Bei Wirtschaft und Industrie wächst der Unmut über die Politik. Den Unternehmern gehen dringend nötige Reformen und Gesetzesänderungen zu langsam. Sie klagen über zu langsame Genehmigung für die Rot-Weiß-Rot-Karte genauso wie über überbordende Regelungen im Arbeits- und Steuerrecht. Beim diesjährigen Forum Alpbach waren das bestimmende Themen.
Österreich sei mit einer besorgniserregenden Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte konfrontiert, warnt der Präsident der Industriellenvereinigung, Georg Knill. Zwischen 2011 und 2023 sind laut einer aktuellen Studie rund 1,4 Millionen Menschen aus Österreich ausgewandert – davon über 170.000 dauerhaft beschäftigte Fachkräfte, die zuvor bereits im Arbeitsmarkt integriert waren. Besonders auffällig: Viele der Abwandernden stammen aus wohlhabenden EU- und OECD-Staaten. Sie haben die Wahl, wo sie leben und arbeiten – und entscheiden sich gegen Österreich.
„Wir verlieren genau jene Menschen, die wir am dringendsten brauchen: Hochqualifizierte, erwerbstätige Zuwanderer kommen nach Österreich, leisten hier einen Beitrag und ziehen nach einigen Jahren weiter. Das ist kein Problem mangelnder Integrationsbereitschaft, sondern Ausdruck struktureller Standortnachteile: zu hohe Abgaben, zu viel Bürokratie, zu wenig Perspektive“, so Knill. Zudem zeige die Analyse: Während hochqualifizierte EU-Zuwanderer das Land überproportional häufig wieder verlassen, verbleiben tendenziell weniger gut integrierte Menschen länger in Österreich.
Industrie beklagt langsame Verfahren
„Um die Trendwende zu schaffen und internationale qualifizierte Arbeitskräfte länger im Land zu halten, müssen wir an den Rahmbedingungen des Standorts arbeiten. Das bedeutet eine Senkung der Lohnnebenkosten, eine Beschleunigung und Vereinfachung der Verfahren für die Rot-Weiß-Rot-Karte. Entscheidend sind aber genauso hochwertige Kinderbetreuungsangebote und eine echte Willkommenskultur“, fordert Knill.
Ins selbe Horn stößt auch die Wirtschaftskammer. So legte etwa die Tourismusbranche in Person von Susanne Kraus-Winkler, Obfrau der Bundessparte Tourismus und Freizeitwirtschaft in der WKÖ, eine ganz konkrete Forderungsliste auf den Tisch. So wünscht man sich einen „smarten Arbeitsmarkt“ mit Leistungsanreizen. Das betrifft die Überstundenbesteuerung, Arbeit im Alter, das Thema Vollzeitarbeit und steuerfreie Feiertagsentgelte. „Wir brauchen ein Aushilfskräftemodell, das unbürokratische Beschäftigungsmöglichkeiten mit einer smarten Endbesteuerung oder smarten Abgabenmodell ermöglicht“. Das betreffe viele Branchen, nicht nur den Tourismus, diesen aber ganz besonders, so Kraus-Winkler.
Rot-Weiß-Rot-Karte ist ein Hemmschuh
Gefordert werden auch hier schnellere Genehmigungen für Arbeitskräfte aus dem Ausland. „Wir brauchen eine Digitalisierung der Rot-Weiß-Rot-Karte. Das kann heutzutage nicht so schwierig sein. Es kann nicht sein, dass es drei bis sechs Monate dauert, bis ein Koch anerkannt wird“, zeigt die frühere Staatssekretärin in einem Mediengespräch Unverständnis. Eine dritte Forderung betrifft Vereinfachungen bei Betriebsübernahmen, immerhin seien 80 Prozent der Unternehmen in Österreich Familienbetriebe.
WKÖ-Chef Harald Mahrer ergänzt, dass die Wirtschaft insgesamt mehr Flexibilität brauche. „Das ist jetzt für den Tourismus vielleicht beispielgebend, aber viele dieser Punkte gelten auch für andere Wirtschaftsbereiche. Und das zentrale Thema ist mehr Handlungsspielraum, mehr Flexibilität, mehr Freiheiten, weniger Zwänge. Und die Botschaft muss einmal ankommen.“ Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer zeigt Verständnis für die Sorgen der Wirtschaft, er weist aber den Vorwurf der Untätigkeit zurück. Die Regierung hat mit der Abschaffung der Bildungskarenz, der steuerfreien Mitarbeiterprämie und vielen anderen Maßnahmen klare Leistungsanreize gesetzt. Es gebe aber diesen einen „Knopf, auf den man drückt und alles ist erledigt, nicht“.
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