Neues Album von Bausa

„Der Faktor Mensch“: Musikalische Midlife-Crisis

Kultur
05.08.2025 09:00

Mit „Was du Liebe nennst“ katapultierte sich der Bietigheimer Rapper und Sänger Bausa 2017 an die Spitze der deutschen Singlecharts. Es folgten Hits wie ‘Madonna‘ oder ‘100 km/h‘. Jetzt legt er mit seinem fünften Album „Der Faktor Mensch“ nach – und die „Krone“ hat reingehört ...

„Baby, gib mir mehr von dem, was du Liebe nennst. Auch wenn es keine Liebe ist, ich liebe es“ – so lautet wohl die berühmteste Textzeile des Bietigheimer Rappers und Sängers Bausa (bürgerlich: Julian Otto). Doch bevor der Musiker mit „Was du Liebe nennst“ 2017 Geschichte schrieb, war er bereits als Feature-Gast bei Artists wie Capo oder Haftbefehl gefragt. Seine musikalischen Wurzeln reichen dabei weit über Rap hinaus: Bausa studierte Musik, spielt mehrere Instrumente und verschmolz Autotune, Melancholie und Melodie zu seinem ganz eigenen Sound. Spätestens mit seinem Debütalbum „Dreifarbenhaus“ und Hits wie „Madonna“, „Casanova“ oder „100 km/h“ festigte er seinen Platz in der Szene.

2024 zeigte er sich plötzlich von einer ganz anderen Seite: Bausa trat bei der beliebten TV-Show „Schlag den Star“ an – und entschied das Duell gegen „Rheingold“-Rapper und Schauspieler Emilio Sakraya für sich. Ein Rapper also, der zur besten Sendezeit punktet, ohne dabei an Coolness zu verlieren. Nun will er mit seinem neuen Werk „Der Faktor Mensch“ eine andere musikalische Facette von sich zeigen – und beweisen, dass hinter dem Hitmacher mehr steckt als nur eine eingängige Hook.

2017 war Bausas große Zeit – mit dem neuen Album will er daran anknüpfen. Der Start gelingt, ...
2017 war Bausas große Zeit – mit dem neuen Album will er daran anknüpfen. Der Start gelingt, doch mittendrin verliert sich der rote Faden.(Bild: Warner Music)

ChatGPT, Baddies und Ratten
Den ersten Part übernimmt „Heimweh“ mit Musiker JBS. Man hört ein Rauschen des Meeres, ganz leise – ein ruhiger, fast zarter Einstieg. Der Track klingt wie ein klassischer Bausa-Track: melancholisch, atmosphärisch, irgendwo zwischen Tourbus, Rückspiegel und Sehnsucht. „Langsam nervt das Rauschen vom Meer. So weit von zu Hause entfernt. Kein'n Plan, wieso – Doch ich glaub‘, ich hab‘ Heimweh, rappt er – eine Zeile, die dieses ständige Unterwegssein wahrhaftig einfängt. Direkt danach folgt der Titeltrack „Der Faktor Mensch“ – und er knüpft nahtlos an, vielleicht sogar der stärkste Übergang auf dem Album. Ein ruhiger Song mit leichtem Bass und sanften Synthesizern. Inhaltlich geht’s um viel: um Empathie, um mentale Überforderung und das Verlorensein im Alltag. Bausa zeichnet das Bild einer Welt voller Screentime, ChatGPT, Mikroplastik und Dauerrauschen. „Ich bin nicht sauer auf dich, ich weiß genau, wie’s dir geht“ – eine Zeile, die nichts beschönigt und trotzdem Mitgefühl für den Menschen zeigt.

„Moneymaker“ mit Aymen klingt eher nach einem kurzen Vibe als nach einem Song, der lange im Ohr bleibt. Frech, verspielt und leichtfüßig – ein deutlicher Kontrast zu den ruhigeren, nachdenklicheren Tracks davor. Inhaltlich bleibt es bewusst oberflächlich, der Fokus liegt ganz klar auf der Stimmung. Wer Bausas Hit „Madonna“ kennt, erlebt hier ein kleines Déjà-vu – nicht musikalisch, aber textlich. „Wenn du tanzt, läuft Madonna – ,Like A Prayer’“, rappt er überzeugt. Für ihn scheint die Pop-Ikone Sinnbild für eine gewisse Art Frau zu sein: selbstbewusst, sexy, ein bisschen wild. Oder eben eine echte Baddie (selbstbewusste, stylishe Frau – „bad“ im positiven Sinn).

So wie Bausa in „Moneymaker“ noch über echte Baddies rappt, geht’s im nächsten Song „Freunde werden Ratten“ plötzlich um das genaue Gegenteil: um Leute, die ihn enttäuscht haben. Eine kurze und klare Ansage, ohne Umwege. Zwischen den Zeilen lässt sich erahnen, dass hier auch alte Konflikte mitschwingen. Zum Beispiel mit dem Rapper Sierra Kidd, mit dem Bausa vor ein paar Jahren öffentlich aneinandergeriet. Ob er ihn in dem Track aber direkt meint, bleibt offen – die Stimmung passt jedenfalls.

Von Wodka bis „Jebiga“
Mit „Wenn der Himmel weint“ kommen wir vermutlich zum ehrlichsten Song des Albums. In der Single mit dem deutschen Sänger Jazeek rappt Bausa über Depressionen, Schmerz und Einsamkeit. Zeilen wie „Ich bin besoffen und frage mich: Warum leb‘ ich noch?“ treffen tief. Der Song ist direkt und brutal ehrlich. Die Stimme von Jazeek ist hier stark und doch so zart, fast wie ein Trostpflaster auf offener Wunde. Umso bedauerlicher, dass der Song nach knapp zwei Minuten schon endet. Da denkt man sich unweigerlich: Wo ist der Rest vom Schützenfest? So geht’s weiter – der Skit „Kalte Dusche“ folgt und ist genau das: ein kurzer Moment zum Durchatmen, fast schon ein Kälte-Schock

Ab dem Song „Dreck“ erleben wir einen anderen Bausa. Der Titel klingt nach Wut und genau so kommt der Track auch rüber. Laut und ziemlich fordernd. Als wolle er endlich gehört werden, weil ihm sonst keiner zuhört. Es geht um seinen Selbsthass, die Sucht und eine Vergangenheit, die sich einfach nicht abschütteln lässt. Wenn Bausa rappt: „Ich hab gesagt: Ich bin kein Alkoholiker. Doch trinke diesen Woddi immer pur“, dann redet er sich etwas ein, was längst nicht mehr stimmt. Das ist kein cooler Spruch – das ist ehrlicher Kontrollverlust. Und genau deshalb klingt der Titel auch so aggressiv.

„Maschinenraum“ mit Bibiza, dem Wiener Rapper mit Falco-Vibes, klingt wie ein wilder Mix aus Gebet und Rausch. Der Beat ist schnell, der Bass laut, die Lyrics pendeln zwischen religiöser Bildsprache und nächtlicher Eskalation. Bibiza liefert souverän ab, doch bei Bausa wirkt es stellenweise orientierungslos, so als wüsste er selbst nicht genau, was er da gerade tut.

Irgendwann kommen die nächsten Features: „Joshua Kimmich Dialog“ mit Yung Saint Paul und „Jebiga“ mit den bekannten Balkan-Rappern Voyage und Nucci. Letzterer ist ein echter Ohrwurm mit treibendem Beat einer eingängigen Hookline. Ein Mix aus purem Balkan-Vibe mit einem Hauch Pop-Appeal. Das Video dazu wurde sogar teilweise in Wien gedreht. Kollaborationen mit Balkan-Acts sind im deutschen Rap längst kein Einzelfall mehr. RAF Camora hat diesen Weg schon öfter eingeschlagen – etwa mit Noizy im Song „Toto“ oder mit Jala Brat und dem Song „Criminal“. 
Der Faden reißt total bei „Joshua Kimmich Dialog“. „Deine Bitch ist billig, alle, die mich ficken wollen, dribbele ich wie Joshua Kimmich“ – das soll wohl cool klingen, wirkt aber eher unbeholfen und inhaltlich wirr. Ein Tiefpunkt des Albums.

Auch die letzten Songs reißen das Ruder nicht mehr herum – besonders „MDMA“ enttäuscht. Der 36-Jährige verliert sich hier zwischen Autotune-Geflüster, Sprachverwirrung und einem Gefühl, das irgendwo zwischen Verliebtheit und Vollrausch hängt. „Ist das noch Deutsch?“, fragt er selbst. Die ehrliche Antwort: „Je ne sais pas“. Ein Song über MDMA als Abschluss eines Albums über das Menschsein? Warum nicht ... ? Wenn schon der Rest im Delirium schwankt, kann man das Ganze auch tanzend zu Ende stolpern. 

Fazit: „Der Faktor Mensch“ ist kein Totalausfall, aber auch kein großer Wurf. Zwischen ehrlichen Momenten und austauschbarem Füllmaterial verliert sich Bausa oft selbst. Seine Hochphase liegt hinter ihm, das wissen wir jetzt, denn 2017 ist längst vorbei.

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