie „Denkst du, Money wächst auf Palmen …“ sind eine direkte Ansage an Zweifler. Soundtechnisch dominiert ein atmosphärischer Mix aus Bass, Drums und Synth. Danach folgt „Rossi“, ein Track, der an den Vibe von „500 PS“ erinnert: schneller Afro-Trap-Sound, treibend und energiegeladen, wie zu „Palmen aus Plastik“-Zeiten. Gleich zu Beginn setzt RAF mit der Zeile „Komm’ immer back, nie mehr ‘Papa, où t’es?“ ein klares Statement: Er ist zurück, ohne wieder zu verschwinden (hoffentlich).
Nummer drei auf dem Album ist „Connected“ mit Raptalent Reezy – zugleich erste Single, erstes Feature und größte Überraschung, denn hier stimmt alles. Der Beat passt harmonisch mit der Klangfarbe von Reezy zusammen und bildet mit RAFs Part eine Einheit. Der Track ist nicht langsam, nicht schnell, sondern angenehm gechillt. Auf der Platte finden sich weitere persönliche Songs, darunter „Muss nicht mehr scheinen“, wenn RAF gesteht: „Ein Herz bricht auch als Millionär.“ Er macht klar, dass er mehr ist als Zahlen oder Statussymbole. Auch „Sawasdee Kap“ knüpft daran an, nur mit mehr Bass und einem Schuss Dancehall. Trotz Rückschlägen weitermachen, weiterlächeln und nicht brechen lassen. Botschaft also angekommen!
„Djungs“ und Frauen
Natürlich dürfen Hymnen für seine Crew nicht fehlen. „Squadra“ (italienisch für Mannschaft) ist genau das – ein Song für seine „Djungs“, mit einem augenzwinkernden Backstreet-Boys-Sample: „Street bleibt Street, alright“. Der Track reiht sich nahtlos in RAFs lange Liste von Crew-Hymnen ein, in denen Loyalität, Brüderlichkeit und Zusammenhalt im Mittelpunkt stehen. Der Beat ist schnell, treibend und trotzdem unverkennbar RAF. Kein Wunder, dass der Track als Single samt Video vom mittlerweile sehr bekannten Videografen Shaho Casado pünktlich zum Album-Release erscheinen muss.
Weg von den Jungs, rüber zu den Frauen: „Bottega“ ist der obligatorische Frauensong – früher gab es „Anna“, „Guapa“ oder „Adriana“, diesmal heißt die Muse „Bottega“. Eine selbstbewusste, unabhängige Frau, musikalisch verpackt in sommerlichen Dancehall-Afro-Trap.
Ein Song, der sich besonders einprägt, ist „Odyssee“. Der Musiker erzählt von seinem langen Weg, seiner Hypersensibilität und der Nervosität vor Shows. „Denk’ sehr kompliziert wie Sokrates“ – rappt er in einer Zeile und wir fragen uns, ist er wirklich so kompliziert?
Danach bringt „WOW“ mit Bausa das Tempo zurück: ein schneller Clubsong, voller Energie. Ruhiger wird’s dann mit „Cut“: gefühlvoll und leicht latin-angehaucht erzählt RAF davon, dass es Zeit für einen Neuanfang ist – ein Song zum Zurücklehnen und Träumen.
Von Highlights und ruhigen Tönen
Genauso ruhig geht’s weiter und RAF fährt das Tempo runter: „Kein Drama“ wird von einem Klavier eingeleitet, der Künstler rappt hier über den schwarzen Raben, der ihm Krallen gab – ein Bild für Stärke in schwierigen Zeiten. „Jupiter“ mit Ausnahme-Talent Apache 207 ist wohl eines der größten Highlights, denn auf dieses Feature haben Fans wohl seit Jahren gewartet. Der Song funktioniert sofort – ein Titel, der groß klingt und große Bühnen braucht.
Und wenn man denkt, das war’s schon, kommt der nächste Höhepunkt: „Ocean“, ein weiteres großes Feature mit Ufo361. Ein sommerlicher Track, bei dem man sich förmlich am Meer sieht. Für langjährige Fans besonders spannend: RAF greift hier bewusst den Flow von „2CB“ (mit Luciano) aus den Zukunft-Alben auf. Dass es mit Ufo361 funktioniert, zeigt der Erfolg – wie schon „Nummer“, wurde auch „Ocean“ ein Nummer-1-Hit.
Er kommt immer wieder zurück
Last but not least, noch vor den zwei Bonustracks, folgt „Jubiläum“ – kein Hit für die Charts, sondern eine echte Rückschau. Wie bei Filmen oder Serien, wenn es heißt: „Was bisher geschah …“, blickt RAF Camora hier zurück. Er erzählt von seinem Busticket nach Berlin 2007, den ersten Interviews, Rückschlägen und Erfolgen. „Palmen aus Glas und Diamant“ – er zieht Bilanz über eine Karriere voller Höhen und Tiefen. Zum Schluss resümiert er: „Aber Fakt: Jedes Mal, komm ich Out of the Dark.“
Abgerundet wird das Album noch durch die Bonustracks „Anthrazit Forever“ und „Out of the Dark“. Ersterer ist eine Referenz an sein erfolgreiches „Anthrazit“-Album und wirkt wie ein Bindeglied zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Zweiterer ist nicht nur eine Hommage an Falco, sondern auch ein klares Statement – eine Antwort auf die Zeit seines Hörsturzes. Er kommt immer wieder zurück, egal, wie dunkel die Phasen waren.
Fazit: „Forever“ ist mehr als nur ein weiteres RAF-Camora-Album. Es ist eine Zeitreise durch alle Phasen seiner Karriere – mal schnell, mal langsam und immer mit dem unverkennbaren RAF-Touch. Früher trug er Lacoste oder sogar Picaldi, heute Patek und Hermès. Doch im Kern bleibt er derselbe – nur erwachsener, reflektierter und mit unbändiger Liebe zur Musik. Ein Werk, das zeigt, warum er auch 2025 noch zu den wichtigsten Stimmen im Deutschrap gehört.
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