In vielen Welten

The Saxophones: Für die Leidenschaft jonglieren

Musik
22.12.2025 06:00

Band, Karriere, Familie – das Ehepar Alexi Erenkov und Alison Alderdice von der finsinnigen US-Band The Saxophones ist mit all dem konfrontiert und lässt die Zügel trotzdem nie schleifen. Der „Krone“ verraten sie, wie das möglich ist, welche Opfer man für den jeweiligen Bereich bringen muss und warum man nie alles auf eine Karte setzen wird – trotz des starken neuen Album „No Time For Poetry“.

kmm

Ein etwas unzweideutiger Spruch heißt „never fuck the company“. Er bedeutet im normalen Sprachjargon so viel wie, dass man Beruf und Privatleben doch lieber strikt trennen sollte. Dass es auch ganz anders geht beweisen seit fast 20 Jahren The Saxophones. Frontmann und Songwriter Alexi Erenkov und Schlagzeugerin Alison Alderdice teilen nicht nur seit geraumer Zeit Tisch und Bett miteinander, sondern auch Proberaum, Aufnahmestudio und Bühne. Hierzulande waren sie vor ziemlich genau zwei Jahren vorstellig, als sie im Zuge des Singer/Songwriter-Feinschmeckerfestivals Blue Bird Vienna eine mitreißende und gleichzeitig intime Show im Jazz-Club Porgy & Bess zum Besten gaben. Mittlerweile haben sich die Uhren weitergedreht, die Saxophones waren seither aber nicht mehr in Europa vorstellig. Das liegt aber nicht an Faulheit oder mangelndem Booking, sondern an der Lebenssituation des Duos.

Die Tücken mit Kindern
„Wir haben zwei Söhne, die jetzt sechs und sieben Jahre alt sind“, so Erenkov im gemeinsamen Gespräch mit der „Krone“, „wir stecken unheimlich viel Zeit in die Familie, weil diese Zeit unwiederbringlich ist und die Kinder so schnell wachsen und groß werden.“ Auf ihrem vorletzten Album „To Be A Cloud“ handelten einige Songs von der eigenen Situation und der Tatsache, dass man sich als Elternteil nicht mehr bloß nur mit der eigenen Sterblichkeit konfrontiert sieht, sondern auch Angst um das Leben der eigenen Nachkommen hat. Jedenfalls macht diese Situation das Livespielen wesentlich schwieriger. „Man kann notfalls die Großeltern einspannen, aber jetzt, wo sie in die Schule gehen, wird das immer schwieriger. Länger als zwei Wochen am Stück waren wir nie in Europa, momentan ist aber auch das ein Problem. Manche Dinge brauchen Zeit und man muss sie einfach nur abwarten und aussitzen.“

Das ist insofern schade, als die Saxophones Anfang November ihr viertes Studioalbum „No Time For Poetry“ veröffentlichten und damit erstmals eine neue Richtung einschlugen. War der düstere Art-Pop bislang mit Jazz- und westlichen Folk- und Country-Zitaten vermengt, tauchte man dieses Mal tief in das Œuvre der unvergessenen Reibeisen-Stimme Leonard Cohens ein und vermengt sie mit einer an „Twin Peaks“ gemahnenden Noir-Ästhetik, die das Duo samt Begleitmusikern deutlich reifer und exaltierter erklingen lässt, als es bislang der Fall war. War der Vorgänger noch familiär, buddhistisch und inwendig, ließen sich die beiden dieses Mal von der prekären Stimmungslage der aktuellen Welt anstecken. Man besingt auf Songs wie „Burning With Desire“, „Peace With Power“, „America’s The Victim“ oder „Wayward Men“ sich zunehmend verbreitende Ängste, toxische Maskulinität, politische Radikalität und damit einhergehend die Sorgen, die als Eltern für die eigenen Kinder mitkommen.

Die Musik und die andere Karriere
Man könnte die Platte als einen ausgestreckten Mittelfinger gen US-Präsident Donald Trump verstehen, andererseits aber auch als sorgenvolle Warnung für mehr Achtsamkeit im Alltag. Wie auch immer – hauchzarter Gesang, häufig reduzierte Instrumentierungen und eine bedrohliche Stimmung lassen „No Time For Poetry“ zu einem fragilen Juwel der dunklen Pop-Ästhetik mutieren. Dass die beiden ihre Kreativität aufgrund der Familiensituation mittlerweile deutlich klarer strukturieren müssen und nicht mehr viel Raum zum Herumspielen haben, hat offenbar für einige Veränderungen gesorgt. Zudem ist es noch immer so, dass Alderdice in der Heimat North Carolina als äußerst erfolgreiche Psychotherapeutin fungiert und die Musik für sie nur eine Nebenspielwiese ist. „Meine Karriere frisst enorm viel Zeit und wir haben früh beschlossen, dass die Verantwortung der Band und alles, was damit einhergeht, bei Alexi liegt“, so die Schlagzeugerin, „ich liebe die Musik und bin dankbar für diese Möglichkeit.“

Unweigerlich stellt sich die Frage, ob Erenkov es nicht mit einer anderen Schlagzeugerin versuchen möchte, um die Karriere der Band noch einmal richtig zu pushen. „Wenn er mich aus der Band rauswirft, hat er ein ernsthaftes Problem“, lacht Alderdice, „nein im Ernst: Ich würde es sogar verstehen. Aber wir haben viel und oft und lange darüber gesprochen, alle Möglichkeiten ausgelotet und uns für dieses Leben entschieden.“ Für Erenkov ist die Lage in Ordnung. Auch er spart nicht mit augenzwinkerndem Humor, in dem aber auch ein Körnchen Wahrheit steckt. „Dafür bin ich der Chef in der Musik“, lacht er, „ich schreibe jedenfalls die Songs und auch die meisten Texte. Alison bringt sich mit den Drum-Spuren ein, aber es ist nicht zu leugnen, dass wir bandintern eine klare Hierarchie haben. Außerhalb der Band schaut sie natürlich anders aus.“

In die Irre führen
Übrigens: Dass Sie bei den Songs der Saxophones nur äußerst selten ein Saxofon hören, ist kein Zufall. „Wir haben in unseren Liedern prinzipiell wenig Platz für dieses Instrument“, erklärt Erenkov, „ich habe auf der Universität Jazz studiert und dort ist das Saxofon allgegenwärtig. Ich kann es spielen, aber nicht besonders gut. Ich fand anfangs, dass der Bandname eine witzige Idee wäre. Er führt ein bisschen in die Irre. Auch unser Bühnenlook hat auf den ersten Blick nicht so viel mit der Musik gemein. Nach so langer Zeit bleibt das jetzt jedenfalls. Da ändern wir nichts mehr ab.“ Bleibt – auch angesichts des starken neuen Albums – nur die Frage, ob diese Vielfachbelastung auf Dauer möglich ist? „Ich könnte mir theoretisch vorstellen, eine Auszeit von meiner Hauptkarriere in der Psychologie zu nehmen“, bekräftigt Alderdice, „aber ich liebe meinen Job sehr. Ich habe hart für diese Karriere gearbeitet und die Musikindustrie ist wesentlich unsicherer. Wir wollen als Band weiterwachsen, freuen uns wieder auf Europa, machen die Dinge aber nicht zu jedem Preis.“

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